Tichys Einblick
Grüne Wirklichkeitsverdrängung

Talk bei Maischberger: Wir opfern uns und kaufen Putins Gas

Bei Maischberger zunächst große Einigkeit mit starken Worten – Uneinigkeit bei den Taten: Annalena Baerbock will weiter russisches Gas, damit das nicht andere, leichtfertige Staaten erhalten. Grüne Logik schlägt Purzelbaum.

Screenprint: ARD/maischberger

Zwischen Petra Gerster, einstige Fernsehmoderatorin, als solche laut Wikipedia „mutig und beharrlich und damit für Frauen in den Medien ein Vorbild“, Ulrike Herrmann von der linken „taz“ und Rainer Hank („Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“) passte im Prinzip kein Blatt Papier. Dostojewski und Tolstoi wunderbar, auch „das russische Volk“ (Herrmann), aber Putin „nackte Gewalt“. Joe Bidens Bezeichnung „Schlächter“ „sehr beeindruckend, ehrlich und überzeugend“ (Hank). Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr erinnern Herrmann sogar an den Nato-Doppelbeschluss, den sie rückblickend wohl auch irgendwie gut findet, während ihresgleichen ihn seinerzeit als ein Werk der Teufel Ronald Reagan und Helmut Schmidt verdammten. Wer früher getrennte Wege ging, folgt jetzt einer Linie. Fakten schaffen eben doch eine Wahrnehmung. Sic tempus fugit.

Es möge nicht als Unhöflichkeit missverstanden werden, wenn wir nicht alles rapportieren, was die zugeschaltete Annalena Baerbock zu sagen hatte. Sie sagte im Prinzip fehlerfrei, was auch ständig in der Bild-Zeitung steht, vielleicht ein bisschen empathisch („In Joe Biden steckt auch ein Mensch“), aber natürlich leiden und sterben „Kinder, Familien und alte Menschen“ bei der „Bombardierung von Fluchtkorridoren und Geburtskliniken“. Die Wirklichkeit zwingt zueinander, was sich bislang fremd und feindlich war.

Wenn’s konkret wird, ist es vorbei mit Einigkeit

Aber dann ist es auch schnell vorbei mit der Einigkeit. Sandra Maischberger, und wer immer hinter ihr noch ein Wörtchen mitzureden hat, fordert mehrfach, dass Deutschland einen Totalboykott auch von Energielieferungen vornimmt. Schließlich sei auch „von Selenskyj Kritik an unserer Bündnistreue gekommen“, worauf Annalena Baerbock nicht einging – welche Bündnistreue? Welches Bündnis? Nein, wir beziehen weiter Öl und Gas aus Russland, weil, so Baerbock:

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„Wenn wir aus Öl und Gas austeigen, dann kaufen wir das woanders, und dann können andere das da nicht mehr kaufen, und dann bricht uns von denen die Unterstützung gegen Putin weg.“ Wir kaufen also Putin leer, damit kein anderer bei ihm noch was kaufen kann? Grüne Logik. Bislang hat sie nicht gegolten, denn dann hätten wir ruhig weiter Kohle verbrennen dürfen, weil die sonst nur andere verbrennen. (Was übrigens schon lange ein Haupteinwand gegen den deutschen Sonderweg der Energiewende ist: Was wir nicht an fossilem Brennstoff nutzen, macht ihn nur billiger für andere). Aber das war ja gestern.

Jedenfalls haben wir die „Ölimporte halbiert von 35 auf 25 Prozent“, und bald kommt doch eh der totale „fossile Ausstieg“, und gekocht wird, wenn der Wind geht oder die Sonne steht. Ebend. Es biegt sich eben doch jeder seine Wirklichkeit aus Fakten zurecht.

Haben wir zu Beginn von Selbstgefälligkeit gesprochen, so war Norbert Röttgen, Außenexperte der CDU, die perfekte männliche Verkörperung. Übrigens: Schneller als wir das Papier eingespannt haben nach der Sendung für diesen Bericht, hatte Norbert Röttgen bereits den Tweet abgesetzt: „Die Menschen in Deutschland denken nicht, dass die Ukrainer, dass Frauen, Kinder und Babys weiter sterben sollen, damit es uns bloß nichts kostet. Genau das unterstellt Lafontaine, das ist unmenschlich!“ Talkshows sind Munitionslager.

Die unterstellte Aussage entspricht mitnichten der Wahrheit, passt aber zu Röttgen, wie die vielen „Corona“-Toten zum täglichen Lauterbach. Im Grunde wurde von Lafontaine und Röttgen geliefert wie bestellt, wie Sie an einem kleinen Auszug sehen können:

Lafontaine: Die Nato-Osterweiterung war eine ständige Provokation Russlands.
Röttgen: Keine Provokation, sondern freie Länder haben frei entschieden, den Schutz der Nato zu suchen.
Lafontaine: Wie war das umgekehrt? Mit Kuba?
Röttgen: Immer fangen Sie mit Kuba an. Die USA bedrohen Russland nicht.
Lafontaine: Putin ist ein Kriegsverbrecher, Biden (Irak-Krieg) auch.
Röttgen: Biden nicht.
Lafontaine: George W. Bush?
Röttgen: Nein.
Lafontaine: Dann müssen wir nicht weiterreden.

Taten sie aber doch. Dafür sind sie ja da. Röttgen könnte sich vorstellen, für jenes ominöse Totalembargo zu sein, wenn das einen Beitrag leisten könnte, den Krieg zu beenden oder zu verkürzen. Lafontaine hält die Ablehnung des Embargos durch die  Bundesregierung für richtig, wegen der drohenden Arbeitslosigkeit, und weil dann hier die Maschinen stillstehen, und wegen der dann weiter eskalierenden Preissteigerungen. Außerdem sei Verhandeln besser als Eskalieren. Mehr können wir nicht destillieren, weil man Lafontaine kaum ausreden ließ, obwohl er doch nun wahrlich nicht in der AfD ist – sich die Positionen in der Hinsicht allerdings gleichen.

Nachdem Maischberger und der zwischenzeitlich co-moderierende Röttgen bei Lafontaine nicht weiterkamen, beendete Maischberger das Gespräch mit einer Art Abschieds-Laudatio für den 78-jährigen Oskar. „Sie haben ja zum zweiten Mal hingeschmissen …“ „Ich habe mein Amt aufgegeben“, wegen fehlender Programmtreue der Linkspartei, die entsprechend bei den letzten Wahlen gerade mal 2,6 Prozent der Arbeiterschaft erreicht habe. „Ich hatte im Saarland 38 Prozent.“

Aber Sie waren der „Querkopf der deutschen Politik“, beharrte Maischberger. Das könne sie so stehen lassen, wenn sie unter Querkopf jemanden verstünde, der zu seinem Programm steht, sagte Lafontaine.

Gute Nacht.

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