Tichys Einblick
Streit um den WDR

Laschet zwischen den Welten

Was als Auseinandersetzung um ein »Kinderlied« begann, zeigt mittlerweile das Potential zum Machtkampf zwischen Bürgergesellschaft und öffentlich finanzierter Rundfunkerblase. Armin Laschet (CDU) nimmt eine Mittelposition zwischen Kritikern des ÖRR und dessen »linken« Tribunalisierern ein und scheint »Maß und Mitte« für die CDU zu reklamieren.

imago images / Ralph Sondermann

In der Diskussion um ein vom Radiosender WDR 2 produziertes Kinderchor-Video ging es nie um Satire und was sie darf. Ohnehin war der satirische Firnis auf dem »Oma-ist-’ne-alte-Umweltsau«-Lied eher dünn. Aus Kindermündern vernahm man ein politisches Statement, durch das – implizit und nicht zum ersten Mal – verschiedene Generationen gegeneinander ausgespielt wurden und nebenher der Begriff der »Umweltsau« im politischen Diskurs verankert werden sollte. Neben dem schlicht degoutanten Anteil, der die äußere Erscheinung des Lieds betrifft, ist ganz grundsätzlich die Legitimität solcher Rundfunkbeiträge anzuzweifeln: Dürfen Klangkörper wie der WDR-Kinderchor (ja, so etwas gibt es wirklich) benutzt werden, um politische Statements – gleich welcher Art – unters Volk zu bringen, um sie gleichsam unterschwellig in die Ohrmuscheln der Radio-Konsumenten einzuschmuggeln? Unterhalten wir dazu unsere zwei dutzend Rundfunkorchester und -chöre nebst den vier Big Bands? Sind sie die klingenden Propagandainstrumente der Redakteure?

Es geht also nicht um Satire und was sie darf. Es geht um Macht. Macht, die sich angesammelt hat, in »öffentlich-rechtlichen« Redaktionsstuben und Intendantenzimmern, die aber nicht mehr »öffentlich« kontrolliert wird, durch niemanden. Und das soll auch so sein, wie die Repräsentanten dieser heimlich-unheimlichen Diskursmacht inzwischen selbst zugeben. Weder Bürger noch Politiker sollen das Recht haben, Beiträge des Rundfunks zu kritisieren und die dort Tätigen auf das Gebot der Ausgewogenheit oder auch nur den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (wenn es denn einen geben soll) hinzuweisen. Das zeigte nun beispielhaft die Reaktion des unmoderierten »Monitor«-Moderators Georg Restle (WDR), wenn er seinem Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) ein offenes Wort zur Finanzierung und Ausgestaltung des öffentlichen Rundfunks verweigerte, ja, man muss wohl sagen, kraft der eigenen Diskursmacht verbieten wollte.

Ein veritabler Machtkampf zwischen dem gewählten Parteipolitiker und den selbst häufig nach parteipolitischem Proporz besetzten Rundfunk-Funktionären scheint sich anzukündigen. Wer ist stärker, der CDU-Mann und Landesvater, dessen Stimme über Nordrhein-Westfalen hinaus gehört wird und der als möglicher Kanzlerkandidat gilt? Oder das Kölner Rundfunkmacherkollektiv mit Dependancen in allen Haupt- und Großstädten des Landes? Übrigens scheint auch der parteipolitische Proporz in den Rundfunkhäusern inzwischen etwas aus dem Ruder gelaufen zu sein. Natürlich galten viele der ARD-Anstalten schon immer als »Rotfunk«, doch inzwischen ist ja auch das ZDF auf einem soliden Links-Kurs mit grünen Einsprengseln, ebenso wie die Funkanstalten der noch »schwarz« mitregierten Bundesländer.

Der Landesvater betritt Terra incognita

Was hat Armin Laschet zu diesen Äußerungen bewogen, die ihn auf ein Terrain führen, welches im politischen Koordinatennetz der Republik als Terra incognita gelten darf? Genauer auf die abschüssige Rampe zwischen CDU und dem, das inzwischen »rechts« von ihr liegt. Ein Blick zurück zeigt: Um die Jahreswende zeigte sich Laschet spontan betroffen, als er von dem Video mit dem WDR-Kinderchor erfuhr. Als er es zum ersten Mal sah, habe er gedacht: »Wie kann man nur?« Die scharfe, »pointierte« Umformulierung des Textes habe ihn »erschreckt« (»Der Spiegel«, 2. Januar 2020). Seine Haltung dokumentierte Laschet durch eine Reihe von Tweets und Retweets.

Unter den kritischen Stimmen, die er im folgenden zitierte, waren die Ressortleiterin Politik bei der »Welt«, Claudia Kade, oder auch der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der sonst nicht als Kritiker des öffentlichen Rundfunks bekannt ist (der später aber wieder davon abrückte), sogar die Berliner SPD-Vertreterin Sawsan Chebli. So etwas würde man in anderen Fällen vermutlich als ein breites Bündnis der »Zivilgesellschaft« bezeichnen. Übrigens steht auch Klara Geywitz (Fast-SPD-Vorsitzende) auf dieser Seite des Grabens.

In einem Text für »Die Zeit« wurde Laschet deutlicher, nahm auch auf seine Neujahrsansprache (s. Tweet oben) Bezug. Natürlich versuchte er dabei zum einen, sich als ruhenden Pol zwischen den Aufgeregten von Links und Rechts zu inszenieren. Man dürfe nicht Jung gegen Alt, nicht Städter gegen Landbewohner oder Einheimische gegen Zugewanderte aufstacheln. Im selben Zuge verurteilte er aber auch eindeutig die pauschale Diffamierung der WDR-Kritiker als »rechts«:

»Spätestens jetzt wurde die Kritik an einem unpassenden Lied als ›rechts‹ diffamiert. Das Verteidigen des Liedes wurde gleichsam zum Lackmustest für eine antifaschistische Haltung. Wo sind Maß und Mitte geblieben? Auch vor Jahrzehnten gab es heftige Debatten. Aber woher kommt diese Unerbittlichkeit? Diese Aggression? Diese Tribunalisierung?«

Hier liegt die eigentliche Bedeutung dieser Wortmeldung, die ein wichtiger Beitrag zur Kultur des politischen Dialogs in diesem Land ist. Laschet sprang einer der beiden Konfliktparteien bei, nämlich den bürgerlichen Kritikern des WDR. So stellte er klar:

»Wer eine andere Auffassung vertritt, ist keine Sau und auch kein Schwein. Und erst recht sollten Kinder Respekt vor Großeltern lernen. Das ist nicht rechts. Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft in allen Kulturen.«

Für 2020 fordert Laschet eine »Renaissance unserer Debattenkultur«. Nur so könne man die Herausforderungen der Zeit meistern. Für Laschet sind es »Kernenergieausstieg und Kohleausstieg gleichzeitig«, der »totale Umbruch der Auto-Industrie« (vulgo: Elektrifizierung) sowie »internationale Krisen mit Auswirkungen bis in jede Kommune« (vulgo: die Migration aus dem Nahen Osten, Afrika und Afghanistan). Ja, das sind die Themen, die derzeit auf der Agenda stehen. Und man braucht inzwischen wohl schon Mut, um sie deutlich, für jeden verständlich anzusprechen. Dieser Mut ist Armin Laschet weiterhin und noch vermehrt zu wünschen. Wie auch der Mut zu wirklich populären Entscheidungen, die zugleich für die Zukunft dieses Landes tragfähig sind.

Übrigens lässt Laschet auch die so genannte »rechte« Kritik an seinem Kohleausstieg zwar nicht eigentlich gelten, nimmt sie aber zur Kenntnis und stellt sie den linken Rundfunkaktivisten gegenüber. Auch in dieser Frage will er offenbar, mit der alten CDU-Formel zu sprechen, wieder »Maß und Mitte« repräsentieren. Wie das wohl die »linke« Diskursmacht beim WDR und andernorts finden wird?

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