Tichys Einblick
ANNE WILL - Nach dem TV-Quiz

Erst zweimal Falscher Hase. Und zum Nachtisch Anne Will.

Hochgejubelt wie ein Klitschko-Kampf wurde das Wahlduell. Gesehen haben wir zwei Quizkandidaten und vier Fragesteller mit den Händen an der Hosennaht. Anne Will versuchte danach auf einer Glatze Locken zu drehen.

Screenprint: ARD/Anne Will

Das war ein nettes Wiedersehen mit alten Bekannten. Wir freuen uns, sagen zu können, dass Franz „der alte Holzmichel“ Müntefering noch gut in Schuss ist. Und dass Thea Gottschalk ihrem Thomas diesmal einen dezenten Anzug herausgelegt hat. Unrasiert, und fern der neuen Heimat, gab sich Baron Auf-und-davon-und-vielleicht-bald-wieder-zurück-Guttenberg die Ehre. Der Franz und der Baron standen proporzmäßig für die Kandidaten. Münte glaubt, dass „Schulz noch eine Schangs“ hat. Der Baron fand hingegen, dass Schulz an den Gummiwänden von Merkels Erfahrung abgeprallt sei. Thomas Gottschalk war stellvertretend für uns, die Wähler, geladen. Er war das Volk. Und weil beim vorherigen Quiz leider keine Punkte vergeben wurden, war es wichtig zu wissen, was „wir“ so denken.

Das Volk hatte gehofft, nach dem Duell schlauer zu sein. Und, Thomas? Nein. Wir würden wetten, dass der gute Gottschalk beim Duell schnell den Faden verloren hatte. Er drückte das so aus: „Merkel ist wie früher der Physiklehrer. Man weiß, der weiß alles. Irgendwann passt man nicht mehr auf, dann lässt man ihn einfach weiterreden. Wird schon stimmen.“

Die ARD hatte mehr als 1.000 Zuschauer während der Sendung von 228 Telefonistinnen (oder so ähnlich) befragen lassen, wie sie die Kandidaten beurteilten. Zur Halbzeit hielten nur 18% Schulz für kompetenter, 26% für glaubwürdiger und 26% für sympathischer. Ein mittleres Desaster. Sagte aber natürlich keiner. Gottschalk stellte wenigstens die dazu passende Frage: „Kann es sein, dass der Schulz vom Gabriel die Dornenkrone übernommen hat?“

Wo wir schon im Religiösen sind: „Waren Sie heute in der Kirche?“ wollte einer der vier Fragesteller beim Duell von den Kandidaten wissen. Da verging eine Schrecksekunde bei Pfarrerstocher Merkel und dem gelerntem Messdiener Schulz. Beide schummelten sich schnell durch die Hintertür. Er behauptete, in einer Kapelle zur Andacht gewesen zu sein, und Merkel gedachte des Todestages ihres Vaters. Im amerikanischen Wahlkampf hätte so eine Frage alles entschieden. In den USA wäre hinter jedem Kandidaten übrigens auch die Staatsflagge zu sehen gewesen – man will schließlich wissen, um was es geht. Bei den Zweien fehlte jeder Hinweis, wo überhaupt gewählt wird. Templin? Goslar? Würselen? Und was? Der König von Europa? Inhaltlich ging es hauptsächlich um Europa, äh, nur die EU. Eigentlich wollen beide, wenn überhaupt irgendwas, alles mit den europäischen Nachbarn machen (außer Steuern erhöhen, Immigranten aufnehmen, Rentenalter raufsetzen natürlich).

Christiane Hoffmann arbeitet eigentlich beim Spiegel (Slogan: Mut zur Wahrheit, auch wenn sie nicht stimmt), brachte aber dennoch das Ergebnis des Duells auf den Punkt: Schulz hatte eine große Chance, die er nicht nutzen konnte. Obwohl er als Mann emotionaler war als Merkel. Was meint sie damit? Seinen pathetischen Anfall, als er mit feuchten Augen von ertrinkenden Müttern und Kindern sprach? Das klang doch eher nach einem Spendensammler für Misereor als nach einem Staatsmann.

Dabei war doch alles geübt worden, wie Sandra Maischberger, die auch noch schnell ‘rübergehuscht kam, erzählte. Es gab ein Briefing und Tests. Also, nicht, dass Sie das jetzt falsch verstehen. „Die Fragen haben wir uns selber ausgedacht!“ (Komisch, dass sich Kandidat Schulz beim Duell immer für die Fragen bedankte.)

„Warum sind Sie eigentlich hier?“ fragte Will dann aus heiterem Himmel den Baron. Der: „Sie haben mich doch eingeladen.“ Das war jetzt kein Verstoß gegen die höfische Etikette, sondern der journalistische Versuch mittels Überraschung einen Scoop zu landen. Etwa ‘Guttenberg neuer Irgendwas bei der CSU‘. Aber da fiel der Blaublütige natürlich nicht drauf rein. „Ich stehe nicht zur Wahl. Da werden viele auch sagen Gott sei Dank! Mich sehen Sie Ende September wieder in den USA.“ Da wollen wir ihm mal glauben. Und danken.

Der Gerechtigkeit halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass Münte sich weniger Weltpolitik („da packt Merkel ihr Wissen aus“), dafür mehr Gerechtigkeits-Themen gewünscht hätte. Wobei uns der Schulz-Satz zu den kaum stattfindenden Abschiebungen längst abgelehnter Asylbewerber unter den Nägeln brennt. Da will er „die Einzelfälle prüfen lassen“. Also nach Einzelfallprüfungen Ausreisepflichtiger will er zur Abschiebung noch mal einzelfallprüfen? Wie sagte Münte an anderer Stelle so schön: „Es ist nicht alles aus Verzweiflung, was wir machen.“

Überhaupt Münte. Der kommt aus einer Zeit, als Bundestagsdebatten noch eine Rolle spielten in der Republik vor Merkel. Und er sorgte sich, was wohl aus dem Bundestag in 10 Jahren würde.

Dann gab die ARD das Endergebnis ihrer Umfrage bekannt: Gesamtsieger nach Prozenten ist Merkel mit 55% Zustimmung (Schulz 35%). Oder, wie Gottschalk formulierte „Sie kann es, er vielleicht auch.“ Aber, seien wir ehrlich – alles eine Frage der Wahrnehmung. Vorsorglich hatte die SPD ihre Einschätzung des Wahlduells herausgegeben – und zwar Stunden bevor das Duell überhaupt stattgefunden hatte: „Merkel verliert klar gegen Martin Schulz.“

P.S.: Interessanterweise will die Spiegel-Redakteurin herausgefunden haben, dass ein Wahlsieg Merkels am 24. September fragiler sei, als man denkt. In Sendungen wie diesen würde kaum widergespiegelt, wie stark die Wechselstimmung wirklich sei. Nur wäre Schulz da nicht die Alternative.