Das Thema der Illner-Sendung am Donnerstagabend dieser Woche dürfte in jedem Leser jetzt eine gewisse Nostalgie auslösen: „Zu viele Flüchtlinge, zu wenig Geld – Flüchtlingsfrage ungelöst“. Mit dabei im Studio: der Parteivorsitzende der Grünen Omid Nouripour, der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil, der CSU-EU-Abgeordnete Manfred Weber, die Fluchtforscherin Birgit Glorius, Zeit-Journalistin Mariam Lau und der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Heiko Teggatz. Es geht also wieder um eine „Flüchtlingskrise”. „Wieder“ deshalb, weil die letzte 2015 unser Land und vor allem den politischen Diskurs so fundamental verändert hat, dass die meisten von Ihnen wohl nun nicht hier bei TE wären, wenn es sie nicht gegeben hätte. Ich weiß zumindest, dass ich sonst jetzt nicht hier wäre.
Sie lernte Deutsch wahnsinnig schnell, was wahrscheinlich dem Extra-Deutschunterricht zu verdanken war, den sie mehrmals in der Woche früh morgens um sieben hatte. Sie war in der Lage, den gesamten Stoff aufzuholen, und schloss ihr Abitur mit 3,2 ab. Im Klassenzimmer hatte ich drei vollkommen unterschiedliche Einblicke in das Thema, auf eine Weise sympathisierte ich mit allen dreien. Auf der Straße war das etwas anderes. Denn während ich in der westlichen Kultur damals noch als Mädchen galt, war ich für die Truppen von jungen syrischen Männern, die an der Fußgängerpassage herumliefen, eine Frau – eine Frau, die es wagte, im Sommer kurze Sachen zu tragen. Einmal wurde ich dafür fast bespuckt, zum Glück aber verfehlt. In der Zeitung häuften sich damals die Meldungen von vergewaltigten und ermordeten Frauen.
Es gab aber sogar noch mehr Überraschungen. „Bessere Situation ist: Wir haben jetzt einen eklatanten Arbeitskräftemangel“, so erklärt Stephan Weil und vergleicht dabei die heutige Situation mit der von 2015. Das würde die Integration in den Arbeitsmarkt einfacher machen, erwartet er. Nein, ist das nicht interessant? Dabei kann ich mich noch genau erinnern, wie mein Politiklehrer uns damals erklärte, dass die Flüchtlinge deshalb wichtig für Deutschland sind, weil wir einen – wie hieß das nochmal? – Fachkräftemangel hatten. Und vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass er damit einfach nur die Parolen von Merkel nachplapperte.
Auch mehr als typisch ist die Reaktion des CSU-Mannes. Der lässt sich von der Nouripour-Dampfwalze einfach überrollen. Keine Durchsetzungskraft, keine schlagfertige Antwort, kein bisschen Durchgreifen. Kein Wunder, dass die CDU diese Legislaturperiode auf der Oppositionsbank ausharren muss. Wie es zu dem letzten Bundestagswahlergebnis kommen konnte und vor allem dazu, dass ausgerechnet der schon totgesagte Olaf Scholz Kanzler werden konnte, war an diesem Abend übrigens auch live und in Farbe noch einmal mitzuerleben. Denn wie heißt es so schön? Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Während Nouripour wirkte wie das hyperaktive Kind im Buddelkasten, das den anderen Kindern die Schaufel über den Schädel zieht, und Weber wie das kleine Muttersöhnchen, das sich das alles gefallen lässt, sah dazwischen Stephan Weil zum ersten Mal wie ein Staatsmann aus. Naja, was soll man sagen? 2015 war ja auch nicht viel anders.