Tichys Einblick
J-Day dauert länger

maybrit illner: Ahnungslosigkeit und faule Kompromisse

Diese Nacht verkauften die Journalisten als J-Day – als Tag des Jamaika-Durchbruchs. Die ARD vertrieb uns die Wartezeit mit dem Bambi, aber gerade als ein „Rassismus ist schei..e-Bambi“ vergeben wurde, zwang uns die Chronistenpflicht zu Illner - natürlich pflichtgemäß mit dem J-Day als Thema.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Nun sei die Festlegung auf diese Nacht als Nacht der Entscheidung nichts weiter als ein üblicher Merkel’scher Taschenspielertrick, erklärte der Journalist Robin Alexander, den wir übrigens aus der Schar der folgsamen Merkel-Truppe herausnehmen müssen. Der Welt-Redakteur ist eine der rühmlichen Ausnahmen, dessen Freude an Fakten einer blinden Gefolgschaft im Wege steht. Eine solche Termin-„Inszenierung hat ja ein paar mal geklappt“, erinnerte der Autor des Buches „Die Getriebenen“, und sei jedes Mal „von allen Schauspielern mitgetragen“ worden.

Bevor wir uns nun den Gästen bei Illner widmen, sei ein Hinweis auf die „Jamaika Papers“ von Roland Tichy gestattet, der einen Überblick über das Geschwampel von Berlin gibt und hierbei vor allem auf die Kompromissformulierungsversuche hinweist. Meine Lieblingsstelle beim „Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen“: „Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird daher … {Union: „weiterentwickelt“/FDP: „ersetzt“)(Kompromiss: „grundlegend überarbeitet“}.“ Das passt! So wie eine Jamaika-Regierung innerhalb der nächsten Monate … {Merkel/Horst/Die Grünen: hervorragende Arbeit zum Wohle der Menschen leistet/FDP: Kompromisse finden wird/ Gerhard Schröder: zusammenbricht} {Kompromiss: am Besten gar nicht erst die Arbeit aufnimmt}.

Der Albtraum dieser Nacht
Jamaika Papers
Drei Themen wurden der Reihe nach bei Illner abgehakt: Familiennachzug, Klima, Steuern. Hier wollte die Moderatorin, die ihre Wichtigkeit für ein Gelingen der Berliner Verhandlungen deutlich überbewertet, vorbildlich eine Einigung erzielen. Mit Ilse Aigner saß die CSU am Tisch, beziehungsweise der Teil, der dem Horst die Stange hält. Carsten Linnemann sieht zwar so aus, als sei er gerade erst von der Jungen Union zur Mutterpartei gewechselt, gilt aber in der Union berechtigterweise als Hoffnungsfaktor für die Zeit nach Merkel. Bei Marco Buschmann täuscht das jugendliche Aussehen ebenso über die Bedeutung hinweg. So steht auf seiner Website: „Seit 2014 bin ich Bundesgeschäftsführer der FDP.“ Donnerwetter, wer hätte das gedacht? Kerstin Andreae von den Grünen ist bislang auch noch nicht übermäßig aufgefallen, was in diesem Fall nicht zum Nachteil gerechnet werden muss – sie ist jedenfalls nicht ganz so hysterisch laut wie die meisten ihrer religiösen Glaubensschwestern. Zusammen mit dem oben erwähnten Robin Alexander rundete der Schwatzkopf (oder wie es beim ZDF heißt: der Politologe) Albrecht von Lucke das Bild ab.
Der Nebel des Grauens: Familiennachzug

Alles nicht so schlimm mit dem Nachzug, will das ZDF in einem Filmchen bei Illner weismachen. Da kommen ja maximal 100.000. Eine Zahl, die Bazon Lucke flink und wortreich bestätigt. „Was wir wissen.“ Nun weiß Innenminister Thomas de Maizière eher etwas über „eine gewaltige Zahl“, wohingegen die grüne Kerstin nur 60.000 bis 100.000 kommen sieht. Und damit nicht nur Zahlen im Raume stehen, bringt sie noch „Die Kinder von Aleppo“ unter. Von den Subsaharianern am Münchner Hauptbahnhof dürfte wohl nur eine Minderheit aus Aleppo kommen.

Die Öffentlichkeit täuschen
Was Familiennachzug bedeutet, absichtsvoll im völligen Nebel
So viel wurde deutlich bei Illner: Keiner weiß was, oder keiner will es offiziell wissen. Marco Buschmann von der FDP hätte lieber die „Chance für einen großen Wurf“ (Einwanderungsgesetz) genutzt, Ilse Aigner sieht eine Spaltung der Gesellschaft heraufziehen und auch für Carsten Linnemann „ist das Land überfordert“. Robin Alexander bringt dann die 200.000 ins Spiel, die Merkel jedes Jahr ins Land holen will, nicht ohne den Zusatz, dass „keiner der linken Staatsmänner wie Macron oder Trudeau so etwas unterschrieben hätte“. Zudem habe man doch mit dieser gewaltigen Zahl den Familiennachzug inkludiert – oder etwa nicht? Auch Marco B. von der FDP sprang auf das Argument auf: „Wenn die Nachzugszahlen angeblich so niedrig sind, wo ist dann das Problem, wenn die bei den 200.000 mit drin sind?“

Kerstin Andrae lenkt da schnell ab, ihr kommt es darauf an, „welches Signal“ wir in die Welt senden. Wo wir doch gerade die Beliebtesten auf der Welt seien, fantasiert Lucke, und das auch bleiben wollen. Nett, wie Robin Alexander den Kopf schüttelt bei so viel Blödsinn. Das Thema zeigt, es wird gewaltig stinken in Jamaika, und definitiv nicht nach Dope.

Merkel gegen die Sintflut

Die Sintflut droht, deshalb beschwören alle das Klima. Die Superreiche Maybrit Illner meint, „der Private müsse vielleicht ein bisschen mehr für Strom zahlen“, alles halb so schlimm. (Nebenbei: 330.000 Haushalten wurden 2017 der Strom abgestellt, weil sie die Rechnungen nicht zahlen können.) Linnemann stellt fest: „Energiewende wird immer teurer, die Abgaben steigen, irgendwas läuft falsch.“ Marco Buschmann von der FDP macht beim Klima alles mit, nur einen Blackout in Deutschland würde er gern vermeiden. Sein sympathischer Trick: Wir helfen den Entwicklungsländern (darf man die noch so nennen?) CO2 zu verringern und schreiben das dann auf unser Gutmenschen-Konto. Schlau, wo hierzulande wohl eh nur Extremasthmatiker, die direkt neben einer Autobahn wohnen, unter der Luft leiden.

Kerstin Andrae zitieren wir mit dem Aufruf: Das Klima geht uns alle an! An dieser Stelle ein Hinweis, dass das Saalpublikum bei Illner nicht mal ansatzweise ein Querschnitt der deutschen Bevölkerung sein kann. Sonst hätten die Grünen die absolute Mehrheit geholt.

Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist

Die Zeiten sind vorbei. So viel wie unsere freiwillig Gewählten knöpfte nie ein Kaiser seinen Untertanen ab. Und zurückgegeben wird auch nichts. Das Getrickse mit den Steuern bekam den kleinstmöglichen Senderaum. Linnemann will den Kinderfreibetrag auf den Erwachsenenfreibetrag heben (8.000 € und ein paar Zerquetschte. Bei der Gelegenheit: Warum ist der Freibetrag in Frankreich bei 11.000 €? Warum sind wir die Deppen Europas?) Auch Marco von der FDP gab sich engagiert beim abzuschaffenden Soli, was Robin Alexander kommentierte: „Buschmann, Sie sind so kämpferisch, dabei ist die FDP doch schon umgefallen.“

Da erinnerten wir uns an Norbert Lammert, den wir versehentlich bei Claus Kleber gesehen hatten: die „Wählerinnen und Wähler sind doch schuld an der Misere. Die haben doch so gewählt“, dass Merkel jetzt den Salat hat! Mit Verlaub, Euer Lammert, neun von zehn haben die grünen Phantasten nicht gewählt, und neun von zehn nicht die Umfaller von der FDP!