Tichys Einblick

Was englischsprachige Medien von Merkel meinen

“Deutschland trete nicht aus der EU aus, und es habe nicht Donald Trump gewählt,” so Thomas Kleine-Brockhoff. “Es habe beim ersten Versuch keine Regierung bilden können. Das sei schlecht, es wirke destabilisierend. Aber es sei nicht das Ende der Welt.”

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Der NASDAQ Future sei daraufhin gefallen, der Kurs des Euro sei gegen Yen und US-Dollar abgerutscht. Bundeskanzlerin Merkel hat geplante Gespräche mit Mark Rutte erstmal abgesagt, Reuters glaubt ihre vierte Amtszeit in Frage gestellt, schreibt aber doch, dass sie die SPD gebeten habe „sich das nochmal zu überlegen“ … Sie hoffe, so habe sie dem ZDF gesagt, ”dass diese sich sehr genau überlegen würden, ob sie nicht die Verantwortung des Regierens übernehmen würden” und hinzugefügt, „dass sie keinen Grund sähe, ihr Amt niederzulegen, und ihre konservative Union geeinter als je zuvor in eine Neuwahl gehen würde“. „Wenn es zu Neuwahlen käme, dann müsse man das akzeptieren, und sie habe „Vor gar nichts Angst“.

Reuters zitiert Josef Joffe, den Herausgeber der “Zeit”: “Sie könne sich für den Moment auf die Unterstützung der CDU verlassen, er würde aber nicht darauf wetten, dass sie ihre ganzen vier Jahre voll bekäme.“

Bloomberg sieht Angela Merkel am Scheideweg.

Es sieht “Deutschland stolpern…” und schiebt die Schuld alleine ihr zu: „Nachdem ihr Versuch, eine neuer Regierung zu bilden, auseinandergefallen sei“ wäre „der europäische Stabilitätsanker angeknackst“ und lässt nicht näher genannte Unterstützer Merkels zu Wort kommen: „Sie müsse nun schnell handeln, um die Macht nicht durch die Finger rutschen zu lassen“

Minderheitsregierung

„Merkel könne sich auch an einer Minderheitsregierung versuchen,“ schreibt Bloomberg, „und sich dann auf wechselnde Allianzen verlassen, um ihre Pläne umzusetzen“. Das könnte der gewieften Politikerin liegen, die wohlbekannt dafür sei, Hinterzimmer-Abkommen zu schließen und sich der Regierungsarbeit eher ideologiebefreit zu widmen – das wäre aber wohl kaum die stabile Regierung, die sie versprochen habe.

Der Express sieht Deutschland nach dem Auszug der FDP in Turbulenzen: Die Koalitionsgespräche seien „gescheitert und Frau Merkel’s politische Karriere damit auf der Kippe“. Wolfgang Kubicki, stellvertretender FDP-Vorsitzender, habe vorher gewarnt: “Falls wir’s nicht bis 18 Uhr Sonntag hinbekommen, sei die ganze Sache tot.”

Voice of America fragt: The End of Merkel? Deutschland – das stabilste Land der Europäischen Union – sei am Montag in eine politische Krise gestürzt worden. Merkels Schwierigkeiten kämen zu einem kritischen Moment für die EU, die sich in immer bitterer werdenden Verhandlungen mit Großbritannien bezüglich des Brexits befinde.

Nachdem die Einwanderung so heiss umstritten gewesen sei, und Neuwahlen auf dem Tisch lägen — hätten sich CDU, CSU und die Freien Demokraten entschlossen gezeigt, sich beim Ankündigen härterer Zugzugskontrollen gegenseitig zu überbieten. Merkel, Europas dienstälteste Regierungschefin, sähe sich erneut mit interner Kritik an der Art, wie sie die Koalitionsgespräche geführt habe, konfrontiert.

Als sich die Verhandlungen hingezogen hätten, habe sie parteiinternen Kritikern zufolge eine ziemlich passive Rolle gespielt.

Neuwahlen könnten Merkels Karriere beenden und sie an einer vierten Amtszeit als Kanzlerin hindern. In kürzlichen Umfragen hätten die meisten Deutschen die Meinung vertreten, dass diese das Ende ihrer Karriere bedeuten würden. Und bevor die Gespräche Sonntagnacht zusammenbrachen, hatte die “BILD“, Deutschlands auflagenstärkste Zeitung, gewarnt: „Wenn sie scheitere, würde der daraus resultierende Sturm sie schnell verschlingen“. Der politische Redakteur der “SUN” Großbritainniens meistverkaufter Zeitung, Tom Newton Dunn, habe getweeted: “Das deutsche Chaos ist schlecht für den Brexit. No10 Downing Street, hofft, unerklärlicherweise, immer noch auf Merkels Hilfe – aber nun wird sie für viele Monate schwach und ohne Einfluss sein”.

Die Daily Mail stellt ebenfalls die Kanzlerinnenfrage: Könnte das Merkels Ende bedeuten? Die Koalitionsgepräche seien wegen des Streits über Zuwanderung zusammengebrochen, und Neuwahlen stünden trotz dem Aufstieg der extremen Rechten im Raum. Ihre Stellung als Europas mächtigste Politikerin habe letzte Nacht auf dem Spiel gestanden, als sie sich der Aussicht auf plötzliche Neuwahlen gegenübergesehen hätte. Die langjährige deutsche Kanzlerin habe sich in ihrer schlimmsten politischen Krise wiedergefunden, als die Koalitionsgespräche über Gräben bei umstrittenen Themengebieten wie dem der Zuwanderung zusammengebrochen seien. Ihre gestrige Aussage, dass „eine Rückkehr an die Wahlurnen der beste Weg sei, um eine Lösung zu finden“ könne sich noch als hochriskanter Schachzug herausstellen.

Laut New York Times kämen für Angela Merkel in der Krise nur Neuwahlen in Frage:
“Dieser Zusammenbruch (der Gespräche) habe abrupt die Aussicht auf Neuwahlen heraufbeschworen“ schreibt sie. „Obwohl es nach den letzten Wahlen vor zwei Monaten als sicher gegolten hätte, dass Frau Merkel, eine Ikone der westlichen Demokratie und Werte, für eine vierte Amtszeit an der Spitze Deutschlands bleiben würde.“

“Die Möglichkeit politischer Instabilität in dem normalerweise verlässlichen Deutschland habe zu einem Zeitpunkt „Schockwellen durch den Kontinent geschickt“

„Indem die EU sich einer Reihe dringender Probleme gegenüber sehe: Von den Brexit Verhandlungen über den Aufstieg des Rechtspopulismus bis zum Separatismus in Katalonien“. so die Zeitung.

„Der Zusammenbruch der Gespräche zeige die tiefe Abneigung des konservativen Blocks von Frau Merkel und möglicher Koalitionspartner, in Schlüsselfragen zu einem Kompromiss zu kommen. Die Freien Demokraten hätten die Gespräche unter Verweis auf eine Atmosphäre der Unaufrichtigkeit und des Misstrauens am späten Sonntagabend verlassen.“

Es gäbe „keine Koalition der Willigen, eine Regierung zu bilden.“ Zitiert die New York Times Thomas Kleine-Brockhoff, den Vizepräsidenten des Berliner Büros des Marshall Funds. „Man befände sich zum ersten Male seit 1949 auf unbekanntem Terrain, und im Angesicht einer sich hinziehenden Periode politischen Stillstands. Diese werde weder schnell vergehen, noch gebe es einen klaren Ausweg.”

Christiane Hoffmann vom Spiegel habe gemeint: Dass dies irgendwie, “Der Deutsche Brexit-Moment, ein Trump-Moment sei.”

Henrik Enderlein, Vizepräsident und Professor für Politische Ökonomie der ”Hertie School of Governance in Berlin“ habe dazu gesagt: „Dass dies nur ein weiterer Schritt auf dem langen Demokratie-Lernprozess in Deutschland seit dem II. Weltkrieg sei: Von einem sehr stabilen, proportionalen System hin zu etwas mehr Unordnung.“

Aber seiner Meinung nach sei die wichtigere Frage, ob Frau Merkels pragmatischer Regierungsstil in einer Zeit an seine Grenzen gekommen sei, in dem sich die Menschen nach dem Zusammenprall eines grösseren politischen Spektrums sehnen würden. Ihr „Über-Pragmatismus“ komme an seine Grenzen, und es sei schwer, sich ein Szenario vorzustellen, in dem sie wieder ihre ursprüngliche Machtposition einnehme.“

“Deutschland trete nicht aus der EU aus, und es habe nicht Donald Trump gewählt,” so Kleine-Brockhoff. “Es habe beim ersten Versuch keine Regierung bilden können. Das sei schlecht, es wirke destabilisierend. Aber es sei nicht das Ende der Welt.”