Tichys Einblick
Kontrast Özdemir und Chrupalla

Zwei Seiten von Sandra Maischberger

Im Einzelinterview empfing Gastgeberin Sandra Maischberger Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), im Anschluss daran dann Tino Chrupalla, Bundesvorsitzender der AfD, der von ihr im Tandem mit Olaf Sundermeyer verhört wurde. Immerhin ist dieses Mal bekannt, dass Kameras mitlaufen.

Screenprint: ARD/maischberger - Collage: TE

Tino Chrupalla musste sich einem ungewöhnlich scharfen Verhör durch Sandra Maischberger unterziehen. Der Autor möchte gratulieren – würde Maischberger dieselbe Schärfe, exakt dieselben Taktiken bei allen Gästen anwenden. Dann wäre ihre Sendung wirklich sehenswert. Bis sie mangels Gästen eingestellt werden müsste, weil sich tatsächlich keiner mehr hintraute. Kaum einen Satz kann Chrupalla äußern, ohne dass er unterbrochen wird, eine Gegenfrage oder Unterstellungen in den Raum gestellt werden.

Vorgeführt statt abgefragt

Auch wenn man keine Sympathien für eine der anwesenden Personen hegt – fair ist das nicht. Und politisches Ausweichen, Puddingantworten werden konsequent an die Wand genagelt. Also bleibt Chrupalla nur die Flucht nach vorne. Er lehnt sich in seinem Sessel vor. Er schiebt das Kinn vor. Und greift zu harten Aussagen. Darüber, was er in der Partei durchsetzen kann und was nicht. Dass ein Parlamentarier der AfD einen verurteilten Gewalttäter und Mitglied der Identitären-Bewegung als wissenschaftlichen Mitarbeiter im Bundestag unterhält, verurteilt er – kann es aber nicht verhindern. So zumindest seine Aussage. Deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund außer Landes schaffen, wie es bei dem nicht so geheimen „Geheimtreffen“ im Haus Adlon besprochen worden sein soll, habe keinen Platz in der AfD, verkündet er. Maischberger konfrontiert ihn mit Aussagen Alexander Gaulands und Alice Weidels, die in der Vergangenheit über Aydan Özoguz (SPD) (in Anatolien „entsorgen“) und den Journalisten Deniz Yücel (dieser sei weder Journalist, noch Deutscher) getroffen wurden. Chrupalla: Diese Aussagen teile er nicht.

Im Gespräch mit Maischberger wird das Problem der AfD deutlicher, als es jede unsaubere Dokumentation der ARD, jede Wegschalt-Rede Steinmeiers oder jede fragwürdige Investigativ-Recherche behaupten könnte. In der AfD gibt es Politiker, die Positionen vertreten, die die meisten Wähler ablehnen – unter ihnen auch viele AfD-Wähler selbst. Die Parteiführung kann dagegen offenbar wenig ausrichten. Auch, weil diese durchaus problematischen Personen immer mehr an Macht gewinnen wie beispielsweise EU-Spitzenkandidat Maximilan Krah.

Der Gesprächspartner als Verhör-Assistenz

Sandra Maischberger lässt sich bei diesem Verhör die Abneigung gegen Tino Chrupalla und die AfD deutlich anmerken. Eine zusätzliche Schlagseite erhält diese Runde durch Olaf Sundermeyer vom RBB. Der ist angeblich als zweiter Gesprächspartner eingeladen, fungiert aber als Co-Verhörer. Ein Stichwortgeber, der die AfD verurteilen, ihr unterstellen, sie konfrontieren kann, wo Maischberger sich als Gastgeberin zurückhalten muss. Er kann Vorwürfe erheben, gegen die Chrupalla sich nicht direkt wehren kann, ohne wiederum ihm und Maischberger ins Wort zu fallen, was offen gesagt doch bemerkenswert ist, da man ihn selbst kaum einen Satz ohne Unterbrechung vollenden lässt.

Gesprächsthema ist fast ausschließlich das von Correvtiv kolportierte Treffen im Haus Adlon, an dem CDU- und AfD-Mitglieder, ein Unternehmer und der österreichische Identitäre Martin Sellner teilnahmen. Tino Chrupalla muss mit jedem Satz um das rhetorische Überleben kämpfen. Er soll sich rechtfertigen, dass Alice Weidel und er in Folge dieser Bewertung die Recherchemethoden als STASI-mäßig bezeichneten. Sundermeyer muss hingegen nicht erklären, ob es nicht unrechtmäßig ist, Mitarbeiter unter falschem Namen, verdeckten Kameras, Tonaufnahmen und Observation von einem Schiff aus einzusetzen. „Es ist im öffentlichen Interesse“ – fertig. Chrupalla möchte klarstellen: „Es war keine AfD-Veranstaltung“ und von „Deportationen“ sei nie die Rede gewesen. Zu Martin Sellner: „Herr Sellner ist Österreicher und kein AfD-Politiker“, insofern würden seine Positionen keinen Einfluss auf das Parteiprogramm haben. Maischberger seziert trotzdem die vielen Verbindungen, die von AfD-Mitgliedern zu den Identitären bestehen.

Es ist kein faires Interview. Durch das Ungleichgewicht, das permanente Unterbrechen, dieses kaum einen Satz zustandekommen lassen beim Gegenüber. Es ist unanständig und hat doch Spannung, wenn auch keine angenehme.

Vielleicht schwang auch noch die Haltungsbenotung von Jan Böhmermann mit, der Maischberger nach der letzten Sendung mit Chrupalla im Juni 2023 vorwarf: „Sandra Maischberger lädt Nazis in ihre Talkshow ein, damit Nazis nach der Machtergreifung Sandra Maischberger auch (in) ihre Talkshow einladen.“

Ein Ampel-Minister war auch da

Cem Özdemir war auch zu Gast an diesem Abend. Vor Chrupalla. Den man offenbar deswegen weiter hinten platziert hat, damit der Zuschauer länger dran bleibt. Auch kommt Özdemir natürlich nicht in den Genuss eines zweiten Gegenübers wie Sundermeyer oder in dem Fall eines aufgebrachten Landwirts, der ihn zusätzlich unter Druck setzte. Dieses Interview führt Maischberger wie gewohnt: Distanziert, aber freundlich. Die Fragen sind nicht unbedingt wohlwollend, aber ganz sicherlich nicht fies. Özdemir schafft es trotzdem in den letzten Minuten des Interviews, jeden kleinsten guten Eindruck, den er im Laufe des Gesprächs schaffen konnte, wieder zunichte zu machen.

Sandra Maischberger möchte von Özdemir wissen: Ist es gerechtfertigt, von den Bauern mehr Steuern einzutreiben, statt mal an den Ausgaben ins Ausland zu sparen? 106 Millionen Euro für ÖPNV-Ausbau in Südamerika, dann noch Geld für den Schutz von bäuerlicher Kultur – in China(!) – und noch mehr für die Stärkung der Rechte von Frauen in Tibet führt sie an. Özdemir dazu: „Ich glaube nicht, dass wir das Klima schützen werden, wenn wir uns auf die Bundesrepublik Deutschland beschränken“ Und weiter: „Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und als solche haben wir auch eine Verantwortung dafür, dass sich nicht die radikalen Kräfte, die Putins dieser Welt durchsetzen, dass wir die Demokratien in der Welt unterstützen.“

Özdemir zählt sicherlich zu dem geschickter auftretenden Personal bei den Grünen (sehen Sie einfach den direkten Vergleich zu Anton Hofreiter). Doch wie fast alle Grünen ist auch er beseelt von dem Drang, die Welt mit zig Milliarden Euro zu verbessern – auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. Geld ist ja da, glaubt er, und es irgendwo ausgeben retten das Weltklima.

Es ist ein doch überaus bemerkenswerter Kontrast, wie unterschiedlich die Moderatorin den beiden Politikern an diesem Abend begegnet. Özdemir ist willkommen, denn der Minister soll bitte spätestens im nächsten Quartal erneut zum Gespräch kommen. Im zweiten Teil begegnet man Chrupalla mit so deutlicher physischer Ablehnung, dass es beinahe die Grenze zum Grotesken streift. Maischberger geht geradezu glühend auf in der Rolle der Scharfrichterin im Auftrag Ihrer Majestät, Olaf Scholz. Solle noch einmal ein AfD-Politiker eingeladen werden dann sollte die Sendung einen neuen Namen erhalten: „Maischbergers Schlachtbank“.

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