Tichys Einblick
Impfgeheimnisse

Cold Case Corona, Teil 2: Der lange Weg der Aufarbeitung führt über versteckte Akten

Es ist eigentlich eine simple Frage: Wo werden die Impfakten des Landes Brandenburg aufbewahrt? Wo kann man sie einsehen, um etwa Folgen und Schäden zu erkennen? Der Corona-Untersuchungsausschuss ist dieser Frage nachgegangen. Mit einem seltsamen Ergebnis, erklärt Ausschussmitglied Saskia Ludwig.

Ursula Nonnenmacher (Bündnis 90 Die Grünen), Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Können Sie erklären, warum der Lagerungsort Brandenburger Impfakten geheimer ist als die Area 51, Royal Air Force Menwith Hill oder Fort Knox? Alles gut bewachte Orte, aber bekannt. Gut bewacht sollten auch die Corona-Patientenakten sein. Daher bleibt die Frage, warum die Brandenburger Landesregierung den Aufbewahrungsort der Corona-Patientenakten zur absoluten Geheimsache erklärt hat.

Bei der Area 51, der Royal Air Force Menwith Hill und auch Fort Knox ist inzwischen gut dokumentiert, wo sich diese Areale befinden. Bei den Corona-Patientenakten hingegen weiß man bisher nichts, außer dass es die Akten selber gibt und sie für mindestens 10 Jahre aufbewahrt werden.

Impfgeheimnisse
Dabei fing alles mit einer völlig harmlosen Frage an: Wo sind die Patientenakten, in denen die Corona-Impfdokumentation vermerkt wurde? Diese Frage ist im Untersuchungsausschuss zur „Untersuchung der Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der Erkrankung COVID-19 (UA Corona 2)“ fast jedem Zeugen gestellt worden. Mal gab es ein unwissendes Achselzucken als Antwort oder ein „Keine Ahnung, dass weiß ich leider nicht.“ Von wenigen Zeugen war jedoch zu hören, dass „abends Lastwagen kamen und die Akten abtransportiert haben.“ Auf Nachfrage, wohin die Patientenakten denn in den Lastwagen gebracht wurden, gab es im U-Ausschuss hingegen keine Antwort. Offensichtlich hatte sich bisher keiner der Zeugen gefragt, welches Ziel die Lastwagen seinerzeit hatten? Fragen nach dem Kennzeichen oder den Fahrern erübrigten sich, denn niemand hatte etwas gesehen noch gehört. Die Fachleute aus den Impfzentren waren deshalb auch der falsche Ansprechpartner, wenn es um den Ankunftsort der ominösen Lastwagen ging, die allabendlich mit der Dokumentation in der Nacht verschwanden.

Welcher geheime Ort es war, konnte in all den Wochen und Monaten des Untersuchungsausschusses nicht geklärt werden, weshalb es zu einem Running Gag auf dem Flur wurde, die geheimsten Orte dieser Welt ins Spiel zu bringen, die als Archiv in Frage kamen. Die „Area 51“ im US-Bundesstaat Nevada, welche 2013 als Sperrgebiet offiziell bestätigt wurde, ist für Normalsterbliche nicht zu betreten. Nicht ganz so berühmt ist die „Royal Air Force Menwith Hill“ im Vereinigten Königreich. Hier soll sich das Spionagenetzwerk Echelon befinden, das von der US-amerikanischen NSA, aber auch Kanada, Australien und dem Vereinigten Königreich genutzt wird. Ein weiterer Kandidat war die Vatikan-Bibliothek in Rom, wo zum Beispiel der Briefverkehr zwischen Michelangelo mit den damaligen Päpsten archiviert ist. Hier wäre zumindest ein Einlass möglich, auch wenn die Chancen dafür äußerst gering sind. Und dann natürlich noch „Fort Knox“ im US-Bundesstaat Kentucky. Neben den Goldreserven der Vereinigten Staaten soll hier auch das Originaldokument der Unabhängigkeitserklärung gelagert sein. Der wahrscheinlich bestbewachte Ort auf der Welt. Aber Spaß beiseite. Warum wird der Ort von der zuständigen Gesundheitsministerin geheim gehalten, an dem hunderttausende Patientenakten aus Brandenburg archiviert werden, fragten sich nicht nur die wenigen anwesenden Journalisten.

Eine Kleine Anfrage an die Brandenburger Landesregierung sollte schließlich Aufklärung bringen. Die Frage lautete: Wo erfolgt die Archivierung der Impfdokumentation für im Land Brandenburg durchgeführte Grundimmunisierung und Auffrischimpfungen mit mRNA-Impfstoffen in den Impfzentren? Die Antwort aus dem Gesundheitsministerium (eine gewisse Frau Nonnemacher von den Grünen leitete auch schon zur Corona-Zeit das Ministerium) war mehr als überraschend: „Soweit Impfungen gegen das Coronavirus im Auftrag des Landes Brandenburg erfolgt sind, erfolgte die Archivierung dieser Unterlagen bei dem durch die Landesregierung beauftragten Dienstleister, der aus Datenschutz- und insbesondere Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden kann.“ Ein „namenloser Dienstleister“, diese Antwort brachte neue Fragezeichen und potentielle Nachfragen ins Spiel, die sich bei einer einfachen Angabe des Archivortes nie gestellt hätten. Mit der Aussage: „Bestimmt sind die Laster direkt in die Pfizer Deutschlandzentrale nach Berlin gefahren,“ wurden auch hier Spekulationen laut, die mit einer einfachen, transparenten Antwort der grünen Ministerin nicht geäußert worden wären.

Und so geht auch das Thema Archivierung der Impfdokumentation aus den Brandenburger Impfzentren in eine Verlängerung. Der Journalist Paul Schreyer von Multipolar musste lange juristisch dafür kämpfen, dass die RKI-Protokolle überhaupt veröffentlicht wurden. Wollen wir hoffen, dass es bei einer Bagatellfrage, wie dem Ort der Archivierung von Impfdokumentationen, etwas schneller geht, Licht ins Dunkle zu bringen. Bis dahin werden weiter Fragen gestellt, wie zum Beispiel: „Wie hoch sind die bisher angefallenen Kosten, die der beauftragte Dienstleister der Landesregierung in Rechnung gestellt hat?“ Oder „Hat die Landesregierung von jedem Brandenburger Bürger, der eine Impfungen gegen das Coronavirus im Auftrag des Landes Brandenburg erhalten hat, eine Einverständniserklärung erhalten, dass die Impfunterlagen durch einen von der Landesregierung beauftragten Dienstleister an einem geheimen Ort gelagert werden dürfen?“

Das ist die Mindest-Auskunftspflicht eines Ministeriums, welches bis heute über die Daten der Brandenburger Bürger verfügt. Was passiert, wenn eine Ministerin willkürlich Orte zu „Geheimorten“ deklariert, ist nicht nur demokratiegefährdend, sondern ein Selbsteingeständnis, mittlerweile Angst vor den Bürgern zu haben. Es ist wahrscheinlich eine noch viel größere Angst, als sie vor einem Virus namens SARS-CoV-2 je vorhanden war.

Mehr dazu in Teil 3.

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