Tichys Einblick
KRIMINALITÄT

Aus England: Lieber Deutsche als Nachbarn …

Briten und Deutsche ... oft von tiefer gegenseitiger Abneigung geprägt. Und doch wünschen sich einige Briten lieber einen Deutschen als Nachbarn. Wie aktuell, wo in Berlin Zelte für belästigte Frauen statt Zellen für Belästiger geben soll.

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Während noch unklar ist, welchen Status die in Großbritannien lebenden Deutschen nach dem Brexit bekommen, bevorzugt ausgerechnet Nigel Farage, einst Vorsitzender der EU-skeptischen Partei Ukip, sie als Nachbarn – und löste damit eine heftige Rassismusdiskussion auf der Insel aus.

Sollte man sich Sorgen machen wegen der Vielzahl der Deutschstämmigen, die unauffällig im Vereinigten Königreich so vor sich hin leben? Die offzielle Statistik vermutet: Es sind 297.000 – die fünftgrößte nicht in Großbritannien geborene Gruppe nach Indern, Polen, Pakistanis und Iren.

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Was zum Teufel wollen die alle hier? Sie sitzen in ihren schick eingerichteten Wohnungen, schlagen die Zeit tot und warten. Das nehme ich zumindest an. Der „Guardian“ vermutete, dass unsere deutsche Gemeinde in der Regel gern unter dem Radar bleibt – eine Neigung, die sie vor 70 Jahren definitiv noch nicht so hatte. Das Blatt berichtete auch, dass sie sich meist wundervoll integrieren (Stadtteile mit signifikantem deutschem Bevölkerungsanteil gibt es nur ganz wenige, zum Beispiel Kensington in London oder Richmond in North Yorkshire): wie erschreckend ernsthafte blonde Aliens aus einem Zukunftsroman. Wenn ihre Zeit gekommen ist, werden sie dann wie Roboter über ihre britischen Nachbarn herfallen und sie misshandeln?

Das Bemühen, unter dem Radar zu bleiben, bedeutet aber auch, dass die Deutschen einen eher nicht am Geldautomaten erstechen und mit dem Portemonnaie abhauen werden. Als Immigranten verhalten sie sich nämlich eigentlich perfekt: Sie sind wirtschaftlich produktiv, favorisieren die Kleinfamilie und sie werden selten kriminell.

Folgt man jedoch James O’Brien, einem Radiomoderator des Senders LBC in London, entlarvt man sich, wenn man solche positiven Dinge von sich gibt, als – Rassist! O’Brien hatte Nigel Farage, den Ex-Vorsitzenden der Ukip, interviewt, der sich zu der Bemerkung hinreißen ließ, die meisten Briten hätten lieber eine deutsche Familie als Nachbarn als eine rumänische.

„Sie kennen den Unterschied!“, schalt Farage den Moderator, der aber so in seiner Political Correctness gefangen war, dass er vorgab, genau diesen Unterschied nicht zu kennen. Das Interview erzeugte einen mittelschweren Shitstorm. Man war sich einig, dass sich Farage einer rassistischen Entgleisung schuldig gemacht hatte. Der entschuldigte sich halbherzig. Ich nehme jedoch an, dass das Publikum sehr wohl verstand, was er mit „Unterschied“ gemeint hatte … Eine Nachfrage bei der Londoner Polizei förderte denn auch zutage, wie berechtigt Farages Einschätzung gewesen war. Die Nachfrage bezog sich auf die Anzahl der Festnahmen ausländischer Straftäter in London von 2008 bis 2012.

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Insgesamt wurden in den vier Jahren 2.437 Deutsche verhaftet, bei den Rumänen waren es 20.724. Letztere Zahl enthält 1.073 Wohnungseinbrüche und 142 mutmaßliche Vergewaltigungen, um ein kleines bisschen Butter bei die Fische zu geben. Und nach der letzten Volkszählung von 2011 leben mehr Deutsche in London als Rumänen: 44.976 zu 42.151. Dein neuer Nachbar wird also viel wahrscheinlicher kriminelle Neigungen haben, wenn er Rumäne als wenn er Deutscher ist. Es könnte natürlich sein, dass ein extrem aktiver Rumäne 20.725-mal verhaftet wurde. Oder dass die Polizei Rumänen hasst und sie lieber verhaftet als die Deutschen. Trotzdem suggerieren die Zahlen jedem normal funktionierenden menschlichen Wesen – also jedem, der kein Radiomoderator bei LBC ist – dass die Rumänen in Sachen Kriminalstatistik weit über ihrer Gewichtsklasse kämpfen. Unglaublich: Sie schlagen auf diesem Gebiet sogar die Somalier und Jamaikaner.
Noch eine weitere Einschränkung. Eine, die hier vorzutragen mich endgültig in die Bredouille bringen wird: Immer wenn die kriminellen Neigungen der Rumänen in der Presse auftauchen, folgen massenhaft besorgte und wohlformulierte Beschwerden britischer Rechtsanwälte, Ärzte und Professoren rumänischer Abstammung. Sie versuchen klarzustellen, dass die Leute, die in den Kriminalstatistiken auftauchen, gar keine Rumänen sind: „Das sind Roma!“

Darüber weiß ich nicht Bescheid. Die Londoner Polizei unterscheidet nämlich nicht zwischen ethnischen Rumänen und ethnischen Roma; die Tatsache, dass man in Rumänien geboren wurde, reicht denen völlig aus. Man sollte also besser nicht weiter in diese Richtung spekulieren. Oder? Aber im Grunde ist diese ganze Diskussion überflüssig. Für Leute wie James O’Brien, den politisch korrekten Radiomoderator, ist sie ohnehin rassistisch – und die anderen kennen „den Unterschied“.


Rod Liddle ist britischer TV-Moderator, Buchautor und Kolumnist, unter anderem für die „Sunday Times“. Seinen Artikel in diesem Heft über Populisten hat er für das englische Äquivalent zum Einblick, den „Spectator“, geschrieben.


Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 12/2017 von Tichys Einblick erschienen >>