Tichys Einblick
Montagsleiden in der ARD

Hart aber Fair – Manchmal verspeist Dich der Bär

„Einer von diesen Tagen … was, Dude?“ So ratlos, wie The Big Lebowski (Jeff Bridges) bei dieser Frage in die Erdnüsse greift, so ratlos schaut man montags aus der Wäsche, wenn die ARD läuft. Exakt so. Hart aber Fair – wieder eine dieser Sendungen. Und wir haben nicht mal Nüsse. Von Michael Plog

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Die eigentliche Frage des Abends wird leider nicht gestellt. Sie lautet: Wer gibt uns unsere Lebenszeit zurück? Eine Stunde Hart aber Fair – vertan und vergeudet. Jede Steuererklärung macht mehr Spaß. Oder halt, ist das am Ende für irgendetwas gut? Wird das Leiden dereinst vor der Himmelspforte für irgendwelche Missetaten angerechnet? Kann der Zuschauer damit ein paar Kompensationspunkte auf sein Karma-Konto schaufeln? Muss so sein, anders geht es nicht. Nach dem Motto: Okay, Du hast damals Louis Klamroth ertragen. Der Seitensprung mit der Kleinen aus der Buchhaltung sei Dir vergeben. Aber für die Katze im Wäschetrockner hättest Du Maischberger gucken müssen.

Es geht um die Arbeit an diesem Abend und um die vermaledeite Situation, warum immer mehr Leute ins „Bürgergeld“ gehen, statt für ein paar Mäuse mehr zu rackern. Der Grund ist schnell erklärt, und er wird in einer Beispielrechnung deutlich: Wer zum Mindestlohn arbeitet, bekommt pro Stunde de facto nur 2,48 Euro. Denn jemand, der nichts tut, auf der faulen Haut liegt und die Sonne genießt, bekommt fast das gleiche Geld. Und kann darüber philosophieren, ob man die Sonne überhaupt noch genießen darf. Von wegen Klimawandel und so. Anderes Thema.

Orakel Arbeitslosenzahl
Die ungeschönte Zahl der Empfänger von staatlichem Geld
Lohnabstand zu gering – vielleicht mal die Steuern senken. Thema  erledigt, könnte man meinen. Aber nein, die Halbrunde bei Luisas blassem Rotschopf bringt es fertig, eine volle Stunde um diesen Brei herumzureden, ihn von allen Seiten zu beleuchten, mehrfach gern, ihn durchzurühren, zu kneten und zu zerkauen. Und am Ende weiß der Zuschauer, dass er exakt nichts weiß. Jedenfalls hat er nichts Neues erfahren.

Das liegt vor allem an den üblichen „Unstoppable Talking Machines“, die sich so gern selbst zuhören, dass es eigentlich gar keine Zuschauer bräuchte (es soll Leute geben, die kaufen tatsächlich Karten für diese Sendung, um dann im Studio als Klatschvieh verheizt zu werden, unglaublich, was?). Hubertus Heil etwa, der offizielle Arbeits- und heimliche Einigkeitsminister. In unendlichen Phrasenpirouetten sucht er auch an diesem Abend stets nach dem, „worüber wir uns hier doch hoffentlich alle einig sind“. Oder Michael Hüther. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) faselt auch dann noch unbeirrt weiter, wenn Klamroth schon längst drei, vier neue Sätze versucht hat.

Die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner steht ihm in nichts nach. Sätze wie „Arbeit ist immer mehr als nur das Einkommen“ gehören bei ihr schon zu den Highlights. Auch Ronja Ebeling erweist sich, hat sie erst einmal das Wort, als Dauerläufer:in:nen:öse. Die Dame, mal als Unternehmensberaterin, mal als Autorin tituliert, ist die Talkshow-Coverversion des Queen-Songs „Don’t Stop Me Now“. Nur weniger hitverdächtig. Aber vielleicht muss sie. Sie hat schließlich ein Buch geschrieben. Über die neue Faulheit der jungen Arbeitnehmenden:in:nen:ösen und warum das alles ganz toll ist (sinngemäß).

Dann ist da noch der Mann aus dem Volk: Hendrik Ambrus, Dachdecker, 34 Mitarbeiter. Er kommt leider nur selten zu Wort, aber das ist schließlich auch nicht seine Aufgabe. It’s a Feigenblatt, Stupid! Dass das Bürgergeld nächstes Jahr noch einmal um satte zwölf Prozent erhöht wird (auf dann 563 Euro pro Monat) will ihm nicht in den Kopf. „Die arbeitende Bevölkerung kommt sich irgendwie veräppelt vor“, sagt er.

Doch es gibt auch lustige Momente an diesem Abend. Etwa das Wichtigkeitswetteifern zwischen Hüther und Heil, die sich gegenseitig mit der Zahl ihrer Untergebenen zu übertrumpfen versuchen. Hüther prahlt, er arbeite manchmal mehr als sechs Tage, aber er habe „schließlich auch Verantwortung für 400 Beschäftigte“. Heil hakt ein: „Ich habe 83 Millionen Deutsche, ich kenn’ das.“ Hüther haltlos: „Aber die sind ja nicht alle bei Ihnen beschäftigt.“ Heil haucht: „Ja, das stimmt, das sind nur 1.500.“

Grüne Milliardenwolkenschlösser
Habecks neue Pläne zur staatsgelenkten Wirtschaft
Leidlich unterhaltsam auch ein weiteres Geplänkel der beiden. Heil, unterwegs auf einer der für ihn typischen Lobhudelei-Litaneien für den Menschen, den Bürger im Allgemeinen und den Wähler im Speziellen, dieser Heil also lobt die Deutschen: Sie seien „kein faules Volk“, ganz im Gegenteil: Sie würden heute „2,3 Millionen Stunden mehr als vor zehn Jahren“ leisten. Hüther wirft ein: „Nicht pro Kopf, ne?“ Er meint es nicht als Witz. Und Heil, ebenso todernst: „Nein, nicht pro Kopf. Kein Mensch kann 2,3 Milliarden Arbeitsstunden …“ Der Zuschauer lernt ganz nebenbei: Es geht an diesem Abend nicht um Fakten, nicht um Problemlösungen, es geht nicht um die Inflation, die ausufernden Steuern und Abgaben, die sich anscheinend immer weiter zuziehende Schlinge am Hals des Durchschnittsdeutschen. Es geht nicht einmal um korrekte Maßeinheiten. Waren es 2,3 Millionen? Oder 2,3 Milliarden? Egal!

Labern um des Laberns willen. Darum geht es. Und Klamroth lässt es wie immer geschehen.

Nicht unerwähnt lassen wollen wir einen kleinen Klamroth-Leuchtmoment: Als sich IW-Chef Hüther einmal wieder ums Verrecken nicht stoppen lässt, sagt der Moderator: „Herr Hüther, den Punkt haben Sie schon gemacht, das wurde verstanden.“ Hüther antwortet patzig: „Nein, das wurde nicht verstanden!“ Und Klamroth ganz ruhig: „Ich glaube, die haben das verstanden, die stimmen Ihnen nur nicht zu.“ Man ist ja schon mit ganz wenig zufrieden beim kleinen Louis.

Die Krönung aber kommt noch: eine eingespielte Umfrage. Die ARD ging tatsächlich los und fragte Leute da draußen, ob sie es gut fänden, wenn sie weniger arbeiten, aber das gleiche Geld bekommen würden. Überraschung: Die meisten – 73 Prozent – fänden das gut. Eine Frage bleibt leider unbeantwortet: Was ist bei den restlichen 27 Prozent schiefgelaufen? Ihre Gebühren bei der Arbeit …

Wie sagt der alte Mann bei „The Big Lebowski“ an der Bar so treffend: „Manchmal verspeist man den Bären. Und manchmal wird man eben vom Bären verspeist. Aber sag mir eins, Dude. Musst Du eigentlich immer soviel fluchen?“ Und der Dude antwortet: Was’n das für ‘ne bekackte Frage?“

Sie verstehen: Einer dieser Tage …

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