Tichys Einblick
Merkel allein

Internationale Presse zur Islam-Aussage von Seehofer

Lettera 43 aus Mailand berichtet von Emmanuel Macron, dessen Pläne für die Behandlung von Migranten sich nicht groß von der Vorgehensweise in Ungarn oder Österreich unterscheide.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Die ausländische Presse kommentiert die gleich zu Beginn seiner Amtszeit gemachte Ansage Horst Seehofers, umschifft dabei aber den Kern der Frage: Wieviel Allahmania soll nach Alemania ?

Daily Sabah aus Istanbul schreibt, der neue Innenminister habe mit der Aussage “’Der Islam sei nicht Teil Deutschlands, die Muslime hingegen schon‘ Kanzlerin Merkel direkt widersprochen.“ Dieser Satz sei zuerst vom deutschen Präsidenten Christian Wulff 2010 ausgesprochen worden, aber Merkel habe ihn „oft wiederholt und ihn zu ihrem Eigenen gemacht. Er werde nun meistens mit ihr in Verbindung gebracht.“ Seehofers Bemerkungen seien geeignet, die grade flügge gewordene Koalition zu spalten. Trotzdem er ein enger Alliierter der Kanzlerin sei, sei Seehofer ein ausgesprochener Kritiker ihrer zuwanderungsfreundlichen Politik .

Für den Daily Telegraph sei „Angela Merkels neue Regierung seit Freitag etwas holprig gestartet, weil die Kanzlerin und ihr Innenminister sich öffentlich über die Rolle des Islam in der deutschen Gesellschaft in die Haare geraten seien. Horst Seehofer, der diese Woche im Rahmen eines Koalitionsvertrages Innenminister geworden sei, habe sein erstes Interview nach Amtsantritt zu der Erklärung genutzt, dass „der Islam nicht nach Deutschland gehöre“. Frau Merkel habe nicht damit gezögert, ihren Minister anlässlich einer Pressekonferenz abzuwatschen: „Muslime seien auch Teil Deutschlands, und damit sei auch ihre Religion genauso ein Teil Deutschlands.“

Die Washington Post findet, „Seehofer stelle die Stellung des Islams in Deutschland in Frage“, indem er, als Top-Sicherheitsbeamter des Landes, der Bild-Zeitung gesagt, „…dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre“, und hinzugefügt habe, dass „Muslime, die mit uns lebten, natürlich ein Teil Deutschlands seien.“ Seine auf Bayern beschränkte CSU, die immer eine härtere Linie bei der Zuwanderung verfolgt habe als Merkels CDU, stehe im späteren Laufe des Jahres vor Landtagswahlen, in denen erwartet werde, „dass die Anti-Islam-Alternative für Deutschland–Partei gut abschneiden werde.“

Die BBC meint, dass Horst Seehofer für sich eine besondere Rolle in der Deutschen Politik herausgesucht habe: „den des Stachels in Angela Merkels Seite. Als CSU-Vorsitzender sei er häufiger und ausgesprochener Kritiker der Kanzlerin, besonders ihrer Asylpolitik, gewesen.“ „Nun möge er zwar ihrem Kabinett angehören – eine umstrittene Nominierung, die im Gegenzug für die Unterstützung der CSU für die schwer verdiente Koalition mit der SPD gemacht worden sei – aber Herr Seehofer sei immer kampfeslustig dabei, der Kanzlerin direkt zu widersprechen, die öffentlich ausgesagt habe, dass der Islam sehr wohl zu Deutschland gehöre.“

Fox News schreibt (laut Notiz unter Zuarbeit von AFP): „Der deutsche Innenminister trete A. Merkel auf die Zehen … die zu Beginn des Monats zugegeben habe, dass sogenannte ’nogo-zones‘ in Deutschland existierten, in denen hohe Kriminalitätsraten grassierten und in die Aussenstehende, inklusive Polizei und andere Behörden, nicht hinein könnten.“

Und AFP (hier bei Channel News Asia) sieht den ehemaligen Ministerpräsidenten eine „Breitseite“ abfeuern. Von der auflagenstarken Bild-Zeitung befragt, ob denn „der über Jahrzehnte andauernde Zustrom muslimischer Migranten und Asylsuchender in die führende Industrienation Europas nun bedeute, dass der Islam zur Substanz der Nation gehöre, habe Seehofer mit „Nein“ geantwortet.“

National Public Radio NPR meint zu sehen, wie „die Debatte über die Rolle des Islam die Deutsche Regierung spalte“.

Konstantin von Notz, Mitglied der Grünen Oppositionspartei, habe protestiert: „Die Aussage von Innenminister Seehofer sei kompletter Unsinn. Deutschland könne sich so ein Benehmen bei den wichtigen Integrationsfragen nicht leisten.“ „Die Religionsfreiheit sei ein Grundrecht, das jedem durch die Verfassung garantiert werde.“ habe Andreas Nick, Mitglied von Merkels Christdemokratischer Union, gesagt. „Individuen müssten an ihren Handlungen beurteilt werden, die natürlich den Gesetzen des Landes folgen müssten…“ Und Mouhanad Khorchide, der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie, habe dem Sender gesagt,, „dass der Islam definitiv ein Teil Deutschlands sei; Millionen von Muslimen lebten in Deutschland und hätten die Staatsangehörigkeit des Landes angenommen. Man könne nicht zwischen dem Islam und den Muslimen unterscheiden. Laut der deutschen Verfassung gebe es keine Religion ohne den Einzelnen.“ Er habe sich besorgt über die Konsequenzen von Seehofers Interview gezeigt: „Solche Aussagen würden die deutsche Gesellschaft polarisieren – anstatt von „wir“ zu sprechen, was die Muslime einschlösse, mache die Diskussion nun einen Unterschied zwischen Deutschen und Muslimen. Bei vielen Muslimen löse dies das Gefühl aus, nicht willkommen und ungewollt zu sein. Viele unter ihnen seien in zweiter oder dritter Generation in Deutschland und Deutschland sei ihre Heimat.“

Die Arabische Tageszeitung Asharq Al-Awsat aus London meint, „dass Kanzlerin Angela Merkel sich von der Erklärung ihres neuen Innenministers distanziert … und seine Aussagen scharfe Kritik anderer Politiker hervorgerufen habe. Einige hätten ihn der Aufwiegelung beschuldigt.“

Star Online aus Malaysia zitiert mit Verweis auf eine Reutersmeldung und ist der Meinung, dass „Merkel, die sich starker Kritik einiger Deutscher und aus Europa gegenüber gesehen habe, zugestimmt zu haben, so viele, vorwiegend muslimische Zuwanderer, aufzunehmen, am Freitag ihre Vision eines integrierenden, multi-ethnischen Deutschland bestätigt habe.“

Der Nouvel Observateur meint einen Wendepunkt in diesem Satz von Minister Horst Seehofer ausgemacht zu haben: „Hier nun der schockierende Titel des allerersten Interviews, welches der neue deutsche Innenminister (und des Vaterlandes)
gegeben habe: Dieser Satz klingele in den Ohren eines Teils der öffentlichen Meinung auf der französischen Rheinseite, denn er könne auf verschiedene Weise übersetzt werden: „Der Islam ist kein Teil, … kein Bestandteil Deutschlands … ist nicht kompatibel mit Deutschland …, oder noch radikaler, hat in Deutschland keinen Platz … oder weiter, wie es die AFP oder der Korrespondent des „Monde“ in Berlin übersetzt hätten: „gehöre nicht (zu) Deutschland“.

Le Monde sieht Seehofer auf Kreuzzug: „Mit seinen Erklärungen verstärke Herr Seehofer auf nicht sachdienliche Art und Weise die Konflikte und Vorurteile, die unsere Gesellschaft durchzögen. So die Einschätzung des Präsidenten der Polizeigewerkschaft, André Schulz.“

Die Webseite Maville von Ouest France Multimedia aus Rennes zitiert Jürgen Trittin: Der Abgeordnete habe den Minister beschuldigt „Wahlkampf für die AfD zu betreiben und das Land zu spalten. Man kenne ja diese Sprüche: Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“

Il Foglio meint, dass Horst Seehofer darauf angewiesen sei, die Fortschritte der AfD in Bayern auszubremsen und sich deshalb zäh zeigen wolle. Aber Merkel habe sich schon distanziert.

Kein Handschlag? Bussgeld verhängt.

„Während Merkel und Minister Seehofer sich noch über den Islam stritten“, berichtet Italiaoggi, „habe es die Verurteilung eines Polizisten mit Migrationshintergrund wegen der Verweigerung eines Handschlags gegeben.“

Das Land, das schon eine Million muslimischer Türken mit Deutschem Pass kenne, „habe sich dann im September 2015 mit der Ankunft von mehr als einer Million Flüchtlinge in wenigen Monaten den Muslimen weiter genähert, als Viele zu akzeptieren bereit gewesen seien.“

Der Cicero habe in seiner Märzausgabe im Vorgriff auf das Duell der Kanzlerin mit ihrem Minister ein Minarett vor Bayerischen Bergen auf dem Titelblatt unter der Frage „Gehört dazu?“ und dem Untertitel „Wie der Islam Deutschland verändert“ veröffentlicht. Wer habe also nun Recht, Angela oder Horst ? „Keiner der Beiden“, so der Autor, auch wenn es ihm „nicht gefalle, keine klare Antwort darauf zu geben.“ Die Behauptung von Frau Merkel gebe wohl eher einen Wunsch als die Realität wieder. Und die Dame stehe ausserdem unter „der Anklage, die Ankunft der Flüchtlinge schlecht verwaltet zu haben. Der Christsoziale Seehofer, Anführer der Konservativen, zwinkere nun der AfD zu, die Dank der durch die Ankunft zu vieler Flüchtlinge ausgelösten Ängste zur dritten Kraft geworden sei.“

Die Seite Lettera 43 aus Mailand fragt: Wer ist dieser Anti-Zuwandererungs-Innenminister? „Er wolle Schengen beenden … aber beim Willkommen werde die Kanzlerin wohl eher von der SPD und von Macron ausgebremst …“ Zwar sei die Mehrheit der Sozialdemokraten, inklusive Andrea Nahles, für eine realistische Herangehensweise an die Frage der Einreisen. Nur die idealistischen Jusos seien, ganz im Gegensatz zur Groko, noch für die „Willkommenskultur“, und geistig eher mit den Grünen im Einklang. Eine Mehrheit in der SPD spreche sich für eine stärkere Kontrolle der Zahl der Zuwanderer aus, um Einschnitte bei Sozialleistungen und Verlust von Arbeitsplätzen bei den deutschen Bürgern zu vermeiden.

„Diese neue und seltsame deutsche Regierung verspreche auf der einen Seite expansive Wirtschaftspolitik, nach dem Geschmack der SPD, auf der Anderen mehr Abschottung gegen Zuwanderer.“

„Ob die Kanzlerin diese harte Linie (u.a. Erklärung Afghanistans als sicher, um tausende Abschiebungen durchführen zu können) durchhalten werde, läge auch an Emmanuel Macron, dessen Pläne für die Behandlung von Migranten sich nicht groß von der Vorgehensweise in Ungarn oder Österreich unterscheide. Anlässlich seines letzten Treffens mit Merkel habe er das ’schockierende‘ Wahlergebnis als Resultat der Wirtschaftskrise sowie der Herausforderungen durch die Migration bezeichnet.“