Tichys Einblick
Einstieg in staatliche Zeitungen

Politik soll Verlegern 630 Millionen Euro im Jahr schenken

Der Staat soll privaten Zeitungs-Verlegern Gewinne sichern. Schon übernächstes Jahr sollen sie 630 Millionen Euro im Jahr erhalten. Das empfiehlt ein Papier aus Robert Habecks Wirtschaftsministerium.

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Der Staat soll die Medien nicht kontrollieren. Das ist eine der wichtigsten Lehren, die Deutschland nach der Diktatur der Nationalsozialisten gezogen hat. Doch schon seit Jahren arbeitet die Politik daran, dieses Gebot zu umgehen. In ARD und ZDF sowieso, aber zunehmend auch in den Zeitungen. Zu den Treibern gehört die SPD – aber auch und ganz besonders – die CDU. Kanzler Olaf Scholz (SPD) erfährt nun Widerstand aus der eigenen Koalition gegen diese Form von Staatsmedien. Interessant: Dieser Widerstand kommt nicht von der „liberalen“ FDP – sondern vom grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Wenn auch nicht wegen der Freiheit der Presse.

Aus dessen Haus stammt ein Gutachten, das „WIK“ Consult erstellt hat. In Auftrag gegeben hatte es allerdings noch Habecks Vorgänger als Wirtschaftsminister, Peter Altmaier (CDU). Entsprechend fällt es aus: WIK sieht keine rechtlichen Bedenken, wenn der Staat private Verleger sponsert. Die Förderbeträge würden rasch explodieren: Für 2022 sollte der Staat den Tageszeitungen demnach 130 bis 142 Millionen Euro im Jahr überweisen und den Anzeigenblättern 37 Millionen. Doch schon in zwei Jahren sollen die Zeitungen 495 Millionen Euro und die Anzeigenblätter 135 Millionen Euro erhalten.

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Eine Verdreifachung innerhalb von drei Jahren. 630 Millionen Euro direkte Zuschüsse an die Verleger. Allein durch den Bund. Dazu kommen die dreistelligen Millionenbeträge, die dessen Ministerien per Anzeigen-Kampagnen indirekt unter die Verleger bringen. Der Bund würde mit etwa einer Milliarde Euro pro Jahr der wichtigste Gönner der Medien. Staatsmedien. Denn wer bezahlt, bestellt. Ein Grundsatz, den WIK Consult in seiner Studie übersieht – zumindest in deren veröffentlichten Ergebnissen.

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) wirft sich auf die Studie: Das Gutachten mache konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung. „Eindeutiger kann eine Handlungsempfehlung an die Bundesregierung nicht formuliert werden“, sagt Sigrun Albert, BDZV-Hauptgeschäftsführerin. Sie treibt die Bundesregierung zur Eile an: „Wir bauen darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz nun sehr schnell über die Zuständigkeit für das Thema in der Bundesregierung entscheidet und dann umgehend die Weichen für die Förderung gestellt werden.“

Dieses Zitat muss erklärt werden. Habecks Ministerium hat sich von der Studie und von Steuergeschenken an Verleger distanziert: „Für eine mögliche Bundesförderung der Presse hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz keine Zuständigkeit.“ Die Studie sei vom Vorgänger bestellt worden und da die Ergebnisse nun mal da sind, würden sie auch vorgestellt. Aber: „Das BMWK (Wirtschaftsministerium) macht sich die Schlussfolgerungen der Studie nicht zu eigen. Die Studie gibt vielmehr die Auffassung der Autoren wieder.“

Notleidende Anzeigenblätter
CDU-Minister möchten Steuern an private Verleger verteilen
Nicht die FDP wehrt sich gegen den Einstieg in Staatsmedien. Nicht die SPD stört sich an Steuergeld, das letztlich in die Taschen von Verlegern fließt. Es sind die Grünen. Wenn es darum geht, das Rädchen Zeitungen zu schmieren, herrscht weiter die alte große Koalition aus Scholz‘ Doppelwumms-SPD und der CDU. Unter Altmaier war die Idee der vom Staat finanzierten Medien aufgekommen. Auf Länderebene haben Medienpolitiker der CDU dieses Projekt erst jüngst wieder forciert.

Laut WIK-Consult sollen die staatlichen Überweisungen dadurch legitimiert werden, dass das Austragen der Zeitung nicht mehr rentabel sei. Kommen die WIK-Pläne, muss der Bürger zwar weiterhin von seinem privaten Geld seine Heizung austauschen – für den „Klimaschutz“. Aber mit seinem Steuergeld zahlt er dann auch das Austragen von Werbeblättchen – trotz „Klimaschutz“. Ein Grund, der Habecks Ministerium vielleicht dazu bewegt, aus dem Projekt Staatsmedien auszusteigen.

Ein anderer Grund könnte der bürokratische Aufwand sein, den die WIK-Vorschläge auslösen würden: Die Höhe der Förderung müsste nach einer Formel errechnet werden, in die Besiedlungsdichte einer Region und Haushaltsabdeckung einer Zeitung als Faktoren eingerechnet werden. Neben dem bürokratischen Aufwand würde dies einige Stellschrauben mit sich bringen, an denen der drehen kann, der beeinflussen will, an wen welcher Anteil des Kuchens geht. Denn wer bezahlt, bestellt. Und mit einer Milliarde Euro im Jahr könnte das bei „privaten“ Zeitungen dann demnächst allein der Bund sein.

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