Tichys Einblick
Auch das noch

Nachrichtenagenturen wollen gendergerecht werden

DPA und andere Nachrichtenagenturen werden künftig ihre Texte mit "substantivierten Partizipien" und anderen Sprachverhunzungen „diskriminierungssensibler“ machen. Dass die Mehrheit der Leser (demnächst dann "Lesenden"?) das nicht wünscht, scheint nicht zu interessieren.

IMAGO / Martin Müller

Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen namens Deutsche Presse-Agentur (DPA), die Austria-Presse-Agentur (APA), die nationale Nachrichtenagentur der Schweiz (Keystone-SDA), der Sport-Informations-Dienst (SID), die Katholische Nachrichtenagentur (KNA), der Evangelische Pressedienst (EPD) sowie die deutschsprachigen Ausgaben von Reuters (RTR) und Agence France-Presse (AFP) haben sich laut Mitteilung vom 21. Juni zu einer „diskriminierungssensiblen“ Sprache verabredet, um auch „nicht-binäre Geschlechtsidentitäten“ abzubilden. Man will das generische Maskulinum (“die Bürger“) schrittweise zurückdrängen. Weil aber noch unklar sei, ob und welches der Sonderzeichen (Genderstern bei Bürger*nnen, Unterstrich bei Bürger_innen, Doppelpunkt bei Bürger:innen etc.) sich durchsetzen werde, wolle man bis auf weiteres auf die Verwendung dieser Zeichen verzichten. „Verzichten“? Schau’ma mal, wie lange die Agenturen ihren volkspädagogischen Drang noch bändigen können: Siehe.

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Aber der Einstieg ist schon mal gemacht. Man empfiehlt „diskriminierungssensible Formulierungen“: Doppelformen/Paarformen wie Schülerinnen und Schüler; geschlechtsneutrale Pluralformen wie Feuerwehrleute, Pflegekräfte, Lehrkräfte; substantivierte Partizipien wie Studierende; das Prinzip „Sache vor Person“: das Fachgremium, die Teilnahmeliste; neutrale Funktionsbezeichnung: Vorsitz, Leitung, Personalvertretung, Direktion; syntaktische Lösungen: Wer raucht, hat eine kürzere Lebenserwartung. (Statt: Raucher haben eine kürzere Lebenserwartung.) Alle, die dieses Programm nutzen (statt: alle Nutzer dieses Programms). Ferner Plural statt Singular: alle, die… (statt: jeder, der…); Umschreibung mit Infinitiv: Der Antrag ist vollständig auszufüllen. (Statt: Der Antragsteller muss das Formular vollständig ausfüllen.) Partizip Perfekt: herausgegeben/betreut von (statt: Herausgeber/Betreuer). Adjektiv statt Substantiv: der ärztliche Rat (statt: der Rat des Arztes).

Nun, jedes dieser Beispiele könnte man persiflieren. Wir begnügen uns mit dem „substantivierten Partizip“. Welch abstruse Auswüchse das mit sich bringt, haben wir hier bei TE immer wieder aufgegriffen: Fußgehendenbrücke statt Fußgängerbrücke, Backendenhandwerk statt Bäckerhandwerk, tote (aber offenbar immer noch radelnde?) Radfahrende statt tote Radfahrer usw.

Zugleich betont der 1949 gegründete Marktführer DPA: „Die dpa-Redaktion arbeitet nach den im dpa-Statut festgelegten Grundsätzen: unabhängig von Weltanschauungen, Wirtschaftsunternehmen oder Regierungen.“ Aber Papier ist ja geduldig! Vor allem will man vom Mantel der Geschichte nicht nur gestreift werden, sondern ihn auch noch anziehen und tragen. Im übrigen würden, wie es in der Erklärung heißt, künftig „substantivierte Partizipien“ vermitteln, dass etwas in Bewegung sei. „Identitäre“ Politik im Dienste von Minderheiten ist also auch pressemäßig angesagt!

Zugleich, aber das nur am Rande, beherrschen die Agenturvorderen ihr eigenes Sprachoktroi selbst noch nicht. Als Froben Homburger, Nachrichtenchef bei DPA, die frohe Botschaft verkündete, schrieb er auf Twitter, die beschlossenen Maßnahmen seien ein „erster Schritt eines mehrjährigen Prozesses“, in enger Abstimmung mit den „Medienkunden“. Von „Kundinnen“ oder „Zahlenden“ scheint er selbst also noch meilenweit entfernt zu sein.

Wie geht es weiter, was soll man den Agenturen und den sie konsumierenden und multiplizierenden Redaktionen wünschen? Wir haben zwei Visionen. Vision 1: Die Abnehmer machen diesen Unfug nicht mit. Eine unrealistische Vision. Denn sie ist mit Arbeit verbunden, schließlich müssten die gegenderten Agenturtexte von den Redaktionen vor Ort dann ja erst wieder zurückabgewickelt werden.

Vision 2: Die Abnehmer in den Zeitungen und Rundfunkanstalten machen brav alles mit, toppen es (siehe ZDF und DLF) gar noch und vergrätzen den Endkunden, der das ganze Gendergedöns – je nach Umfrage – mit einem Anteil von 65 bis 87 Prozent nicht haben will. Der Endkunde hat dann die Nase voll und kündigt sein Zeitungsabo (GEZ kann er ja leider noch nicht kündigen). Die Auflagenzahlen gehen noch weiter in den Keller.

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