Tichys Einblick
"Stimmung gegen Andersdenkende" im ZDF

Star verlässt die „Heute-Show“ wegen deren politischer Einseitigkeit

Ein festes Mitglied des Ensembles verlässt die Heute-Show. Die „Satire“ gehe gegen Andersdenkende vor, verenge die öffentliche Diskussion und gebe nur wieder, was Menschen sagen, die in der Hierarchie oben stehen.

IMAGO / Horst Galuschka
Von 2011 an war Christine Prayon ein festes Mitglied im Ensemble der Heute-Show. Besser bekannt ist sie unter ihrem Rollennamen: Birte Schneider. Eine Journalistin mit einem herben, schwäbischen Charme, deren Stärke es war, Luft aus aufgeblähten Formulierungen der Politik zu lassen. Genau das hat Prayon nun mit der Heute-Show getan – und mit Jan Böhmermann und „Die Anstalt“ gleich mit.

Seit September sei sie nicht mehr in der Heute-Show aufgetreten – und das wolle sie auch künftig nicht mehr. Das verkündete sie in einem Interview mit der Stuttgarter Kontextwochenzeitung – darin sprach sie auch eine vernichtende Kritik an den Satire-Formaten des ZDF aus: Andersdenkende würden darin der Lächerlichkeit preisgegeben, der Diskurs verengt. Gleichzeitig buckele die Heute-Show nach oben: „Da werden Narrative und Positionen von Gruppen, die gesellschaftlich in der Hierarchie weit oben stehen, unablässig wiederholt und gleichzeitig wird Stimmung gegen Andersdenkende gemacht.“

Diese Kritik beschränkt Prayon nicht auf die Heute-Show. Sie gelte auch für „Die Anstalt“ oder Jan Böhmermann. Als Beispiel nennt die Satirikerin eine Sendung, in der es um Ungeimpfte ging und in der sich der Grimme-Preis-Träger nur zurückgelehnt und beide Mittelfinger gezeigt habe. Damit würde auch Böhmermann nur die Narrative der Mächtigen verstärken.

Die Kritik Prayons kommt nicht von Rechts. Im Gegenteil. In ihrem aktuellen Buch und Programm namens „Abschiedstour“ weist sie sich als Kritikerin des Kapitalismus aus. Der bekomme die Probleme unserer Zeit nicht in den Griff. Ob sich Prayon vor diesem Hintergrund nicht fürchte, mit ihrer Kritik an der ZDF-Satire rechte Erzählungen zu bedienen, will die Kontextwochenzeitung – selbst links – wissen. Man dürfe nicht aufhören zu reden, nur aus Angst falsch verstanden zu werden: „Es ist bedenklich, wenn ein Klima herrscht, wo man so schnell verurteilt wird für das, was man sagt.“

Prayon schildert der Kontextwochenzeitung eine Erfahrung, die sie selbst auf der Bühne erlebt habe: Sie habe eine rassistische Figur ein rassistisches Wort sagen lassen. Darauf sei zuerst eine Frau empört aufgestanden und habe den Saal verlassen – dann die Hälfte des restlichen Publikums. Wenn man in einer derart repressiven Stimmung Hitler darstellen wolle, müsse man selbst den nett wirken lassen. So sei keine Kunst möglich.

Gekündigt habe Prayon dem ZDF ihre Mitarbeit nicht. Aber sie habe ihre Kritik intern den Verantwortlichen vorgetragen. Deren Reaktion? Prayon wurde immer seltener besetzt. Die Bereitschaft, Kritik anzunehmen, ist im Staatssender Nummer zwei nahezu nicht vorhanden, wie TE selbst erlebt hat. Als Böhmermann Frauenrechtlerinnen schwer beleidigt und einseitig angegriffen hat, wollten wir vom ZDF wissen, wie es diese Attacken sehe und welche Chance die Angegriffenen erhielten, ihre Sicht darzustellen. Diese Fragen beabsichtige der Sender nicht zu beantworten, teilte eine Sprecherin von Intendant Norbert Himmler mit.

Die Pandemie war es, die Prayon umdenken ließ. Noch heute müsse sie Auftritte absagen, weil sie an dem Virus leide. Ob es indessen Post-Covid sei oder die Folgen der Impfung wisse sie nicht. Dass Sender wie das ZDF geholfen hätten, den Diskurs zu verengen und nicht nur Kritiker, sondern schon Zweifelende zu stigmatisieren, habe dazu beigetragen: „Es war immer unmöglicher, Fragen beantwortet zu bekommen, sich wirklich gut eine Meinung bilden zu können über Informationen, weil ja nur noch die und die geladen sind. Und die anderen darf man sich nicht anhören, weil die sowieso auf obskuren Kanälen, oje, auf keinen Fall anklicken.“

Zum gesamten Interview geht es hier.

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