Tichys Einblick
Kostenloser Beratertag

Lieber Tom Buhrow, einfach aufhören mit „Bedarf anmelden“

Bei einer Kriegskasse von 10 Milliarden sind, mal so über den Daumen, 10 Prozent schnell herauszuquetschen. Fangen wir mit den Intendantengehältern an (minus 30 %), Zulagen streichen, Mieten kappen, Programme einstellen, die kaum jemand anschaut. Bundesliga? Kann weg. Schon haben Sie damit ihr Problem gelöst.

picture alliance/dpa | Oliver Berg

Angesichts der verzweifelten ÖRRler vor Weihnachten spendiert Roland Tichy dem ÖRR seinen Rat, ohne einen Beratertag in Rechnung zu stellen.


Lieber Tom Buhrow,

Sie sind ziemlich böse mit dem Landesparlament von Sachsen-Anhalt, das die Gebührenerhöhung blockiert hat, und mit dem Bundesverfassungsgericht, weil es Ihren Eilantrag abgelehnt hat. Schade, Ihnen fehlen 400 Millionen in den nächsten Jahren. Sie haben das so kommentiert: „Ein Ausbleiben der Beitragsanpassung wird gravierende Maßnahmen erfordern, die man im Programm sehen und hören wird.“

Das ist schon hart, Ich muss Ihnen diese etwas indiskrete Story einfach erzählen; sie hat sich vor einer Reihe von Jahren inmitten der Finanzkrise vollzogen.
Die Geschäfte des Verlages, bei dem ich damals Chefredakteur war, waren eingebrochen. Die dritte Einsparwelle rollte über uns hinweg. Bei einem Umsatzvolumen von 180 Millionen sollten wir noch einmal 20 Millionen zusammenkratzen – sparen, kündigen, aufgeben. Was leicht ging, hatten wir schon hinter uns. Jetzt ging es ans Eingemachte.

Bedrückt ging ich nach Hause. Am Küchentisch saß eine leitende Mitarbeiterin aus der Intendanz einer mittelgroßen ARD-Anstalt. Sie gönnte sich gerade den dritten Cognac. Sie war verzweifelt. Auch sie sollte ein Sparprogramm umsetzen. Auch 20 Millionen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren. Bei einem Umsatzvolumen von rund 500 Millionen.
Ich habe mir auch einen Cognac eingeschenkt und angeboten, den Job für sie zu erledigen. Vier Millionen von 500 Millionen im Jahr einsparen – easy. Damit bin ich am Nachmittag fertig.
Wir haben noch ein paar Cognac gekippt, ich habe ihren Job nicht erhalten.

Diese Story muss ich erzählen wenn ich Euer Gejammer von ARD und ZDF höre. Denn Euer wirkliches Umsatzvolumen besteht aus rund acht Milliarden Euro; dazu kommen rund zwei Milliarden, die ihr über Sponsoring, Werbung und sonstige Geschäfte einnehmt. Bei einer Kriegskasse von 10 Milliarden sind, mal so über den Daumen, zehn Prozent schnell herauszuquetschen.

Fangen wir mit den Intendantengehältern an (minus 30 %), streichen wir Zulagen, kappen wir Mieten, stellen wir Programme ein, die kaum jemand anschaut. Bundesliga? Kann weg. Schon haben Sie damit ihr Problem gelöst. Nennen wir es Solidarbeitrag. Da draußen sind Millionen von Beitragszahlern, denen geht es gerade nicht gut. Künstler und Freiberufler, die praktisch das gesamte Jahr ohne Aufträge auskommen müssen; denn ein kurzer Sommer rettet kein Geschäft. Ladenbesitzer, Gastronomen, die sehnsüchtig auf ein paar Peanuts aus der Staatskasse warten. Unternehmen, denen Aufträge weggebrochen sind und die versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen. Arbeitnehmer, die auf Kurzarbeit gesetzt sind und sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen müssen. Und: viele sind bereits arbeitslos.

Ehrlich, da können Sie schon auch etwas einsparen.
Sie sollten allerdings ändern, was man heute neudeutsch „Mindset“ nennt.
Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben sich daran gewöhnt, dass sie ihren „Bedarf“ anmelden. Das geht so, dass man schön aufschreibt, wieviel Geld man für neue und alte Programme so braucht. „Bedarf anmelden“ – das kann sonst keiner. Kein Buchhändler kann irgendwo anmelden, dass er jetzt 100.000 € für eine neue Ladenausstattung braucht. Er muss sie verdienen. Kein Fliesenleger kann Bedarf irgendwo anmelden für einen Mitarbeiter; kein Wirt kann Bedarf für neue Fliesen, Steaks und Speisekarten anmelden. Alle müssen das erwirtschaften, investieren. Oder müssen damit auskommen, was so hereinkommt. Weil wir gerade dabei sind: Ich würde gerne für TE 35 Redakeursstellen, 68 Verwaltungsangestellte, ein neues Redaktionsgebäude und was man sonst noch so braucht, „anmelden“, dazu sieben Statellitenschüsseln, 64 Kopiergeräte, ein neues Netzwerk und sechs Grafiker. Das ist doch wirklich nicht zu wenig, wenn ich unseren Beitrag für ein niveauvolles Programm anschaue. Im übrigen bräuchte ich nur 35 Millionen für ein 24-Stundenpgoramm auf Youtube. Ist echt ein Schnäppchen.

Also weg mit „Bedarf anmelden.“
Der zweite Punkt ist: Sie drohen mit Programmverschlechterung.
Das sollten Sie auf keinen Fall tun. Kein Autohersteller sagt: „Leider nimmt die Pannenhäufigkeit unserer Neuwagen zu, weil wir leider den von uns angemeldeten Bedarf nicht bewilligt kriegten.“
Den Teufel werden die tun!
Auch die Presseverlage versuchen, mit weniger Mitarbeitern bessere Zeitungen und Zeitschriften zu machen. Das gelingt nicht immer. Aber am Produkt sparen und das auch noch bekanntgeben – das ist nun wirklich komplett gaga. Je schlechter die Kassenlage, umso besser die Show. Dafür sind wir da: Wenn’s uns schlecht geht, noch besser zu erscheinen. Und immer dran denken: Der Kunde ist König; in ihrem Fall der Gebührenzahler. Den darf man nicht beschimpfen. Oder belehren, oder für dumm erklären, ihm den Tod an den Hals wünschen, nicht mal im Spaß.

Das alles geht natürlich nicht, wie Sie das machen bisher. Streichen Sie „Bedarf anmelden“. Ersatzlos. Investieren Sie ins Programm, statt es wegzustreichen. Ändern Sie Ihr Mindset.

Die Welt wird danach für Sie eine andere sein: eine bessere. Sie müssen nicht mehr Politiker beschwatzen, Kampagnen entfesseln, sich krumm biegen und Ihre Prinzipien verraten. Bleiben Sie einfach der gute Journalist, der Sie ja waren und den wir alle schätzen. Und dann schauen wir vielleicht auch wieder, wenn wir endlich diese Programme wieder toll finden, dann können wir sogar über eine Gebührenerhöhung nachdenken. Aber erst müssen Sie Ihre Hausaufgaben machen.

Und versprochen, das ist mein Beitrag für Ihr Überleben: Dafür stelle ich nicht einen Beratertag in Rechnung. Deal?

Herzlich

Roland Tichy

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