Tichys Einblick
Obama agierte ohne Strategie

Atom-Deal mit dem Iran: Realität ausgeblendet?

US-Präsident Trump will den Atom-Deal mit dem Iran aufkündigen. Israel legt Dokumente vor, die beweisen sollen, dass der Iran gegen alle Zusicherungen weiter atomar aufrüstet. Tatsächlich sind Atomwaffen nur ein Teilelement der aggressiven iranischen Politik.

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu delivers a speech on Iran's nuclear program at the defence ministry in Tel Aviv on April 30, 2018

© JACK GUEZ/AFP/Getty Images

Der Schaden, den Obamas Politik zur fragilen Stabilität des Nahen Ostens beitrug, wird immer deutlicher. Der Atomdeal mit dem Iran vom 14. Juli 2015 ist in diesem Sinne symptomatisch.

Richtige Idee – falsch angewandt

Nicht die Idee an sich war falsch. Der damalige Wille der sogenannten P5+1 (Frankreich, China, Großbritannien, USA, Russland und Deutschland) auf einem friedlichen Weg zu garantieren, dass das iranische Atomprogramm nicht in die Entwicklung und Herstellung einer nuklearen Waffe mündet, was wiederum die atomaren Bestrebungen anderer Länder in der Region beflügelt hätte, war damals wie auch heute nachvollziehbar.

Verständlich und richtig war auch die logische Infrastruktur des Abkommens: Iran musste zuerst bestimmte Schritte unternehmen, bevor die Sanktionen gegen ihn abgebaut werden sollten. Es war also wenigstens auf den ersten Blick nicht überraschend, dass das Abkommen tatsächlich eine flächendeckende und staatenübergreifende Unterstützung genoss. Mit seiner Kritik gegen die Vereinbarungen mit seinem seit 1979 Erz-Feind stand Israel damals ziemlich allein. Wenigstens in der Öffentlichkeit.

Mehrmals hat die israelische Regierung darauf hingewiesen, dass Iran immer noch auf jeder Bühne zur Vernichtung Israels aufruft, dass man dem Mullah-Regime keinen Glauben schenken darf und dass Iran keine Gelegenheit ungenutzt lassen werde, gegen den Geist des Abkommens zu agieren und es zu unterlaufen. Diese Sicht auf den Iran teilten und teilen viele Regierungen nicht – offiziell.

Kritik hinter den Kulissen

Hinter den Kulissen hingegen stand Israel überhaupt nicht allein. Laut der amerikanischen Wochenzeitung „Newsweek“ (29.11.2017), sagte der ehemalige US-Außenminister John Kerry, dass Israel, Saudi-Arabien und Ägypten, den ehemaligen Präsidenten Barack Obama vor dem Nuklearabkommen im Juli 2015 gedrängt hätten, die Atomanlagen im Iran zu zerstören. Die Annäherung zwischen Riad und Jerusalem in den letzten Jahren ist deswegen, wie jeder weiß, kein Zufall, sondern folgt einer strategischen Kalkulation. Riad teilt die irankritische Auffassung Israels.

Der größte Fehler Obamas lag im Sommer 2015 nicht darin, dass er sich von den dreien nicht überzeugen ließ, sondern dass er sich für ein Abkommen einsetzte, das jeglicher strategischen und weitsichtigen Tiefe entbehrte.

Das Atomabkommen ist ein 159 Seiten dickes Dokument, welches mit den physikalischen Aspekten der getroffenen Vereinbarungen genau so akribisch umgeht wie auch mit den gegen Iran verhängten Sanktionen.

Die strategische Ebene jenseits der atomaren Bestrebungen Irans hingegen wurde völlig vergessen und vernachlässigt: Nicht einmal mit einem Satz wurden die regionalen Aspirationen der Iraner im Nahen Osten, vor allem in Südlibanon und in Syrien, erwähnt.

Nicht nur um Atomwaffen geht es

Man hatte die iranische nukleare Gefahr vor Augen und so hat man die anderen Gefahren, die aus Irans imperialistischer Politik entstanden, völlig verdrängt und ignoriert: Dazu zählen zum Beispiel die Destabilisierung der Grenze zwischen Israel und Syrien wie auch die Demontage Libanons durch die Aktivierung und Ausrüstung der Hisbollah. Angesichts des von innen und von außen kommenden Drucks, unter dem die iranische Regierung 2015 stand, wäre es vielleicht möglich gewesen, auf diesem Weg die verheerenden Auswirkungen der iranischen Einmischung im Nahen Osten zu verhindern oder wenigstens zu mildern.

Anders formuliert: man kämpfte damals am Verhandlungstisch gegen die iranischen Atomwaffen –  nicht aber um mehr Sicherheit. Dieser strategische Fehler zeigt heute, am Vorabend eines eventuellen Krieges zwischen Israel und Iran,  seine möglicherweise verheerenden Folgen.


Dr. Eran Yardeni