Tichys Einblick
Barleys Schwatzhaftigkeit

Hart aber fair: Ein Nachspiel

Hat Frau Barley also alles falsch verstanden, was ihr am Schminktisch erzählt wurde und was sie dann ungebeten sowie ohne Erlaubnis in die Kameras weiterschwätzte?

Screenprint:ARD/hart aber fair

Katarina Barley (SPD), ihres Zeichens geschäftsführende Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erzählte am Montag bei Hart aber Fair zum Thema „Mann, Macht, Missbrauch – was lehrt uns der Fall Wedel?“ Folgendes:

«„Wir waren alle in der Maske eben. Fragen Sie mal die Maskenbildnerinnen. Ich hab die mal gefragt: „Haben sie das, erleben sie das auch?“ „Natürlich erleben wir das.“ Und die eine sagt mir: „Und ich würde am liebstem kurz vor der Rente dem einen noch mal richtig sagen, was er für ein Arsch ist (Entschuldigen sie, wenn ich das im Öffentlich-Rechtlichen so sage,“ merkt Barley an). Darauf sagt die andere: „Bitte nicht, ich muss noch zwei Jahre länger aushalten hier.“ Natürlich gibt es das heute noch.“»

Plasberg antwortet in die Runde: „Recherchen in der Maske von Hart aber Fair.“

Nun war das keine „Recherche“ der Ministerin, sondern viel eher ein Frontalangriff gegen Plasberg. Denn wer sollte gemeint sein, wenn nicht Plasberg selbst? Neben ihm muss ja kein weiterer Mann vom Team in die Maske. Und die zweite Maskenbildnerin wird von Barley zitiert mit den Worten: „länger aushalten hier“, also doch wohl im Studio bei Hart aber Fair.

Hart aber fair: Der Mann auf der Anklagebank
Die Ministerin versuchte also nichts weniger, als in der laufenden Sendung den Moderator in die Ecke zu drücken, in der Dieter Wedel gerade steht. Sie gab damit eine Richtung vor, wie Sexismus-Vorwürfe in Zukunft vorgetragen werden sollen: öffentlich, unvorbereitet, dem Hörensagen nach. Hatte das Zeit-Magazin für seinen Dieter-Wedel-Pranger noch relativ aufwändig staatsanwaltschaftliche Ermittlungsarbeit gespielt, reicht nun schon das Gespräch in der Maske vor der Sendung für den Sexismus-Anwurf vor einem Millionen-Publikum. Oder haben wir etwas falsch verstanden?

Nun ist dieser Barley-Vorstoß in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zunächst einmal wurde hier offenbar das Vertrauen zweier Hart-aber-fair-Maskenbildnerin in die Verschwiegenheit der Ministerin gebrochen  – anschließend mussten beide beim WDR zum Rapport antreten, wie wir gleich erzählen werden. Für die Maskenbildnerinnen sicher ebenso unangenehm wie möglicherweise sogar existenziell gefährlich. Weiter hat Barley als promovierte Juristin, wenn wir sie richtig verstanden haben, so etwas wie üble Nachrede mindestens billigend in Kauf genommen.

Nun haben Produktionsfirma und WDR relativ schnell nach der morgendlichen Veröffentlichung bei Tichys Einblick die Brisanz der ministerialen Aussage verstanden und Gegenmaßnahmen eingeleitet. Im Fall Wedel würde man sicher  von Vertuschungsversuchen sprechen. Jedenfalls erreichte die TE-Redaktion gestern um 17:49 Uhr eine Stellungnahme nebst „Bitte“ des Senders: „Es wäre schön, wenn Sie die Stellungnahme in Ihrem Beitrag berücksichtigen könnten!“ Nun war unser Beitrag schon seit dem Morgen online, bat man uns also tatsächlich darum, den Artikel nachzubessern bzw. eine Anmerkung anzufügen?

Der WDR hatte sich also die beiden Maskenbildnerinnen zur Brust genommen und konnte anschließend folgende Aussage mit aus der Garderobe nehmen: «„Die Maskenbildnerinnen haben erklärt, dass sich ihre Bemerkungen zum Thema Sexismus zu keinem Zeitpunkt auf die Produktion „hartaberfair“ bezogen haben, weder auf die Redaktion, noch auf Gäste oder den Moderator.“»

Burka-Verordnung für Frauen?
#metoo – Männer auf der Anklagebank
Hatte Frau Barley also alles falsch verstanden, was ihr am Schminktisch erzählt wurde und was sie dann ungebeten in die Kameras weiterplauderte? Beide Kolleginnen sollen nach der Email des WDR „freiberuflich tätig“ sein und für „viele verschiedene Auftraggeber“ arbeiten. Der Bösewicht sitzt also woanders, auch wenn Barley die Maskenbildnerin mit den Worten zitiert hatte: „Ich muss noch zwei Jahre länger aushalten HIER.“ Auf welche Auftraggeber und auf welche Produktion sich ihre Schilderung bezog hätte, wollten die beiden Frauen gegenüber dem WDR allerdings nicht sagen, schreibt der WDR. Offensichtlich befürchten beide Repressalien oder Schlimmeres. Hier wird die Dimension der Barley’schen Indiskretion noch einmal besonders deutlich.

Die Redaktion von Hart aber Fair soll dann laut Richtigstellung des WDR gegenüber TE noch einmal mit der schwatzhaften Familienministerin gesprochen haben. Und die soll nun ihren Fauxpas selbst erkannt und gegenüber dem WDR bestätigt haben: «„dass ihre Äußerungen in der betreffenden Sendungen ausdrücklich nicht auf die Produktion von „hartaberfair“ bezogen waren. Sie hatte auch zu keinem Zeitpunkt des Gesprächs den Eindruck, dass die Schilderungen der beiden Frauen auf frühere Situationen in dieser Produktion Bezug nahmen.“»

Was für ein Vorgang! Der WDR trotzt einer geschäftsführenden Bundesministerin die Widerrufung ihres öffentlichen Prangers ab. Eine Ministerin dieterwedelt Frank Plasberg und der WDR dreht anschließend die große Runde, um den Scherbenhaufen zusammenzufegen. Nein, besser kann mal wohl kaum demonstrieren, wie hysterisch, wie selbstgefällig, wie intransparent diese ganze Debatte rund um #metoo, um Weinstein und Wedel mittlerweile geworden ist. Wenn selbst eine Familienministerin, noch dazu als promovierte Juristin sich nicht zu schade ist, nach Hörensagen und offensichtlich auch noch missverständlich, öffentlich prominente Männer anzuprangern, dann hatte die ebenfalls bei Hart aber fair eingeladene Strafrechtlerin Monika Frommel wohl doch recht, als sie in etwa meinte, die Umstände rund um den Fall Wedel hätten uns in unserem Rechtsverständnis 250 Jahre zurückgeworfen in die Zeit der öffentlichen Pranger.