Tichys Einblick
Go woke go broke

Tschüss, ProSieben

ProSieben hat im August historisch schlechte Quoten eingefahren. Schuld daran sind das Sparprogramm und das falsche Konzept des Münchener Senders – der beginnt schon, seinen woken Kurs zu korrigieren.

IMAGO

Der zweite Sonntag im September wird für ProSieben zu einem der schwärzesten Tage in der Geschichte des Senders. Dann startet die NFL in die neue Saison – auf RTL und nicht mehr auf ProSieben. Dessen Spartensender ProSieben Maxx hatte aus der amerikanischen Football-League einen Geheimerfolg gemacht. Football wurde zum Kult. Doch ProSieben schaffte es nicht, den Sport gescheit ins Hauptprogramm zu ziehen. Die NFL hat auch deshalb den Zuschlag an RTL gegeben, weil sich der Verband von den Kölnern eine professionellere Vermarktung und somit einen besseren deutschen Markt verspricht.

Der Verlust des Footballs ist für ProSieben gleich doppelt bitter. Zum einen hat der Sender eines seiner wenigen erfolgreichen Projekte der letzten Jahre verloren. Zum anderen war es einer der wenigen Füße, die ProSieben in der Sportwelt hatte. Die wird aber fürs analoge, also alte Fernsehen immer wichtiger. Ohne Sport ist Fernsehen eigentlich nur noch etwas für Ältere und Anspruchslose – und die versammeln sich bevorzugt vor den Programmen des ZDF und der ARD. Breitenwirkung erreicht Fernsehen nur noch, wenn es Sport überträgt.

Die erfolgreichste Sendung des ZDF war im August das Spiel Südkorea gegen Deutschland, mit dem die deutschen Fußballerinnen aus der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland ausgeschieden sind. Die beste Quote auf Sat1 fuhr der Auftakt der Bundesliga ein: Werder Bremen gegen Bayern München. Sogar unterklassiger Fußball punktet. Die erfolgreichste Sendung im August war auf RTL die Partie der „Conference League“, Eintracht Frankfurt gegen Levski Sofia: 3,19 Millionen bei allen Zuschauern und 890.000 Zuschauer unter 50 Jahren. In keiner der beiden Zielgruppen hat RTL im August ein besseres Ergebnis eingefahren.

Quoten im Juli
ProSieben schmiert ab
Der Werbemarkt ist im Fernsehen eingebrochen. Das hat zum einen mit der allgemeinen Wirtschaftskrise in Deutschland zu tun. Zum anderen ist es aber auch eine Folge des Bedeutungsverlusts des Fernsehens. Warum sollen Firmen noch in einem Umfeld werben, das als überholt gilt und in dem 890.000 Zuschauer unter 50 Jahren schon als Topwert gelten? Wobei: Das Ergebnis hat RTL eingefahren – die Quoten für ProSieben sind noch verheerender.

ProSieben fängt an aufzuhören, ein bedeutender Sender zu sein. Der Marktanteil ist auf 2,6 Prozent gefallen. In der Zielgruppe der Menschen unter 50 Jahre sind es nur noch 6,6 Prozent. 0,7 Prozentpunkte weniger als im Juli. 1,5 Prozentpunkte weniger als im August 2022. So schlecht war ProSieben seit Jahrzehnten nicht mehr. Zum zweiten Mal fielen die Münchner in dieser wichtigen Zielgruppe hinter Vox aus der RTL-Familie zurück.

Für den Absturz gibt es kurzfristige und langfristige Gründe. Im Sommer hat ProSieben auf Wiederholungen und auf altes Material gesetzt, das neu zusammengeschnitten wurde. Es ist nicht neu, dass Private im Sommer auf Sparkurs gehen, um der starken Konkurrenz durch sportliche Großereignisse auszuweichen. Nur waren das dieses Mal die Leichtathletik-WM ohne deutsche Medaillen und die WM der Frauen. Die Spiele fanden am Morgen und Vormittag statt und die Deutschen schieden schon in der Vorrunde aus – das waren angreifbare Gegner. Und ProSieben hatte halt schon im November und Dezember auf Sparkurs gesetzt, um der Männer-WM auszuweichen. Irgendwann setzt sich dann das Image des Sparsenders durch, der sich selbst nicht als konkurrenzfähig sieht.

Tatsächlich hat ProSieben ein inhaltliches Problem. In den guten Zeiten lebte der Sender vom Genie Stefan Raab. Doch seit der Metzgersohn – zumindest vor der Kamera – weg ist, versagt ProSieben konzeptionell. Die Macher hätten ihren Sender gerne zur Heimat der woken Bewegung gemacht: „Grüne“ Wochen zum Klimaschutz. Moderatoren, die nach dem Interview grünen Kandidaten applaudieren. „Pride“-Wochen. Das Magazin „Zervakis und Opdenhövel live“ mit der Moderatorin, die Kanzler Olaf Scholz (SPD) bestellt, wenn er angenehme Fragen gestellt bekommen möchte. Und einem Team, das in den sozialen Netzwerken den Zuschauern „Tschüss“ sagt, wenn die das Gendern auf dem Sender nicht mögen. Go woke, go broke.

Go woke, go broke
ProSieben und Sat1 stehen vor Entlassungswelle
Denn eigentlich ist nur noch das Social-Media-Team auf ProSieben erfolgreich. Das wünscht sich, dass die Zuschauer gehen sollen, wenn sie den woken Kurs nicht mitmachen. Und die Zuschauer gehen tatsächlich. Mittlerweile baut ProSieben Stellen ab – dem Social-Media-Team dürfte indes ob seines Erfolgs eine Weihnachts-Prämie winken. Vielleicht auch stattdessen lieber eine Jahresend-Prämie.

Wie hilflos ProSieben inhaltlich ist, zeigt sich vor allem in der Mittagsschiene: Dort nudelt der Sender seit Jahren „The Big Bang Theory“ ab. Doch das ist noch der erfolgreichere Teil des Programms. Gestrichen hat der Sender jetzt „Two and a half Men“ mit Charlie Sheen. Die Witze über flüchtigen Sex haben auch schon lange nicht mehr zum prüden grünen Biedermeier ProSiebens gepasst.

„Die Goldbergs“ passen da viel besser. Die sind ein bisschen wie „Malcolm mittendrin“, ohne deren Witze über Armut oder Asozialität. Und ein bisschen wie „Modern Family“, ohne deren sexuelle Anzügigkeit und politisch unkorrekten Witze. Stattdessen ist sich die Hauptfigur Adam unsicher ob der Unterstützung ihres Vaters, tut Verrücktes, um sie zu erlangen und obwohl alles schiefgeht, sagt der Vater am Schluss, dass er Adam liebt und alle nehmen sich in den Arm. Das ist konstruktiv. Das ist familienfreundlich. Das hat nur ein Problem: Es will kein Mensch sehen. Die Quoten der Goldbergs sind so schlecht, dass sie sogar „The Big Bang Theory“ nach unten ziehen – was mittlerweile an der Substanz von ProSieben rührt. Deswegen stürzt der Sender weiter ab.

Es gibt aber auch erste Zeichen für eine Umkehr. Erfolgreichste Sendung im August war „Beauty & The Nerd“. In der Show vermitteln Frauen hochqualifizierten Männern die Moral, dass sie nur so oberflächlich wie sie werden müssen, dann klappt es auch mit dem Sexualleben. Am Mittwoch, 13. September, läuft die Dokureihe „Uncovered“. Direkt nach Scholz‘ Lieblingsjournalistin Linda Zervakis. Darin geht die Redaktion der Frage nach, wie beim Migrationsweltmeister Schweden die Bandengewalt eskaliert. Titel der Folge: „Bye, bye, Bullerbü“. Wem das in der Redaktion als Botschaft nicht gefällt, dem kann man sagen: Tschüss. Aber das wird ProSieben ohnehin tun müssen, wenn der Sender weiter derart abstürzt.

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