Tichys Einblick
Hart aber fair-Faktencheck:

Rekord-Steuereinnahmen und marode Infrastruktur

Gestern bei hart aber fair: Wie passen Rekord-Steuereinnahmen und eine marode Infrastruktur zusammen? In 75 Minuten ging es gerade einmal 3 Minuten (!) über die Steuerausgaben. Stattdessen wurde beklagt, dass „Besserverdienende“ bei den Bewirtungskosten schummeln und die Blumen für die Frau als Betriebsausgaben absetzen.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Vertreter von SPD und Linkspartei beklagten erwartungsgemäß, dass „die Reichen“ angeblich zu wenig Steuern zahlen (dabei zahlen die 1% der am besten Verdienenden mehr als 20% der Einkommensteuer). Carsten Linnemann von der CDU ging es vor allem um die Abschaffung des Soli. Die Redaktion von HART ABER FAIR brachte Beispiele, die belegen sollen, wie einfach es der Staat den Reichen mache, Steuern zu hinterziehen – indem Selbstständige die Kosten für den Blumenstrauß für die Ehefrau fälschlicherweise als Betriebsausgabe für das Büro absetzen.

Bemerkenswert war jedoch nicht, worüber diskutiert wurde, sondern worüber nicht diskutiert wurde. Die Steuereinnahmen des deutschen Staates sind so hoch wie nie zuvor in der Geschichte. Die Ausgaben des Staates für Zinszahlungen sind aufgrund der Nullzinspolitik der EZB so niedrig wie nie – bei vielen Anleiheemissionen verdient der Staat sogar Geld. Ist es da sinnvoll, darüber zu diskutieren, dass dem Staat GELD FEHLT, weil manche Selbstständige die Kosten für den Blumenstrauß steuerlich geltend machen oder bei den Bewirtungskosten schummeln? Wäre es nicht sinnvoller, zuerst einmal zu fragen, wofür die Rekord-Steuereinnahmen denn ausgegeben werden, wenn das Geld bei der Infrastruktur, der Bildung oder bei der Bundeswehr fehlt?

Beim ARD-„Faktencheck“ wird man nur Dinge finden, über die diskutiert wurde. Ich möchte hier ergänzend einige Fakten benennen, über die nicht diskutiert wurde:

1. Der überbordende Sozialstaat kostet den Steuerzahler allein von 2018 bis 2020 ca. 545.000.000.000 Euro. Der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt in Deutschland liegt inzwischen bei 57 Prozent.

2. Hohe Kosten entstehen vor allem für ideologische Ziele wie die „Klimawende“. Schon vor Jahren hatte der damalige Umweltminister Peter Altmaier die Kosten auf ca. 1 Billion (!) Euro veranschlagt. Das war deutlich zu wenig, wie wir heute wissen. Die ideologisch motivierte „Energiewende“ wird uns bis 2050 nach Schätzungen 2.300.000.000.000 Euro kosten.

3. Die Kosten der Zuwanderung betragen nach offiziellen – zurückhaltenden – Schätzungen bis zum Jahr 2022 mindestens 78.000.000.000 Euro:
Auf etwa 900.000.000.000 Euro schätzt der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen die langfristigen Kosten von Merkels Flüchtlingspolitik.

4. Die Euro-Rettung kostete riesige Beträge und birgt noch viel größere Kostenrisiken in der Zukunft. Größter Einzelzahler von den 273.000.000.000 für die Griechenlandrettung war Deutschland.

Das Geld für die Griechenlandrettung ist weg – im Bundeshaushalt tauchen jedoch nur die Einnahmen aus Zinszahlungen der Griechen auf, so dass es so aussieht, als ob wir an der Griechenlandrettung verdienen (!) würden. Das wäre so, wie wenn ich einem hoffnungslos überschuldeten Menschen, bei dem die Aussichten auf Rückzahlung des „Kredites“ Null sind, 1000 Euro „leihe“ (die er erst in einigen Jahrzehnten – angeblich – zurückzahlen muss) und mich dann reichrechne, indem ich nur die 20 Euro Zinszahlungen bilanziere, die ich jährlich von ihm bekomme.
Hinzu kommt: Der deutsche Target-Saldo beträgt inzwischen mehr als 814.000.000.000 Euro. Das sind potenzielle Kosten, die heute im Bundeshaushalt gar nicht auftauchen, die aber langfristig ein erhebliches Risiko darstellen.

Zur Beantwortung der Leitfrage der Sendung, nämlich warum trotz historisch hoher Steuereinnahmen die Infrastruktur zerfällt, wäre es wichtig gewesen, darüber zu diskutieren, wofür das Geld denn heute ausgegeben wird. Traurig ist die Besprechung der Sendung in der WELT: Der WELT-Redakteur hätte es gerne gehabt, dass noch mehr darüber diskutiert worden wäre, wie man die Steuereinnahmen steigern könnte. Dem WELT-Journalisten fällt kritisch zu der Sendung nur ein, dass zu wenig über die Steuermoral internationaler Großkonzerne gesprochen wurde.