Tichys Einblick
Von Lost Generation zur Loser-Generation

Maischberger: Das GroKo-Drama ist für Herles eine Befreiung der Demokratie

Na also, geht doch! Während Illner und Will mit Narrenkappe herumlaufen, nutzt Maischberger die Stunde für die Chaosbewältigung.

Screenprint:ARD/maischberger

Heute wollen wir uns nur auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, die es allerdings in sich haben. Die Sendung Maischberger zerfiel in zwei Blöcke – einen großen, der das Elend der SPD beschrieb, und einen kleinen, der das Merkel-Drama zum Thema hatte.

Wolfgang Herles das erste Wort zu geben, damit bewirkte Maischberger die Verblüffung der ganzen Runde: Denn Herles bewertet die Chaostage der Regierungssuche als Befreiung der Demokratie, weil endlich wieder gestritten würde.

Für das „Wir wollen bleiben wie wir sind“ der amtierenden spezialdemokratischen „Elite“ stand Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen. Der ist so eine Art Hans Mustermann der SPD, unauffällig, konturlos, macht seinen Job, geht später pünktlich in Rente und keiner erinnert sich je an seinen Namen. Und dann saß da Rudolf Dreßler, der noch in sozialdemokratischer Ursuppe geschwommen ist, und ja, er hat sogar mal was Richtiges gearbeitet. Er sei „nicht unbedingt links, sondern pragmatisch, aber eisern in der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen“ gewesen, steht über den gelernten Schriftsetzer zu lesen.

Wie ein Poltergeist aus längst vergangenen Tagen fuhr Dreßler Weil und Co. in die kollektiven Parteiglieder. In 50 Jahren habe er solche Zustände in der SPD nicht erlebt, das sei ein Super-GAU, der nicht mehr auf die Schnelle korrigierbar sei. Das dauere viele, viele Monate, und deshalb könne die SPD derzeit nicht in eine Regierung eintreten. Bumm. Punkt. Schulz? Ach, Schulz. Da hat er wohl nicht einmal Mitleid mit Martin, er sieht vielmehr ein kollektives Versagen des gesamten Vorstands. Schulz sei ja nur „deshalb erschienen, weil Gabriel ihn geholt hat“. Und er guckte Weil an und sagte: „Ich gucke alle an. Wann steht ihr zu eurer Fehleinschätzung?“

Was soll Hans Mustermann sagen? „Richtig ist“, tastet Weil blind nach Argumenten, dass Schulzens Griff nach dem Außenamt „ein Fehler gewesen ist“. Aber Martin Schulz hat mit seinem (erzwungenen) Rücktritt vom Antritt „doch einen starken Abgang gehabt“. ‚Mit einem Tritt in den Allerwertesten aus dem Haus gejagt werden‘ heißt also nach spezialdemokratischer Lesart ‚einen starken Abgang haben‘? Das ist Comedy!

Für die Zukunft sieht Weil einen Generationswechsel als Allheilmittel. Nach einem jammernden Siggi und einer kreischenden Nahles soll jemand wie Kevin, der Kühne, die Rettung sein? Der Auftritt von Dreßler bei Maischberger legte eher nahe, dass man die Alten reaktivieren sollte! In dem Mann (Jahrgang 1940) steckt mehr Glaubwürdigkeit und Anstand als im gesamten amtierenden Vorstand der SPD – kommissarisch oder nicht. Es kann kein Zufall sein, dass nicht ein einziger, beziehungsweise keine einzige aus dieser Truppe des Mittelmaases herausragt, es muss sich um ein Generationsproblem handeln, auf die Lost Generation ist wohl die Loser-Generation gefolgt.

Dann soll es laut Weil ein Geschlechterwechsel an der Parteispitze richten. Dreßler sagte dazu nur geschlechtsneutral, er sei „nicht von Nahles überzeugt“. Einen Hinweis an seine Parteigenossen wollen wir hier gern weitergeben: Wenn sich noch mehr Gegen-Kandidaten meldeten, „steigen Nahles‘ Chancen nur“. Also, Finger stillhalten!

Jung-Unionistin Antonia im Einspieler: „Ich will keine vier Jahre Merkel.“

Warum wirklich?
Leere Stühle bei Anne Will
Für die CDU war Serap Güler geladen, von der wir noch nie gehört hatten, dabei sitzt sie im Bundesvorstand. Im Homeland NRW amtiert sie als Staatssekretärin für Integration und ist ihrer Biographie zufolge eine ehrgeizige junge Frau. Sie steht felsenfest hinter Angela Merkel. Schon 2009 habe mit Peer Steinbrück ein Sozi das Finanzministerium inne gehabt, da habe auch keiner so ein Theater gemacht. Im Übrigen sei an ihrer Basis nichts von einem Aufstand gegen Merkel zu spüren. Einschränkend fügte sie hinzu, „jeder hat ja seine eigene Basis“. Nein, der Merkel-Teil der Sendung gehört Wolfgang Herles (geschätzter Tichy-Autor, was die ARD vergaß einzublenden), der eine allumfassende Philippika zum Vortrag brachte:

Merkel habe „sich über den Tisch ziehen lassen bei den Verhandlungen“. Sie stehe für die Entpolitisierung der Politik. Sie entscheide aus einer Stimmung heraus, von der Energiewende (nach einer Havarie in Japan) bis zum Kontrollverlust an den deutschen Grenzen. Sie begreife nicht, dass es sehr wohl eine „Obergrenze der Akzeptanz“ in der Gesellschaft gebe. Kurzum: „Partei beschädigt, Land kaputt, Europa beschädigt. Frau Merkel hat nur Unheil angerichtet!“ (Damit dürfte sich eine Einladung zum Sommerfest im Kanzleramt für alle Zeiten erledigt haben.)

Zudem habe Merkel die CDU recht talentfrei hinterlassen. Auf die Frage nach dem CDU-Nachwuchs antwortete Herles: „Spahn? (Was aber klang wie: SPAHN??) Ein Altmaier? Ich bitte Sie! Und der, der sich jetzt Generalsekretär nennt, ist nicht mal Sekretär. Der ist gar nix!“

Es wäre unhöflich, Christiane Meier vom Frühstücksfernsehen nicht zu erwähnen. Die konterte recht gekonnt den Versuch von Stephan Weil, Schulz als Medienphänomen aus der SPD-Verantwortung zu entsorgen, mit: Wer hat den Schulz („das perfekte Opfer“) denn mit 100% gewählt? Und auch Merkel sieht sie „auf zwei Reifen um die Kurve kommen“. Aber: Eine Staatskrise sieht anders aus. Das sieht auch Dreßler so. Er hält zudem die Merkel-Kritik in der CDU für „total überschätzt“.

Dreßler regt sich lieber nochmal über die Inhalte der GroKo-Vereinbarungen auf, die er alle gelesen haben will. Texte, „die mich haben schaudern lassen“. Den Untergang der Rentenversicherung „haben die Sozis zu verantworten“, echauffierte sich der alte Sozialdemokrat, die Stimme aus einer längst vergangenen Zeit …