Tichys Einblick
Irreführung

Das Medien-Märchen von den reichen Bauern

Landwirte, so trommeln Medien, hätten gar keinen Grund zum Protestieren – ihnen ginge es blendend. Dabei hantieren Journalisten mit grob irreführenden Zahlen.

Landwirt mit John Deere Traktor und zwei Anhängern

IMAGO / dieBildmanufaktur

Neben dem Narrativ von den „rechten Bauern“, dem „Mistgabel-Mob“ (Spiegel), bemühen viele Medien neuerdings auch die Legende vom reichen Bauer. Unter der Überschrift „Verwöhnte Bauern“ erregt sich die FAZ:

„Deutsche Landwirte können sich vor Subventionen kaum retten. Aber wenn sie eines ihrer Privilegien aufgeben sollen, rollen die Trecker auf die Autobahnen. Das ist kein nachvollziehbarer Protest, sondern eine Frechheit“.

Screenprint: FAZ

Auch ZEIT, Welt und NDR argumentieren nach diesem Muster: Den Landwirten gehe es glänzend, sie hätten überhaupt keinen Grund zur Klage. Anders als die straßenblockierenden Mitglieder der „Letzten Generation“, findet deshalb die ZEIT, dürften sich Bauern deshalb auch nicht gegen die geplanten Belastungen wehren.

Abgesehen von der seltsamen Logik, dass nur protestieren darf, wer entweder kurz vor der Existenzvernichtung steht, oder aber ein von den wohlmeinenden Medien gestütztes Anliegen vertritt – die Zahlen, mit denen Journalisten den Reichtum der Landwirte belegen wollen, sind hochgradig irreführend. „Eine Bauernfamilie, in der drei Familienmitglieder arbeiten, kam im Wirtschaftsjahr 2022/23 auf fast 250.000 Euro Brutto-Einkommen. Auf jeden selbstständigen Bauern entfielen nämlich rechnerisch knapp 82.000 Euro Vorsteuer-Gewinn. Das entspricht dem Einkommen eines Mediziners im Berufseinstieg oder eines erfahrenen Oberstleutnants“, heißt es beispielsweise bei der Welt unter der Zeile: „Das Märchen von den armen Bauern“.

Diese Rechnung ist gleich aus mehreren Gründen schief. Erstens handelt es sich bei den Zahlen eben nicht um ein Gehalt – schon aus diesen Gründen ist der Vergleich mit einem Arzt oder Offizier unsinnig. Die zitierten 250.000 Euro stellen den Betriebsgewinn dar. Davon sind erstens Rückstellungen für weniger gute Jahre zu leisten, außerdem für den Erhalt der Hofgebäude und der vorhandenen Technik. Und zweitens Investitionen in neue Technik. Selbst gebraucht kosten gut erhaltene Traktoren von Fendt und John Deere deutlich über 100.000 Euro, oft auch über 150.000 Euro. Für neue Fahrzeuge und Maschinen bewegen sich Investitionen von einer halben Million Euro und mehr im Normalbereich. Weder muss ein Krankenhausarzt die OP-Technik aus eigener Tasche finanzieren, noch zwingt die Bundeswehr ihre Offiziere, sich ihre Ausrüstung privat zu beschaffen.

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Irreführend ist außerdem der ausschließliche Bezug auf das Wirtschaftsjahr 2022/23. Insgesamt lief es für die Landwirte 2023 nicht schlecht, auch wegen gestiegener Lebensmittelpreise – wobei aber auch die Kosten für Energie und Dünger deutlich nach oben gingen. Aber mit dem Ergebnis der guten Jahre müssen Landwirte schon seit Generationen die mageren ausgleichen. Ein Vorsteuer-Gewinn von 82.000 Euro klingt auf den ersten Blick gut – obwohl er deutlich unter den Diäten etwa eines Bundestagsabgeordneten von 10.591 Euro pro Monat liegt. Aber nach Steuern, Rücklagen und Investitionen bleiben einem durchschnittlichen Landwirt Summen, die zum Leben zwar ausreichen, aber den Begriff „reich“ wirklich nicht rechtfertigen. Laut „Bundes-Informationszentrum Landwirtschaft“ belief sich das Netto-Einkommen pro Arbeitskraft im Wirtschaftsjahr 2021/2022 bei Haupterwerbslandwirten auf 46.118 Euro, bei Nebenerwerbsbauern auf 19.120 Euro. Diese Beträge müssen allerdings zusammen mit einer Arbeitswoche von 50 bis 60 Stunden betrachtet werden. Die Maßnahmen, wie sie die Ampel ursprünglich plante, hätten die landwirtschaftlichen Betriebe Schnitt 4.000 Euro Einkommen pro Jahr gekostet – ein scharfer Einschnitt angesichts der realen Einkommensverhältnisse.

Der NDR spricht wie viele Medien von dem „Aus von Subventionen“, und tut so, als würde der Staat Bauern üppig bezuschussen. Bei der geplanten Erhebung von KfZ-Steuer auf landwirtschaftliche Fahrzeuge – die von der Koalition mittlerweile zurückgenommen wurde – handelte es sich allerdings um eine echte Belastung, bei der Steuerfreiheit aber nicht um eine Subvention. Landwirtschaftliche Fahrzeuge sind Produktionsmittel, sie zu besteuern, hätte eine nicht zu rechtfertigende Ungerechtigkeit bedeutet. Der Industrieunternehmer zahlt schließlich auch keine Steuer für die Maschinen, die in seiner Werkshalle stehen. Es gibt also sachliche Gründe für die KfZ-Steuerbefreiung. Niemand kommt auf die Idee, von einer Katzensubvention zu sprechen, weil der Staat zwar eine Hunde- aber keine Katzensteuer erhebt.

Beim Agrardiesel wiederum erhalten Landwirte bisher eine Rückerstattung von 21,48 Cent pro Liter – was der Differenz zwischen der Steuer auf Agrardiesel (25,56 Cent/Liter) und dem vollen Steuersatz für Diesel (47,04 Cent/Liter) entspricht. Der Staat greift also bislang bei Agrardiesel schlicht weniger zu. Er beschenkt die Bauern nicht – anders als etwa Lastenrad-Käufer, die in Berlin vor einiger Zeit ganz real bis zu 1.000 Euro aus der Steuerschatulle bekamen. Diese Rückerstattung beim Agrardiesel soll nun nach dem Willen der Ampel stufenweise wegfallen. Eine Begründung dafür lautet, damit baue die Regierung eine „umweltschädliche Subvention“ ab. Nur: Feldtaugliche Elektrotraktoren als Alternative stehen überhaupt nicht zur Verfügung.

Die Maßnahme belastet Bauern, von denen nur einige wenige wirklich zu Großverdienern zählen. Ein durchschnittlicher Bauer in Deutschland ist nicht reich. Die Ampel-Beschlüsse machen ihn deutlich ärmer.