Tichys Einblick
Holger Steltzner scheidet aus

FAZ: Kurswechsel nach Berlin

Der Herausgeber des Wirtschaftsteils der FAZ, Holger Steltzner, scheidet aus dem vierköpfigen Herausgebergremium aus. Offensichtlich soll auch der kritische Wirtschaftsteil gleichgerichtet werden. Er war die letzte Säule des klassischen Wirtschaftsliberalismus.

imago/Reiner Zensen

Es ist eine dürre Nachricht, aber sie ist erschütternd: „Holger Steltzner ist aus dem Kreis der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausgeschieden. Die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern war nicht mehr gegeben. Steltzner war seit 2002 für den Wirtschafts- und den Sportteil zuständig.“

Holger Steltzner ist der wohl einflussreichste konservative Journalist, den Deutschland noch hat. Schon seit 2015 zerreisst eine tiefe Kluft die FAZ: Das Feuilleton wirkt wie die Spielweise altgewordener Schülerzeitungsredakteure, die mal kurz auf Revolution machen, wenn sie nicht am Freitagnachmittag mit Greta Thunberg protestieren und sich dabei ganz jung vorkommen. Unter Frank Schirrmacher hatte dieser Trend begonnen, allerdings hatte es genialische Züge, die die Schwäche in der Argumentation überdeckten. Jetzt ist es nur noch bemüht; Jürgen Kaube, der Nachfolger, spielt mit dem Sand in Schirrmachers Schuhen. Der politische Teil feiert Angela Merkel und jeden ihrer Winkelzüge. Gelegentlich darf Jasper von Altenbockum einen klugen Kommentar schreiben, den er zwei Tage später relativieren muss. Seine Vorwitzigkeit wird immer scheuer, die Furchen immer sichtbarer. Es ist nicht leicht, eine anspruchsvolle Leserschaft mit dem gemischten Allerlei zu verköstigen, das aus der Kanzleramtskantine halbwarm angeliefert wird. Aber verdienstvoll.

So ist es kein Zufall, dass der Herausgeber dieses politischen Teils, Berthold Kohler am Montag durch die Redaktionsstuben zog, um den Rauswurf von Holger Steltzner zu verkünden – ohne etwas zu sagen.

Denn es war ein Rauswurf, so viel klingt zwischen den Zeilen durch. „Das wäre ja mal ganz was Neues, dass die @faznet den wahren Grund nennt, wenn sie einen Herausgeber feuert“, witzelt Hugo Müller-Vogg mit Galgenhumor bei twitter; auch er war einst ähnlich trocken aus den heiligen Hallen mit dem bröckelnden Putz und dem herabfallenden Stuck als Herausgeber entfernt worden.

In Steltzners Teil war die Welt noch in Ordnung. Hier darf Heike Göbel die Wirtschaftspolitik kritisieren, die Energiewende wird kritisch beleuchtet. Wenn Kohler EU-Europa feiern lässt, zählt Steltzner die Kosten und addiert die Spesen. Während vorne die Politik mit Lob über Subventionen für die nationale deutsche soziale Staatsbatterie überquillt, denkt der Wirtschaftsteil darüber nach, woher der Strom kommen soll. Gerald Braunberger schaut auf Unternehmen; kritisch aber ohne grünen, anitkapitalistischen Schaum. Seine Analyse gescheiterter Bankfusionen stört die Kreise der Berliner Champion-Züchter.

Oder der Finanzteil stellt die Frage, ob zwei Geldvernichtungsmaschinen wie die Commerzbank und die Deutsche Bank gemeinsam zu Dukateneseln mutieren, wenn die Horrorbrothers Altmaier und Scholz sie kreuzen. Nicht einmal von Schülerstreiks ist der Wirtschaftsteil angetan. Nüchtern und faktenreich wird die Wirtschaft abgebildet; es ist ein informativer Teil. Nur geringfügig übertrieben: Steltzners Teil ist die Börsenzeitung in groß, der Politikteil ähnelt in seinem Bemühen um Streicheleinheiten aus dem Kanzleramt längst dem Neuen Deutschland Honeckers und das Feuilleton geht mit der Titanic unter: Bemüht witzig, bloß es lacht keiner über die Schmutzeleien, die als Kulturgut missverstanden werden.

Das ist an sich nicht ganz neu: Vor Einführung des Euros kämpfte der Wirtschaftsteil der FAZ unter Hans Barbier als Redaktionsleiter und Jürgen Jeske als Herausgeber gegen die Zerstörung der Mark, während die Politik damals schon Helmut Kohl huldigte, wenn auch nicht ganz so untertänig. Bekanntlich hat die Politik sich durchgesetzt, die Wirtschaft verloren.

Das war damals gar nicht mal schlecht; zwei Blickweisen sind ja nie verkehrt. Eingebauter Widerspruch macht Medien wertvoll. Aber heute gilt ja eine subtil erzwungene, meist allerdings freiwillig befolgte, alternativlose Gleichschaltung. Man spürt, dass Steltzner lästig geworden war. Immer diese Meckerei aus Frankfurt; warum nicht so lieb sein wie die Süddeutsche Zeitung aus und mit dem Weitblick eines Prantlhausener Anzeigers. Immer diese Nörgelei, immer dieses Studieren von Ludwig Erhard im Original und nicht in der verseichten Form einer Sahra Wagenknecht. Dafür hat Steltzner den Ludwig-Erhard-Preis erhalten, und zu Recht. In seiner Dankesrede hat er gezeigt, wie die in den 50er-Jahren fast bankrotte FAZ durch das Engagement von Mittelständlern vor dem Ruin und Ludwig Erhard und seine Politik vor dem Untergang gerettet wurden. Marktwirtschaft braucht Kämpfer. Steltzner ist einer, der den Wohlstand für Alle nicht verdaddeln will.

Steltzner ist ein kluger Mann, nie belehrend, aber klar. Er ist eckig, aber bekanntlich ist everybodys darling jedermanns Rindvieh. Er war loyal zu allen Mitarbeitern der FAZ, auch wenn er ihre Denkweise für falsch hielt und gegensätzliche Positionen vertrat; insofern ein letzter Vertreter des Korpsgeistes, der früher dort vorherrschend war. Wenn sich Redaktionen auseinander dividieren lassen, fallen sie auseinander oder müssen klein beigeben. Das wollte er nicht, ihm fehlte die Gefälligkeit, mit der sein Gegenspieler Kohler die Spielfiguren verknüpfte.

Es ist schade um die FAZ.

Es passt zum Tag, dass uns heute das Handelsblatt 200 Euro schenken will, wenn wir es abonnieren und die Wirtschaftswoche 250 bietet, wenn ich sie lesen wollte. Früher zahlten Leser für Zeitungen, heute zahlen die Verlage für Leser.

Das ist der Zustand der Wirtschaftspresse heute.

Was bietet mir jetzt die FAZ?