Tichys Einblick
SERIE: KRISE DER ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN

8,5 Milliarden Euro GEZ reichen den Funk-Bonzen von ARD und ZDF immer noch nicht

Der Skandal um die gescheiterte ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger hat den Blick auf die Krise der Öffentlich-Rechtlichen freigelegt. Diese besteht aus vielen ineinandergreifenden Elementen. Eines davon ist der Umgang mit Geld.

IMAGO

Rund 8 500 000 000 Euro. So viel Geld zahlen die Deutschen im Jahr an Rundfunkgebühren. Tut jemand es nicht, droht Beugehaft. Für 8 500 000 000 Euro bekommt der Europäer im Schnitt 309 000 Neuwagen. Sensa würde einem derzeit knapp 2,3 Millionen Massagesessel des Modells „Alpine“ verkaufen – ohne Mengenrabatt. Kurz gesagt: Der öffentliche Rundfunk erhält in Deutschland absurd viel Geld – und da sind die Werbeeinnahmen oder Lizenzgebühren nicht einmal eingerechnet.

Wer diese Summe kritisiert, bekommt von den Anhängern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu hören, das furchtbare Dinge passieren, wenn diese Summe gekürzt wird: Der Rechtsstaat werde implodieren, die Demokratie zusammenbrechen, im Kühlschrank werde das Licht ausgehen und die Eiscreme schmilzt. Die genannten Anhänger hängen meist direkt an eben diesem Finanztropf oder sind Vertreter der Politik, denen die Einseitigkeit von ARD und ZDF nichts ausmacht, weil sie selbst zu dieser einen Seite gehören. Ein Blick ins Ausland lässt andere Schlüsse zu: In Großbritannien kommt die BBC mit 5 Milliarden Euro aus. Sie war mal ursprünglich das Vorbild für ARD und ZDF.

Mit 8,5 Milliarden Euro stellen die öffentlich-rechtlichen Sender einen wirtschaftlichen Machtfaktor dar. Im Vergleich dazu: Mc Donald’s hat laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr nur 3,5 Milliarden Euro umgesetzt. Selbst unter Berücksichtigung des Corona-Effektes ist das ein beachtlicher Abstand und wirft zudem ein Licht auf den Unterschied zwischen einem privaten Unternehmen und den Öffentlich-Rechtlichen: Ihre Einnahmen sind krisensicher. Das staatliche Einzugssystem verfolgt selbst Rentner, Studenten und Insolvente mit einer Hartnäckigkeit, wie man sie sich an anderer Stelle vom Staat wünschen würde.

903 Millionen an anfallenden Rundfunkbeiträgen wurden 2020 nicht gezahlt, wie die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet hat. Das entspricht in etwa zehn Prozent der insgesamt anfallenden Gebühren. Von Januar bis September 2021 fielen rund 600 Millionen Euro nicht gezahlter Zwangsbeiträge an – in insgesamt 40 Millionen Haushalten, die grundsätzlich die Gebühr zahlen müssen. Nach Zahlen der Neuen Zürcher Zeitung haben es im Jahr 2016 etwa 4,5 Millionen auf Mahnungen und Vollstreckungsdrohungen ankommen lassen. Die wenigsten gehen bis zur Beugehaft, so wie die Hilfsarbeiterin Sieglinde B, die sich 61 Tage zum Wohle von ARD und ZDF einsperren ließ. Nach einer Berechnung des Fachportals Finanzen.net kostete bereit 2017 ein Hafttag den Staat 136 Euro. Im Fall von Sieglinde B waren das entsprechend 8296 Euro – mehr als ein durchschnittlicher Bruttolohn für zwei Monate. Der Staat verlangt also nicht nur 8 500 000 000 Euro von seinen Bürgern für ARD und ZDF. Er lässt sich das Eintreiben der „Demokratieabgabe“ auch einiges kosten.

Ein Großteil des Geldes versickert. Rund um den Skandal der ehemaligen ARD-Vorsitzenden Patricia Schlesinger ist ein erster Blick auf die Verschwendungssucht der Feudalherren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk freigeworden: Das beginnt mit Schlesingers dienstlichem Massagesessel, geht weiter über die Luxusausstattung der RBB-Chefetage und endet mutmaßlich noch längst nicht bei den zwei Dienstwagen einer BR-Direktorin, die diese dienstlich so dringend braucht, dass sie die Wagen auch privat nutzt. Doch es versickert nicht nur Geld, weil es Verantwortliche der Öffentlich-Rechtlichen zu ihrem Zweck verprassen. Auch strukturell passen den Sendern die Spendierhosen.

16 Orchester und 8 Chöre betreibt die ARD nach eigenen Angaben. Im Programm spielen die nahezu keine Rolle. Die Orchester sind ein Zugeständnis an die Landesfürsten: Die Ministerpräsidenten sitzen in den Kontrollgremien der ARD-Anstalten. Dort winken sie deren Ausgaben durch und erhalten im Gegenzug ein Orchester, das auf Landesfesten und anderen regionalen Veranstaltungen spielt. Mitunter sind diese Orchester auch Auffangbecken für Musiker mit schlechten Chancen auf dem Markt, aber guten Beziehungen in die Politik.

Ab und an läuft auch mal ein Konzert in einem Spätprogramm der 55 Hörfunkwellen, die alleine die ARD betreibt. Nach den Daten der Analyse „ma 2020 Audio II“ schalten am Tag 36,1 Millionen Deutsche täglich eine dieser Wellen ein. Wobei allein zehn Prozent auf 1Live fallen, die Populärwelle des WDR. Das Kulturradio des Senders kommt nach eigenen Angaben auf 310 000 Hörer am Tag. Allerdings erheben die Anstalten keine Untersuchungen zur Intensität des Hörerverhaltens – nicht mal zur Verweildauer, obwohl das technisch möglich wäre. In der Folge zählt der zu den 310 000 Hören, der auf der Suche nach guter Musik bei WDR3 kurz durchgezappt hat.

Der Staatsvertrag gibt künftig ARD und ZDF mehr Spielraum in Sachen Programmauftrag. Um Kosten zu senken, könnten sie Ballast abwerfen. Etwa ihre Spartenkanäle. Doch das Gegenteil passiert. ZDF-Intendant Norbert Himmler verfolgt die Strategie, mit einem hohen Marktanteil bei allen Zuschauern die Existenz und den gigantischen Finanzbedarf der Öffentlich-Rechtlichen zu rechtfertigen. Auf ZDF Neo laufen Wiederholungen von Filmen oder Shows wie „Bares für Rares“, zudem kommen in Dauerschleife zigfach abgenudelte Krimiserien wie Monk. Damit schafft Himmler ein ZDF II, ein Bällebad für Senioren, in dem Zuschauer ohne Anspruch ihre Zeit totschlagen können. Als Argument für noch höhere Gebühren überzeugt das nur wohlgesonnene Politiker sowie das Bundesverfassungsgericht.

86 Prozent der Einnahmen der ARD stammen nach eigenen Angaben aus dem Rundfunkbeitrag. Angesichts der untergeordneten Rolle der Werbung in den Finanzen der Sender fällt die Werbung im Programm überdeutlich auf: Kommt die Torwand im Sportstudio, dauert die Präsentation der Sponsoren mittlerweile fast länger als die Schüsse auf die Torwand. Die ARD hat laut Statistischem Bundesamt knapp 300 Millionen Euro aus der Werbung erlöst. Von der Einnahme des Werbegeldes bis in die Investition ins Programm ist es aber ein weiter trockener Weg, auf dem laut Insidern viel Geld verdunstet.

Neun Fernsehanstalten leistet sich die ARD, darunter den Saarländischen Rundfunk mit einem Jahresetat von 123,9 Millionen Euro, wie es dem Wirtschaftsplan des Senders für das Jahr 2020 zu entnehmen ist. Mit dem Geld kommt der SR nicht aus. Seine Ausgaben schätzte er in dem Jahr selbst auf 129,2 Millionen Euro ein. Schon jetzt füllen die Dritten Programme ihre Sender mit Konserven der ARD und mit uralten, teilweise grotesken Filmen. Etwa den „Lümmeln“ aus der ersten Schulbank, die in den späten 60er Jahre im Kino liefen. Nur wenige Programmschienen sind der lokalen Berichterstattung vorbehalten. Meist am Abend. Doch kleine Sender wie der SR oder der RBB können diese Schienen schon jetzt nicht füllen und wiederholen stattdessen ARD-Material. Es fehlt für mehr lokale Berichterstattung das Geld, das an anderer Stelle verprasst wird.

Etwa für die Verwaltung. Alleine der Intendant des SR verdient nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes 245 000 Euro im Jahr. Doch auch die Direktoren tragen gutes Geld nach Hause. Das fehlt dann im Programm. Gerne füllt der SR das mit lokaler Ware des SWR auf, der die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg versorgt. Eine Fusion hat der SR vor gut einem Jahr ausgeschlagen. Die Landespolitiker in den Gremien wollen das Symbol nicht aufgeben, weil dann auch ihre Existenzberechtigung in Frage gestellt wäre. Die Intendanz will ihre Gehälter nicht aufgeben. Nur der Zuschauer wünscht sich niedrigere Beiträge – aber der spielt in der Debatte um die Öffentlich-Rechtlichen keine Rolle.

41 Prozent ihres Etats gibt die ARD nach eigenen Angaben für „journalistische Information“ aus. Das ist aber ein recht dehnbarer Begriff. Fährt ein Produktionsteam für Wochen und Monate auf einen Vergnügungstrip und bringt 45 Minuten Film davon zurück, werden die Spesen dafür auch unter „journalistische Information“ verbucht. Oder die Hochzeit von Anita Hofmann. Mit ihrer Schwester Alexandra hat sie Hits aufgenommen wie: „Mitten im Vulkan“, „Schuld war nur der Sirtaki“ oder „Limbo auf Jamaica“. Wenn die deutsche Antwort auf Madonna heiratet, muss die ARD dabei sein. Unbedingt. Auch wenn Hofmann die Exklusivrechte der Freizeit Revue verkauft hat. Der öffentlich-rechtliche Programmauftrag durfte trotzdem erfüllt werden – durch einen Kompromiss. Ein ARD-Sprecher sagte am Ende des Beitrags: „Die schönsten Bilder sehen Sie ab morgen in der Freizeit Revue“. Diese Mischung aus Product Placement, fehlendem Stolz und mangelhafter Schwerpunktsetzung fällt auch unter „journalistische Information“. 8 500 000 000 Euro sind manchem nicht genug.

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