Tichys Einblick
Überschwemmungen in der Emilia-Romagna

Grüne instrumentalisieren die Flutkatastrophe in Italien, um von der Agora-Affäre abzulenken

Grüne und Medien versuchen, die Überschwemmungen in Italien politisch zu instrumentalisieren. Gegen Hochwasser hilft nur die Wärmewende. Das ist keine bloße Behauptung. Die Grünen haben das zynische Spiel vorher angekündigt.

IMAGO / Bernd März

Früher beließ man es nördlich der Alpen dabei, die Italiener politisch zu belehren. Doch das reicht heute nicht mehr aus. Klimatologisch Bewegte schauen gebannt auf den Pegelstand des Gardasees, als handelte es sich um das Planschbecken im Garten. Bereits im Frühjahr stürzten sich Medien auf den vermeintlich niedrigen Wasserstand und sahen auch im Nachhinein keinen Korrekturbedarf, als dieser sich nach Recherchen als deutlich normaler herausstellte als berichtet.

Ideologie hat den Vorteil, dass man sowohl ein leeres Glas Wasser als auch ein volles Glas Wasser für die eigene Politik instrumentalisieren und dieses als Ausweis der richtigen Gesinnung ausgeben kann. Heißt: Egal ob Dürre oder Gewitter, ob hoher Wasserstand oder niedriger Wasserstand – es ist schlicht egal, ob der Gardasee niedrigen Pegel hat oder Venedig mal wieder „in den Fluten“ versinkt, alles ist Klima, alles ist Fingerzeig des Klimagottes.

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Die Flutung der Öffentlichkeit mit Produkten des grünen Apparats
Dass eine solche Vereinnahmung jeder Wetterlage der Seriosität der Klimabewegung abträglich ist, haben selbst sympathisierende Meteorologen vorgebracht; doch ein im Kern magisches, nicht wissenschaftliches Weltverständnis kann man schlicht nicht davon abbringen, jedem Pendelschwung eine tiefe historische Bedeutung zuzumessen. Korrelation und Kausalität sind zweitrangig.

Das erlebt insbesondere die politische Berichterstattung in Deutschland seit der Katastrophe von Fukushima, die eine Naturkatastrophe war, keine Nuklearkatastrophe – und dennoch wird immer wieder von interessierten grünen Kreisen die Mär gestreut, es seien 10.000 Menschen bei einem Reaktorunglück umgekommen und nicht in etwa infolge eines Seebebens. Die sich als Menschenfreunde stilisierenden Grünen verbreiten zynisch ihre Botschaft – auf dem Rücken von Toten.

Dass es eine außergewöhnliche Flutkatastrophe insbesondere in der Region Emilia-Romagna gegeben hat, steht außer Frage. Nun ist allerdings die Emilia-Romagna auch für eine andere Sache berühmt: nämlich den Dorfpfarrer Don Camillo und den kommunistischen Bürgermeister Peppone aus ihrem kleinen Dorf am großen Fluss. Der ewige Regen und die Überschwemmung sind ein Schlüsselpunkt des zweiten Films „Don Camillos Rückkehr“. Dort bleibt der Pfarrer in Brescello zurück und wendet sich aus der überfluteten Kirche an seine geflüchteten Bewohner per Lautsprecher. Dabei beginnt Don Camillo mit den Worten: Es ist nicht das erste Mal, dass der Fluss in unsere Häuser eindringt.

Überschwemmungen an den Hängen des Apennins sind daher nichts Ungewöhnliches. Sie traten in den vergangenen Jahrzehnten auch in Ligurien, der Toskana und den Marchen auf. Das kann man alles im großen Klimakonzert verorten. Dass aber Italien historisch insbesondere in der Emilia-Romagna eine Vorgeschichte großer fluvialer Umwälzungen prägt, und massive Ackerlandflächen in den Jahrhunderten den Sumpflandschaften und Feuchtgebieten abgewonnen worden sind, gehört zur selben Wahrheit. Ferrara und sein Umland etwa lagen noch in der Renaissance in einer ausgebreiteten Fluss-, See- und Sumpflandschaft, die in frühneuzeitlichen Karten fortlebt.

Den Po mit seinen Ausläufen und Bassins hat man begradigt; dabei fanden die großen Überschwemmungen, die die Po-Ebene verheerten, nicht in der Neuzeit statt, sondern am Ausgang der Antike und im Mittelalter. Bei der „Rotta della Cucca“ im 6. Jahrhundert wurde durch eine massive Überschwemmung das gesamte Wassersystem des unteren Venetiens verändert: Die Etsch, die früher durch Este floss, fließt seitdem weiter südlich, was auch zu einer Veränderung zahlreicher Einmündungen anderer Flüsse führte. Der Mincio, der früher vom Gardasee direkt in die Adria floss, fließt seitdem südlich Mantuas in den Po. Mit der „Rotta di Pinzone“ im 10. Jahrhundert und der „Rotta di Ficarolo“ gab es ähnliche Ereignisse, bei der massive Überschwemmungen das Flusssystem Norditaliens veränderten. Sie dürften als deutlich drastischer gelten als das, was wir in den letzten hundert Jahren erlebt haben.

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Don Camillo und Peppone - immer noch aktuell
Komplizierte Geschichten wie diese seien vorangestellt, weil nicht etwa die Kritiker des Klima-Narrativs bei der Überschwemmung in Italien, sondern ihre Verteidiger die wahren Simplifizierer sind, die mit der „komplexen Welt“ überfordert sind. Es ist deutlich einfacher, für jedes Problem eine monokausale Erklärung anzuführen und das Thema damit totzuschreien, statt sich um eine tiefgründige Erklärung zu bemühen. Bereits das Wort „Klimawandel“ ist im Grunde eine banale Bewertung, denn es hat kaum einen historischen Zeitpunkt gegeben, an dem ein Klima sich nicht über Zeit gewandelt hätte. Dass klimatische Veränderungen zu Überschwemmungen führen, ist also nicht ausgeschlossen; das war womöglich auch der Fall in Spätantike und Mittelalter.

Eine völlig andere Sache ist es jedoch, eine Katastrophe für niedere politische Absichten zu brauchen. In Italien hält die Diskussion durchaus an, ob nicht vielmehr lokale Entscheidungen, wie die Vernachlässigung von Dämmen und Regenauffangbecken bzw. erweiterte Bassins für Flüsse eine entscheidendere Rolle spielten als das Unwetter selbst. In Deutschland finden solche Überlegungen erst gar nicht statt. Hier springen Journalisten und Politiker auf einen fahrenden Zug auf. Insbesondere bei grünen Politikern hat man den Eindruck: nicht zuletzt aufgrund der gerade stattfindenden Affäre Graichen.

Das mag man als böswillige Unterstellung abtun. Doch genau das haben die Grünen angekündigt. Die FAZ berichtet, die Grünen zeigten sich zuversichtlich, dass das mediale und politische Geschäft schnelllebig sei. Da werde diese Krise „schnell vergessen“ sein. Eine Stimme aus der Partei meint sogar: „Wer weiß, was passiert, wenn im Sommer die Wälder brennen?“ Hoffnung auf den Schaden anderer Leute, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Zynischer geht es nicht mehr, doch man hat sich an diesen grünen Wahlkampf gewöhnt.

Es gibt ihn also: den Beleg, dass man bei den grünen Strategen genau auf eine solche Wende gehofft hat, um das Agora-Netzwerk, den Graichen-Clan und die Vorteilnahme vergessen zu machen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag Andreas Audretsch verliert keine Zeit: Er teilt gegen Oppositionspolitikerin Julia Klöckner aus, weil das Gesetz für erneuerbare Wärme gegen wissenschaftliche Berechnungen verstoße und führt die Flut in Italien als Gegenbeleg an. Was für ein Gegenbeleg das sein soll, da es noch gar keine Studie für die Ursachen der Katastrophe geben kann, bleibt im Dunkeln. Allein das Bauchgefühl entscheidet.

In dasselbe Horn stößt Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Man müsse „Jetzt“ handeln. Gemeint sind nicht Spenden, Fluthilfen und die Entsendung von Katastrophengerät. Nein, die Quintessenz lautet: „Die #Klimakrise betrifft uns alle. Sie wird für uns alle spürbar sein. Deshalb müssen wir handeln. Jetzt. Und deshalb ist es so falsch, wenn behauptet wird #Klimaschutz sei überbewertet. Im Gegenteil. Der Ausbau der Erneuerbaren, die Energieeffizienz & #Wärmewende sind notwenig.“

Wieder steht vor allem eines im Mittelpunkt: die Wärmewende, also das Graichen-Vermächtnis. Man könnte das als Zenit einer zynischen Instrumentalisierung von Flutopfern zugunsten eines Lobby-Projektes nennen. Doch wie so oft steht Katrin Göring-Eckhardt an vorderster Stelle. „Alle, die finden, man könnte noch ein bisschen warten mit Klimamaßnahmen wie zB #CO2freiHeizen sollten in unser Nachbarland #Italien schauen. Europäische Opfer der #Klimakatastrophe. Wir haben keine Zeit mehr.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Man muss jetzt Wärmepumpen in Deutschland bauen, um damit Überflutungen in Italien zu verhindern. Graichens Heizungsplan war richtig, denn in Italien brechen bereits die Dämme. Mit derselben Logik könnte man in Deutschland ein Tempo-Limit zur CO2-Einsparung einführen – mit dem Schönheitsfehler, dass das in Italien (Limit 130) auch nicht weitergeführt hat. Die Botschaft changiert zwischen billigem Wahlkampfmanöver und einem Opfer, um den Klimagott zu versöhnen. Da war Don Camillo weiter.

Mediale Hilfe kommt vom Spiegel. Mit der Flut in Italien, so Autorin Susanne Götze, kämen einige Politiker aus der Komfortzone. Nicht etwa die kommunalen Regierungen, die möglicherweise beim Überschwemmungsschutz versagt haben, stehen im Visier, sondern ausgerechnet die „rechstextremen“ Fratelli d’Italia, die sich so häufig gegen Klimaschutz gesperrt hätten. Was Götze unterschlägt: Bis zu Giorgia Melonis Wahlsieg hat diese Partei kaum eine Rolle gespielt. Das letzte Jahrzehnt haben durchweg linke Regierungen in Rom regiert – sieht man vom kurzen M5S-Lega-Intermezzo ab. An deren Spitze stand derselbe linke Partito Democratico, der in der Emilia-Romagna Kommunal- und Regionalregierung stellt. Aber egal: Die bösen Rechten, die seit September regieren, sind nun mitschuldig.

Agora-Netzwerk in den Bundesministerien
Graichen ist weg – was jetzt passieren muss
An diesem Beispiel sieht man bereits, wie sehr die Berichterstattung die Fakten verdrehen muss, um das Offensichtliche nicht allzu laut herauszuposaunen. Man bedient dasselbe Geschäft der Linken wie in Italien – wenn auch deutlich erfolgreicher. Denn in Italien kommt die Linke nicht ansatzweise so einfach davon, alles auf den Klimawandel zu schieben. Dafür hat sie zu lange auf allen Ebenen regiert. Die Ausflüchte in das Klimawandel-Narrativ gelten damit als Bankrott-Erklärung: Denn entweder hat die Linke dann am Klimaschutz gespart oder will ihre Verantwortung für den Hochwasserschutz übertünchen. In Italien besteht – anders als in Deutschland – eine viel größere Diskussion darüber, ob beim Katastrophenschutz gespart oder bei der Zubetonierung von Naturlandschaften übertrieben wurde.

Beispielhaft zeigt sich dieser Misserfolg beim Streitgespräch zwischen dem Bürgermeister von Pesaro, Matteo Ricci, und dem Journalisten Giuseppe Cruciani. Als Ricci die Schuld auf den Klimawandel abwälzen will, fragt Cruciani provokant immer wieder nach: An allem also sei das Klima schuld? Man muss kein Italienisch verstehen, um die aufgeheizte Stimmung zwischen den beiden Männern und im Publikum zu verstehen, denn Cruciani wirft Ricci vor, dass bei Katatsrophen die Opposition immer zuerst die Regierung für ihr Versagen angreift – wie etwa in der Covid-19-Krise –, man nun aber alles auf höhere Kräfte zurückführen will, um sich aus der eigenen Verantwortung zu stehlen. Wie man mit den Göring-Eckhardts in Italien umgeht, können Sie ab 0:59 nachvollziehen.

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