Tichys Einblick
Brandenburger Landtag

Cold Case Corona: Der lange Weg der Aufarbeitung – Teil 1

In Deutschland gibt es bislang erst einen Corona-Untersuchungsausschuss. Nicht in Hessen, Bayern oder Sachsen, sondern im Land Brandenburg sollen die Vorgänge in der Corona-Zeit aufgeklärt werden, so Saskia Ludwig, die als Landtagsabgeordnete im Ausschuss mitarbeitet.

Blick in den leeren Plenarsaal Brandenburg am 24.03.2021

IMAGO

Der Untersuchungsausschuss ist ein Alleinstellungsmerkmal in der gesamten Bundesrepublik. Dieser umfasst den Zeitraum von September 2020 bis November 2022. Warum trotz dieses Ausschusses der Weg der Aufarbeitung ein langer sein wird, ergibt sich aus der Tatsache, dass es die Bundesregierung geschafft hat, eine große Mittäterschaft zu suggerieren. Dies ist nicht das erste Mal in der deutschen Geschichte. Und wie wir aus der Geschichte gelernt haben, bedarf es eines langen Zeitabstandes bis zu einer wirklichen Aufarbeitung. Womit wir jetzt angefangen haben, ist die Aktensicherung über die Zeit der Corona-Pandemie mit all ihren Gremien, öffentlich, nichtöffentlich und geheim.

Eine Sisyphusarbeit, die in Teilen schon gelungen ist und prominente Beispiele aus der Geschichte motivieren, die Arbeit mit voller Kraft fortzusetzen: „I did not have sexual relations with that woman, Ms. Lewinsky. I never told anybody to lie, not a single time, never. These allegations are false and I need to go back to work for the American people.“ Diese Worte stammen selbstverständlich nicht aus dem Untersuchungsausschuss zur „Untersuchung der Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der Erkrankung COVID-19 (UA Corona 2)“.

Denn erstens gab es im Jahr 1998 noch keinen Corona-Virus SARS-CoV-2 und zweitens wird im Brandenburger Landtag nur in seltensten Fällen Englisch gesprochen. Die Sätze stammen von einem US-Präsidenten mit dem Namen William Jefferson „Bill“ Clinton, der sich mit genau diesen Worten an die Bürger seines Landes wandte. Was der 42. Präsident der Vereinigten Staaten bei seiner Fernsehansprache sicher noch nicht vorhersehen konnte war, dass diese wenigen Worte bei einer Pressekonferenz einmal zum Musterfall einer öffentlichen Lüge werden würde.

Experten auch aus Deutschland äußerten sich später dazu, welche Verhaltensweisen sichere Indikatoren für die Lügen waren und wie man sie wissenschaftlich gut erkennen konnte. Die Interpretation seiner Körpersprache ist zu einem „Idealbild“ geworden, wie es in Seminaren an den Universitäten erörtert wird.

Solche Fernsehaufzeichnungen, Filmaufnahmen oder Pressestatements, wie es sie von „Bill“ Clinton und zum Beispiel auch bei Sitzungen des Landtages (Sendung: „Im Parlament“) normalerweise gibt, werden beim Untersuchungsausschuss zur Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus nicht aufgezeichnet. In der Folge können die jüngsten Aussagen der Zeugin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen), ihres Zeichens Gesundheitsministerin im Land Brandenburg während der Corona-Zeit (und bis heute), nicht archiviert werden.

Dabei wäre es schon spannend gewesen, künftigen Generationen die Möglichkeit zu eröffnen, sich ihre Aussagen – wie bei „Bill“ Clinton – in 20 bis 30 Jahren auf YouTube noch einmal anzuschauen. Zu sehen wäre kein telegener „Bubba Bill“ gewesen, sondern eine eher spröde wirkende Frau, die mit leiser, monotoner Stimme immer die gleichen Antworten in einer Art Endlosschleife gibt: „Daran kann ich mich nicht erinnern“, „Dafür war die Bundesebene zuständig“ oder „Das ist nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses“.

In all den Stunden des Filmmaterials aus der Sitzung vom 1. März 2024 würde sich nur einmal die Stimme der Zeugin erheben, wenn die „Ministerin“ weiterhin behauptete, dass es durch die Corona-Impfungen einen Fremdschutz gab und gibt. Das scheint ihr persönlich extrem wichtig zu sein. Außerdem würde man sehen, wie die Ministerin ungläubig mit ihrem Kopf schüttelte, wenn ein aufmüpfiger Abgeordneter ihr vorhielt, dass es keinerlei Fremdschutz bei der mRNA-Impfung gebe.

Auf konkrete Nachfragen von Abgeordneten, wie der Fremdschutz bei der Corona-Impfung denn in der Praxis aussehe, würden die Zuschauer wieder eine spröde, kleine Frau auf dem Bildschirm sehen, die schweigt. Denn begründen kann Frau Ministerin ihre Aussagen nicht. Das erinnert an Bill Clinton, der einst mit fester Stimme etwas behauptete und darauf hoffte, mit dem „Gewicht des Amtes“ damit durchzukommen. Flankenschutz erhält das Regierungsmitglied aus Brandenburg von der Landtagsverwaltung. Von dort kommt der kritische Hinweis des Staatsanwaltes (dieser berät den Vorsitzenden des Ausschusses), dass die Zeugin Ursula Nonnemacher nicht als Ärztin befragt werden dürfe, sondern nur als Ministerin.

Allgemeines Kopfschütteln auf der Zuschauertribüne ist die Folge. Wir erinnern uns gern an die Zwei-Körper-Theorie, die einst bei Angela Merkel medial publik gemacht wurde. Die Zeugin Ursula Nonnemacher weiß also nichts mehr, was sie im Studium der Humanmedizin (immerhin knapp sieben Jahre lang) und ihrer 26 Jahre andauernden Tätigkeit als Kinderärztin im Vivantes-Klinikum gelernt und erfahren hat. Sind das nicht alles Expertisen, die ihr bei der Ausübung des Ministeramtes von Vorteil sein sollten? Gerade bei der Abwägung politischen Handelns sollten doch fachlich erworbene Spezialkenntnisse einfließen.

Ob das so ist, darf im Corona-Ausschuss jedoch nicht erfragt werden. Als ob all das medizinische Wissen punktuell vor Beginn des Untersuchungsausschusses zu ihrer Krisenpolitik im Zusammenhang mit dem Coronavirus vergessen sein kann. Amnesie. Vollständiger Gedächtnisverlust per Anordnung. Für die Zuschauer im Untersuchungsausschuss ist es kaum vorstellbar, dass all die Expertise, die sich eine Frau Nonnemacher einst im Fach Pharmakologie aneignen durfte/musste, punktuell ausgeblendet werden kann.

Stoffklassen, Mechanismen, Kinetik, Nebenwirkungen, Indikationen, alles verschwunden. Und so können von den Abgeordneten nur noch Fragen an die „Ministerin Nonnemacher“ gestellt werden. Das Pharma-Drama kann so seinen Lauf nehmen. Auch bei der dritten Befragung der Zeugin „Ministerin“ im Untersuchungsausschuss erleben die Zuschauer ein Trauerspiel, denn die Ministerin sucht verkrampft in ihren Gedanken nach angeblichen Studien und Daten für einen Beleg des Fremdschutzes. Aber ihre leere Behauptung, begründet mit den Aussagen der WHO, die Corona-Impfungen hätten mehr als 8 Millionen Tote verhindert, darf nicht hinterfragt werden.

Fast zeitgleich lässt eine Staatssekretärin von Frau Nonnemacher (eine gelernte Lebensmittelchemikerin) im Berliner Tagesspiegel verlautbaren: „Ich lasse mich von Zahlen, Fakten, Daten leiten.“ Wie kann es dann sein, dass ihrer Chefin im Gesundheitsministerium offensichtlich keine Informationen zu COVID-19-mRNA-Impfstoffen vorliegen? Oder möchte man es vielleicht auch gar nicht wissen, denn bislang attestieren sich die Impfstoffhersteller Pfizer und Co. selbst ihre „Unfehlbarkeit“.

Brandenburg verfügt über keinerlei fachliche Expertise, um mit analytischen Methoden produktspezifisch die Angaben der pharmazeutischen Unternehmer (zum Beispiel der US-Pharmakonzern Pfizer) zu überprüfen. Dies wird vom Gesundheitsministerium sogar schriftlich bestätigt, dass die Angaben der pharmazeutischen Industrie im Land Brandenburg nicht gegengeprüft werden. Einfachste Fragen, wie zum Beispiel, warum wird das behördlich vorgeschriebene Limit für das DNA-RNA-Verhältnis nicht dort nachgewiesen, wo es für den Geimpften wirklich relevant ist, nämlich in der Substanz, die tatsächlich injiziert wird? Keine Antwort der Ministerin. Oder kaum hörbar: „Dafür sind die Bundesbehörden zuständig.“

Bei genauer Beobachtung der Mimik und Gestik macht es die Ministerin Nonnemacher den Analysten, die sich auf die Entschlüsselung von Körpersprache spezialisiert haben, nicht so einfach wie der amerikanische Präsident. Sie tritt sprachlich und rhetorisch maximal kontrolliert auf und fasst sich keine 26-mal an die Nase (wie Bill Clinton), wenn sie immer und immer wieder befragt wird, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage sie ihre rigiden Corona-Entscheidungen gegen große Teile der Bevölkerung gefällt hat. Sie beteuert nicht einmal ihre Unschuld, denn sie ist sich keiner Schuld bewusst.

Was die Ärztin hingegen nicht steuern kann, sind die kleinen Gesten und fast unbemerkten Bewegungen, die viel aussagekräftiger sind als all die inhaltsleeren, episch langen Antworten, die sich später in den Protokollen wiederfinden. Die über Stunden wahrnehmbaren „Mikroausdrücke“ in der Mimik der Zeugin „Ministerin“ konnten nicht unterdrückt werden. Offensichtlich sind die Anstrengungen für die kleine Frau zu groß, um diesen letzten Teil menschlicher Gefühlsäußerungen zu unterdrücken und der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Wir dürfen gespannt sein, welche Mikroausdrücke in den weiteren Zeugenvernehmungen noch zu Tage treten, um die vollständige Wahrheit ans Licht zu bringen.

Bei William Jefferson „Bill“ Clinton ging es relativ schnell. Wie lange es bei Ursula Nonnemacher dauern könnte, werden auch die Brandenburger Wähler als „Grand Jury“ im September 2024 entscheiden. Ohne den Schutzmantel des Ministeramtes wird es für Zeugen wie Frau Nonnemacher schwerer, die Mauer des Schweigens aufrechtzuerhalten. Aktuell sind wir dabei herauszufinden, wo sich die analogen Patientenakten aus den Brandenburger Impfzentren befinden. Mindestens 8 Zeugen, die es aufgrund ihrer Tätigkeit hätten wissen können, zuckten bislang unwissend mit den Schultern.

Mehr dazu in Teil 2.


Saskia Ludwig (CDU) ist Abgeordnete des Brandenburger Landtags und war von Dezember 2019 bis Oktober 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages.

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