Tichys Einblick
Vernünftige Bürger

Ernährungsreport 2019 erschreckt Foodwatch

Bürger, die sich zutrauen, zumindest noch in der heimischen Küche ohne gesetzliche Vorgaben agieren zu können, sind für Foodwatch auf einem fatalen Weg. Wer will für die angeblichen Essensretter Spendengelder überweisen, wenn doch eigentlich nichts zu retten ist?

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Die Bundesbürger sind orientierungslos, fehlernährt, adipös, durch eine boshafte Industrie manipuliert und stehen offenbar dank eines genussvollen Lebens am Abgrund zum Siechtum. Es ist beeindruckend, was die Leute sich in einer irrwitzigen Diskussion über Ernährung und Gesundheit bieten lassen.

La dolce Vita? Genau das soll ihnen ausgetrieben werden. Der aktuelle Ernährungsreport 2019, der auf repräsentativer Basis ein geradezu vorbildliches Ernährungsbewusstsein und Ernährungsverhalten der Bürger skizziert, provoziert das Protestgeheul derjenigen, die uns unmündig und krank reden wollen. Sie sehen ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet. Also darf nicht stimmen, was die Leute in diesem Land meinen und tun. Bei der Verdrehung der Realität gibt es zunehmend weniger Hemmungen. Im SPIEGEL vom 11.1.2020 werden Kekse mit Kokain verglichen. Sogar die Sinnhaftigkeit der Evolution wird in Frage gestellt. Die wöchentliche ZEIT möchte ein Volk von Junkies verhindern und baut argumentativ vor, um Grenzwerte für Muttermilch oder gar das Stillverbot zu fordern.

Die Deutschen achten zunehmend auf abwechslungsreiche Ernährung. Sie kaufen und essen bewusster. Der gute Geschmack führt die Prioritätenliste mit 99 Prozent vor dem gesundheitlichen Wert des Essens bei 91 Prozent der Befragten an. Zucker und Fette sollen aus Sicht der Verbraucher maßvoll eingesetzt werden. 84 Prozent legen Wert auf Angaben zu Inhalts- und Zusatzstoffen. Obst und Gemüse werden nach Angaben der Verbraucher von 71 Prozent täglich verzehrt. Dagegen essen nur 23 Prozent täglich Süßes oder Knabbereien. Der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorgelegte repräsentative Report zeigt ein gut ausgeprägtes Bewusstsein der Bürger, auf ihre Gesundheit zu achten, ohne auf den Genuss guten Essens verzichten zu wollen. Und die Deutschen sind damit erfolgreich. Sie sind gesund und leben zunehmend länger.

Foodwatch setzt auf Existenzkampf

Das grundsätzlich positive Bild des Ernährungsreports löst bei Deutschlands Essensrettern eine gewisse Nervosität aus. Sich bewusst und gesund ernährende Verbraucher, die zudem mehr Gemüse als Schokolade essen und den korrekten Angaben der Hersteller auf den Verpackungen von Lebensmitteln vertrauen, sind der Schrecken der Agitatoren von Foodwatch, einem Wirtschaftsunternehmen, das die Skandalisierung und die gezielte Lüge zum Geschäftsprinzip gemacht hat.

Martin Rücker, Geschäftsführer der Truppe, kämpft gegen den fatalen Eindruck, in diesem Land könne man mit Lebensmitteln überleben. Das muss er tun. Wenn die Verbraucher meinen, die Qualität der Nahrungsmittel wäre gut und sie könnten sich bei der Auswahl für ihre individuelle Ernährung aus einem reichhaltigen Angebot von Bio über fettfrei bis zu vegan frei entscheiden, so ist das alarmierend. Bürger, die sich zutrauen, bei allen das Leben regelnden Geboten und Verboten zumindest noch in der heimischen Küche ohne gesetzliche Vorgaben agieren zu können, sind für Foodwatch auf einem fatalen Weg. Wer will für die angeblichen Essensretter Spendengelder überweisen, wenn doch eigentlich nichts zu retten ist?

Rücker muss aus geschäftlichen Gründen die Welt anders sehen, als sie ist. Ein Ernährungsreport darf da nicht stören. Die Verbraucher sind aus seiner Sicht ahnungslos und unfähig, sinnvolle Entscheidungen beim Kauf von Nahrungsmitteln zu treffen. Klare gesetzliche Vorgaben müssen deren Ernährungsverhalten regeln. Die Lebensmittelwirtschaft, so Rücker, sei profitgetrieben und bei freiwilligen Selbstverpflichtungen versuche sie ohnehin nur zu täuschen. Sie setze auf Süßwaren und Softdrinks statt auf Obst und Gemüse. Eine „zuckersüchtige Industrie“ müsse gebändigt werden. Und da sind Strafsteuern aus Rückers Sicht ein probates Mittel.

Vor zwei Jahren hat er sich noch anders geäußert. Am 22. Februar 2018 stellte er in der Frankfurter Rundschau fest: „Rezepturvorgaben halte ich tatsächlich für bevormundend. Ich möchte mir nicht vom Staat die Lebensmittelrezepturen vorgeben lassen. Das geht eindeutig zu weit, es gibt andere Mittel.“ Auch bei dieser Aussage ging es um sein Geschäftsinteresse. Er war nämlich gefragt worden, ob er sich über staatliche Rezepturvorgaben im Hinblick auf Inhaltsstoffe wie Fett, Salz und Zucker freuen würde. Das kann natürlich nicht, obwohl immer wieder gefordert, im Sinn von Foodwatch sein. Gegen wen soll sich die geschäftstüchtige Agitation richten, wenn sich alle Hersteller überprüfbar an die staatlich vorgegebenen Rezepturen halten müssen? Die Vielfalt der Verbraucherwünsche und die Freiheiten der Lebensmittelwirtschaft sind die notwendigen Voraussetzungen für die spendengeilen Skandalisierungen der Besserwisser zum Thema Ernährung.

SPIEGEL setzt auf Kokain

Seit fast 20 Jahren geistert ein Versuch mit Ratten durch die Medien, der belegen soll, dass Zucker ein Suchtpotenzial wie Kokain hat. Der Leiter der Studie, Prof. Bart Hoebel von der Princeton University, erklärte damals schon, dass er keinen Beweis für eine Sucht gefunden hätte, sondern nur bewiesen habe, dass den Tieren Süßes gut schmeckt. Der SPIEGEL greift im Kontext einer Buchpromotion für eine österreichische Neurochirurgin den Ladenhüter einmal mehr auf. Obwohl kompetente Suchtforscher immer wieder die Behauptung einer angeblichen Zuckersucht als Unfug kritisieren, publiziert man den Vergleich von Keksen mit Kokain und Heroin. Starker Tobak. Aber die Redaktion des Magazins hat bei der Thematik seit Jahren sowohl ein tradiertes Feindbild als auch Sendungsbewusstsein. Sorgfältige Recherchen, nicht immer kennzeichnend für das Blatt, könnten belegen, dass interessierte Pharmaunternehmen die Krankheit Zuckersucht positionieren wollen, weil sie für aktuell im Markt schwächelnde Pharmazeutika eine neue Krankheit brauchen. Dazu bedient man sich williger Neurochirurginnen, deren wissenschaftliche Expertise sie nicht hindert, Zucker mit Kokain auf eine Stufe zu stellen. Prof. Selena Bartlett von der Queensland University ist eine davon, die nun auch eine Kollegin zum Nachplappern in Wien gefunden hat. Dramatisch kann es mit der drohenden Sucht aber wohl kaum sein. Um selbst nicht in Versuchung zu geraten, kauft Iris Zachenhofer Schokolade, die sie selbst nie essen würde, gezielt für ihre Kinder. Nämlich mit Smarties bestreute oder mit Erdbeercreme gefüllte. Als Mutter glaubt sie den Unsinn, den sie erzählt, offenbar selbst nicht.

ZEIT bereitet das Stillverbot vor

Die armen Kinder und die ihnen drohende Zukunft. Auch da muss gehandelt werden. Foodwatch fordert Werbeverbote für angeblich unausgewogene, aber leckere Kinderprodukte. Das kann nur fordern, wer glaubt, ein Werbespot für Schokolade würde zu einer Kinderernährung führen, die dann überwiegend durch Schokolade geprägt wird und mittelbar zu einem durch Suchtverhalten bestimmten Leben. Mit einem kreativen Hirn lässt sich allerdings erkennen, dass die Problematik nicht erst beginnt, wenn die Kleinen bereits laufen können. Die Sucht beginnt offenbar bereits früher. Hier hat sich eine Autorin der ZEIT bemerkenswerte Meriten erarbeitet. In einem Beitrag zur Notwendigkeit der Zuckersteuer macht sie die wahre Dramatik transparent. Mit markigen Worten stellt sie fest, dass Zucker die billigste Droge ist. Wenn man ohne Rücksicht auf Fakten und journalistischem Anstand voll auf Skandalisierung setzt, hat man keine Hemmungen, um das wahre Ausmaß des Skandals aufzudecken. Sie schreibt wörtlich: „Angefixt wird man bereits als Säugling über die Muttermilch (sieben Prozent Zuckergehalt).“ Einen solchen gesundheitsschädlichen Mist, der die saugenden Kleinen zu Junkies mit der Aussicht, später einmal Diabetiker zu werden, macht, kann wirklich nur die Evolution bauen. Solchen Irrtümer der Natur muss Einhalt geboten werden. Die Forderung nach einem nationalen Stillverbot drängt sich geradezu auf. Mütter nehmt die Kinder von den Brüsten, um ihre Gesundheit zu retten.

Detlef Brendel, Wirtschaftspublizist

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