Tichys Einblick
Zu Weihnachten läuft im Fernsehen alle Jahre

Weihnachtsfernsehprogramm: Murmeltier-Eintopf zum Fest

Weihnachten ist ein Fest der Traditionen. Das trifft sich gut für Programmmacher. Denn es liefert ihnen einen Vorwand, die Arbeit einzustellen - das haben sie schon vor Jahren getan und senden seitdem immer wieder das gleiche. Teilweise sogar zur selben Sendezeit.

IMAGO / UPI Photo

Weihnachten ist kein attraktiver Termin für die Wirtschaft: Die Geschäfte sind zu, vom Kaufanreiz zum Kauf ist der Weg also länger als sonst. Und außerdem visieren fast alle die junge Familie als Zielgruppe an. Die sitzt an Weihnachten – zumindest im Idealbild der Werber – nicht vor der Glotze. Das macht für die privaten Sender die Rechnung einfach: Keine attraktiven also teuren Werbepausen – nicht all zu viel ins Programm investieren.

Nun leistet sich Deutschland ein duales Fernsehsystem. Neben den Privaten gibt es auch noch die Öffentlich-Rechtlichen. Die könnten sich an Weihnachten besonders ins Zeug legen, da sie auf wirtschaftliche Zwänge keine Rücksicht nehmen müssen. Zum einen würden sie so dem feierlichen Anlass gerecht. Zum anderen würden sie die bedienen, die eben nicht in das ideale Familien-Stereotyp der Werbewirtschaft passen. Doch für sie fällt das Unterhaltungs-Festessen aus.

Stattdessen holen ARD und ZDF jede Menge Konserven aus dem Keller: Erst Pippi, dann Michel und letztlich Carmen – das ist das ZDF. Aschenbrödel, Loriot und Heinz Becker – das ist die ARD. Abends laufen dort dann Sissi und die Feuerzangenbowle – so zuverlässig wie das Glöckchen zur Bescherung. Loriots Familie Hoppenstedt kommt am Heiligabend die gleiche Bedeutung zu wie dem Kanzler. Zumindest läuft sie auf allen Kanälen: Erstes, WDR, NDR und SWR zeigen sie.

Die Dritten sind über die Feiertage ohnehin wie eine Ausgrabungsstätte für TV-Historiker, Schwerpunkt Deutscher Film. Hier durchleidet der Zuschauer noch mal wie rückständig die deutsche Komödie unmittelbar nach dem „Dritten Reich“ war: etwa „Charleys Tante“. Peter Alexander zwängt sich 1963 in ein Frauenkleid, becirct zwei ältere Herren und kommt dann mit der Besitzerin des Kleides zusammen. Was da wohl Identitätspolitiker:innen zu sagen? Der SWR präsentiert die Klamotte am Weihnachtstag um 21.45 Uhr.

Hessen 3 zeigt am gleichen Tag ab 13.20 Uhr „Im Weißen Rössl“. Peter Alexander singt, kellnert und erobert das Herz der Wirtin. Ihre erste Wahl ist er nicht. Aber sie kann ihren eigentlichen Schwarm nicht bekommen und sieht während des Filmes ein, dass sie als Frau nicht alleine leben kann. Für die Identitätspolitik ist Weihnachten im Öffentlich-Rechtlichen eher ein Rückschritt.

Und apropos Rückschritt: Der NDR kramt am zweiten Weihnachtsfeiertag „Max, der Taschendieb“ aus der Kiste. Ab 9.30 Uhr ist Heinz Rühmann zu sehen, wie er als Familienvater und hauptberuflicher Verbrecher Verbrechen eigentlich ablehnt und für das saubere Verbrechen eintritt. Diesen Spagat zwischen Ganovenromantik und der Moral eines Verwaltungsangestellten drehten die Deutschen 1961 – da hatte Hollywood schon Psycho zustande gebracht. Dessen eigentlichen Weihnachtsklassiker sind ebenfalls rar im deutschen Fernsehen  gesäet. Immerhin ist „Ist das Leben nicht schön“ am Weihnachtstag um 20.10 Uhr auf 3SAT zu sehen.
Viel Frisches ist indes nicht im Programm. Und wenn dann schmeckt es fad. Die Idee der Känguru-Chroniken waren in Buchform noch ganz nett: Ein ebenso ungewöhnlich wie selbstgerechtes Haustier gibt linke Parolen aus. Was sich liest als charmante Satire ist vom Rest des ZDF-Programms indes kaum zu unterscheiden. Die Premiere im freien TV läuft zum ersten Mal am Weihnachtstag ab 17.30 Uhr im ZDF.

Auch die Privaten tragen nicht viel dazu bei, dass sich Weihnachten im Fernsehen 2021 unterscheidet von 2020 oder 2019 oder 2018… Der Herr der Ringe auf ProSieben, Sister Act auf Vox oder Bud Spencer und Terence Hill auf Kabel 1 – am Heiligabend. In der Folge wärmen die Privaten auf, was sie an Feiertagen immer aufwärmen: die Scary Movies, Miss Marple, Rambo, Police Academy, Pretty Woman, Der Grinch oder Der Zoowärter.

Immerhin bietet ProSieben am Zweiten Weihnachtsfeiertag etwas Abwechslung. Matthias Opdenhövel präsentiert um 20.15 Uhr eine Festags-Variante von „The Masked Singer“. Drei Prominente gilt es unter neuen Masken zu erraten. Danach überträgt der Sender ein Spiel aus der NFL. Die Football-Begegnung zwischen den Las Vegas Raiders und den Denver Broncos ist eine mögliche Partie. Das erste Spiel auf ProSieben Maxx beginnt um 19 Uhr – die Moderatoren haben versprochen, während der Übertragung Pyamas zu tragen.

Im immer Gleichen unterscheiden sich wenigstens die Nuancen. Sat1 zeigt am Heiligabend „Kevin – Allein zu Haus“ und am nächsten Abend „Kevin – Allein in New York“. Soweit so alt. Doch im zweiten Teil der Reihe gibt es einen Cameo-Auftritt von Donald Trump. Beziehungsweise: Gab es. Sat1 hat den ehemaligen US-Präsidenten mittlerweile rausschneiden lassen. Immerhin haben sie sich die Mühe gemacht. Wem aber sonst das ewig grüßende Murmeltier zum Weihnachts-Programm einfällt, muss geduldig sein: Das zeigt RTL 2 erst am Neujahrstag.

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