Tichys Einblick
Belehrungsmediendemokratie

ZDF-Morgenmagazin: Söder kritisiert „Belehrungsdemokratie“

Söder zu Hayali: "Wissen Sie, was mir wirklich Sorge macht? (…) Die Demokratie in Deutschland. Seit zwei, drei Jahren haben wir diese Belehrungsdemokratie."

Screenprint: ZDF/Morgenmagazin

Die frischgebackene Bundesverdienstkreuzträgerin Dunja Hayali moderiert seit 2010 das ZDF Morgenmagazin (MoMA) – keine so kleine Baustelle, wenn immerhin zwischen drei und vier Millionen Zuschauer einschalten.

Hayali muss dafür nach Selbstbekunden schon morgens um 3:45 Uhr aufstehen. Für einen bekennenden Morgenmuffel keine einfache Hausnummer, aber wenn die Moderatorin um 08:05 Uhr auf den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder trifft, dem übrigens niemand geringerer als Horst Seehofer 2013 noch das Bundesverdienstkreuz verweigerte, dann dürfen die Zuschauer davon ausgehen, dass dieses Gespräch das Potenzial zum Wachmacher haben könnte.

Hayali möchte zunächst einmal wissen, was Söder in der Asyldebatte mit „Asyltouristen“ meinte – ein entsprechender Einspieler wurde dem Interview vorangestellt. Den Film allerdings fand Söder nur so mittel. Der Beitrag sei zugespitzt und mit sehr klaren Meinungsäußerungen versehen worden. „Asyltouristen“ seien im Übrigen Asylbewerber, die schon in einem anderen europäischen Land einen Antrag gestellt hätten.

Nun hätte Dunja Hayali nachhaken können, ob nicht „Sozialsystemtouristen“ das bessere Wort wäre, aber sie erinnert Söder lieber daran, dass auch er gerne zuspitzen würde. Und nicht zu vergessen: Die Moderatorin arbeitet beim Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen, Söder hingegen ist ausgewiesen Partei. Hayali möchte über Söders Sprache reden: „Über Inhalte werden wir dann schon noch sprechen.“, meint sie fast kokett zum Ministerpräsidenten, der sich morgens um kurz nach acht vor einem Ein-Frau-Sprach-Tribunal wiederfindet.

„Sie wissen natürlich, dass sprachliche Methapern die Welt begreifbarer machen“, belehrt Hayali, nachdem sich Söder erklärt hat. Eigentlich ein schöner Satz der Moderatorin. Sowas schafft nicht jeder um diese Uhrzeit. Söder nickt sogar zustimmend. Als Hayali dann aber den AfD-Vergleich bringt und wissen möchte, ob das von Söder Gesagte nicht doch nur der kommenden Landtagswahl geschuldet ist, wird Söder deutlicher:

„Wissen Sie, was mir wirklich Sorge macht? (…) Die Demokratie in Deutschland. Seit zwei, drei Jahren haben wir diese Belehrungsdemokratie. Es wird ständig den Leuten erzählt, ihre Ängste, wenn es um Kriminalität geht, wenn es um kulturelle Identität geht, das seien eigentlich falsche Ängste. Die Leute müssten einfach nur mal sich weiterentwickeln. Geistig und moralisch weiterentwickeln. Dann würden sie schon verstehen.“

Dunja Hayali gibt sich pro forma einsichtig, meint sogar, was Söder da sage, mag vor drei Jahren so gewesen sein, „aber die Zeiten sind doch längst vorbei.“ Nun ist Hayali allerdings selbst prominente Vertreterin der Verbreitung der von Söder kritisierten Belehrungsdemokratie. Ja, man könnte sogar sagen, sie ist eben dafür – deshalb haben wir es hier eingangs erwähnt – mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.

Heute würde doch über alles gesprochen, interveniert die Moderatorin weiter. Söder belegt an einem Beispiel, das keine drei Sekunden alt ist, das Gegenteil, wenn er darauf hinweist, dass gerade im Moment seit drei Minuten über ein Wort diskutiert werden würde und nicht über substantielle Fragen.

Zwangsfernsehen
Dunja Hayali: Schlepper-TV
Dunja Hayali spielt Angela Merkel ein, die – bezogen auf die Zuwanderungssituation 2015 – von einer abgestimmten Maßnahme spricht. Und Hayali fragt Söder weiter, wer von beiden denn nun lügen würde, er oder Merkel. „Oder ich frage anders, wer sagt die Wahrheit?“ Zunächst verweist Söder darauf hin, dass die CSU und die bayrische Staatsregierung in der Entscheidung nicht informiert waren. Aber im Nachhinein habe man eine einzelne humanitäre Maßnahme durchaus mitgetragen, jedoch kein „dauerhaftes Aufhalten der Grenzen“ und auch nicht, dass Deutschland eigenes Recht nicht mehr angewandt hätte. So sei diese Zuwanderung erst eskaliert.

Der damalige österreichische Bundeskanzler sei im Übrigen wegen der damals gemachten Fehler nicht mehr im Amt. Ein Fingerzeig Söders Richtung Merkel, ihren Posten ebenfalls zu räumen? Anders lässt sich diese Spitze kaum interpretieren.

Und was Dunja Hayali angeht, klingt das alles leider wie eine Bewerbung für den Posten der Regierungssprecherin. Denn wie kann man als Journalistin ohne Not die Rolle der Kanzlerin einnehmen, wenn Markus Söder befragt wird? Was wäre denn aus journalistischer Perspektive passiert, wenn Dunja Hayali vor Söder Entscheidungen der Kanzlerin massiv kritisiert hätte, indem sie damit begonnen hätte, die Worthülsen und den Satzsalat Merkels einmal zu durchleuchten? Viel interessanter wäre doch gewesen, einmal zu erleben, ob Söder seiner Unionspartnerin, denn das ist Merkel ja, zur Seite hätte springen müssen. Diese Gelegenheit hat Dunja Hayali verpasst. Aber sie steht nicht alleine damit, wenn sie der – und nun nehmen wir das hilfreiche Söder-Wort gerne auf – Belehrungsdemokratie weiterhin den Steigbügel hält, auch wenn sie kurz zuvor noch tapfer bekundet hat, das wäre doch längst vorbei.

Interessante kurze Zwischenbemerkung Söders auf eine Frage von Hayali: „Zunächst einmal, was ist das jetzt, eine Frage oder eine Meinung von Ihnen?“