Tichys Einblick
Liberal nur beim Tempolimit

Bei Maischberger: Die FDP ist Deutschlands neue Bahnpartei

Verkehrsminister Volker Wissing ist lieber Bahnminister statt Autominister. Habecks Wärmepumpen-Desaster könnte zum grünen Mühlstein werden. Und Ex-Bundespräsident Gauck ist kein Russlandfreund. Von Fabian Kramer

Screenprint: ARD / Maischberger

Darf man sich mit Kriminellen treffen? Für Verkehrsminister Volker Wissing lautet die Antwort: Ja. Schließlich hatte sich der FDP-Politiker medienwirksam mit Vertretern der Letzten Generation getroffen. Unter anderem zu diesem Besuch bezog der Minister Stellung in der Maischberger-Sendung. Für ihn als Richter gehöre es zum Alltag, mit Straftätern zu reden. So jedenfalls begründete Wissing sein skurriles Treffen mit Vertretern der kriminellen Endzeitsekte. Na gut, aber muss sich auch ein Minister in seinem Alltag mit Gesetzesbrechern treffen?

So richtig schlüssig waren seine Begründungsversuche nicht. In einer Demokratie müsse man mit allen Seiten reden, fügte Wissing hinzu. Wobei die Letzte Generation meistens wenig redet und mehr blockiert. Diese Blockaden und das Besprühen des Ministeriums mit Farbe haben wahrscheinlich den Druck für ein Treffen erhöht.

Ein harmonisches Gespräch mit Klimaklebern

Das Gespräch sei harmonisch und freundlich verlaufen, gibt Wissing an. So mancher Autofahrer wird weniger freundliche Gedanken und Assoziationen zu den Klimaradikalos haben. Inhaltlich konnte Wissing den Klimaklebern wenig abgewinnen. Ihre Forderungen nach einem 9-Euro-Ticket und einem Tempolimit verstünde er nicht, so Wissing. Er selbst habe ja nun das Deutschlandticket für 49 Euro eingeführt. Dieses Ticket ist Wissings Vorzeigeprojekt und darauf ist der Minister sichtlich stolz.

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Man habe den Tarifdschungel gelichtet und ein attraktives Angebot geschaffen. Schön und gut, aber wenn die Bahn halt nicht kommt, nützt einem das Ticket wenig. Aber Wissing findet das Ticket so überzeugend, dass er es am liebsten jedem Autokäufer schenken würde. Diese Idee missfällt den Aktivisten der Klimademonstranten von Fridays for Future, weil Autofahrer angeblich alles reiche Menschen sind. „Nicht jeder, der ein Auto kauft, ist reich“, kontert Wissing lässig den Vorwurf ab. Insgesamt will Wissing von der Konnotation als Autominister wegkommen.

Manch ein anderer würde sich im Autoland Deutschland damit brüsten, doch der Minister nicht. Offensichtlich hat die FDP die Bahnfahrer als neue Wählerklientel ausgemacht. Doch Wissing kann noch klassisch liberal. Mit ihm gibt es kein Tempolimit. Auch die Tempo-30-Initiative der Kommunen lehnt er ab. Richtig so, ist diese angebliche Initiative für mehr kommunale Lebensqualität in Wahrheit eher eine Blitzer-Initiative? Der Autofahrer ist eine gern gesehene Cash-Cow, so viel weiß jeder Stadtkämmerer. Alles in allem werden in Zukunft buchstäblich die politischen Weichen gestellt, um das Autoparadies in ein Bahnparadies zu verwandeln. Wenn denn eine Bahn fährt.

Habecks Wärmepumpen ziehen die Grünen runter

Die Schauspielerin Valerie Niehaus sowie die Journalisten Tina Hassel und Nikolaus Blome dürfen als politische Beobachter ran. Es werden überraschend auch durchaus kritische Töne zum grünen Regierungs-Gemurkse abgegeben. Zum Thema Wärmepumpe meint Hassel: „Ob es ein Meilenstein oder ein politischer Mühlstein für Robert Habeck ist, wird sich zeigen.“ Die Umfragen zeigen es schon jetzt: eindeutig Mühlstein. Für Blome ist das ganze Wärmewendengesetz-Ungetüm ein handwerkliches Desaster: „30.000 Euro für Investitionen hat niemand auf dem Konto.“ Niemand ist übertrieben, die Familie Graichen dürfte zu den Glücklichen gehören, die inzwischen über solche Summen verfügen. Da ist der Heute-show-Star Niehaus ganz anderer Meinung. Man müsse nur besser erklären und die Leute wären durchaus bereit für Veränderungen.

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Da mag sie richtig liegen, aber für negative Veränderungen des Kontostandes sind die Leute eher nicht bereit. Maischberger möchte die Gründe für die schlechten Werte der Grünen wissen. Die vorherrschenden Zustände um den Graichen-Clan würden die Grünen treffen, meint Hassel. Besonders, weil sich die Ökopartei gern als Moralapostel sehe, ergänzt sie. Das Gesetz von Habeck findet Hassel nur schlecht kommuniziert. Die ganze Ampel kommuniziere schlecht. Die Grünen sind also nicht alleine schuld. „Die Ampel wirkt bei vielen Dingen therapiewürdig“, meint Hassel dazu. Energisch hält Blome dagegen: „Es ist das Stück selber, das Mist ist.“ Wenigstens einer, der es kapiert hat. Festzuhalten ist: Wann immer es für die Grünen nicht gut läuft, ist für die meisten Journalisten die Kommunikation schlecht. Selten ist es die inhaltliche Politik. Die Gesetze können noch so lebensfremd sein, man kann sie ja richtig kommunizieren.
Gauck: für Russland nichts übrig

Der Einzelgast in der Sendung ist der Altbundespräsident Joachim Gauck. Er hat den Zweiten Krieg, die DDR-Diktatur und die friedliche Wiedervereinigung miterlebt. An den aktuellen Krieg in Europa mag er sich nicht gewöhnen. Für Russland hat der Bundespräsident aber schon vor dem Krieg wenig übrig gehabt. Ob die Russen auch stolz sein dürfen und den Tag des Sieges feiern dürfen, fragt Maischberger. Dies bejaht das ehemalige Staatsoberhaupt. Allerdings verweist Gauck auf die militärische Hilfe der Amerikaner für die Sowjets. „Es war dieses Bündnis, welches Europa vor dem Hakenkreuz bewahrte“, meinte Gauck. Putin ist in seinen Augen ein KGB-Scherge. Die Nato sei keine reelle Bedrohung für Russland. Der Krieg in der Ukraine entstünde aus innenpolitischen Motiven. Putin hätte in der Ukraine gesehen, dass ein Volk seine korrupte Regierung loswerden könne. Die Menschen sehnten sich nach Freiheit. Er sei nie in Russland gewesen, warum habe er für das Land nichts übrig, möchte Maischberger wissen.

Offensichtlich hat Gauck für die Russen wenig übrig. Er habe in der DDR nicht die Mittel gehabt und sei als Bundespräsident mehr an Polen interessiert gewesen, antwortet Gauck. Für Gauck epochal war die Zeitenwende des Kanzlers. Auch wenn diese eher schleppend vorangeht, meint Gauck eine Veränderung in der Geisteshaltung der Deutschen festgestellt zu haben. Zum Schluss kommt Maischberger auf die Gefahr des Rechtspopulismus zu sprechen. Diese Gefahr hält Gauck in Deutschland für gering. „Unser Land ist doppelt geimpft. Wir hatten die braune Diktatur und wir hatten die rote Diktatur.“

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