Tichys Einblick
Goldener Bär für "besten Film"

Berlinale macht Propaganda für Sklavenhändler

Der Protagonist des Berlinale-Gewinnerfilms ist ein Schlächter und Menschenhändler – und kaum jemanden interessiert es. Von Simon Akstinat

Screenprint: via X/Berlinale

„Ladies and Gentlemen, the moment of truth: The Golden Bear for best film goes to the movie ‘Dahomey’!” hieß es am Wochenende auf der Berlinale.

Fast alle deutschen Medien lassen bei ihren nun folgenden Beifallsbekundungen die Leser, Zuhörer und Zuschauer über eine Sache im Unklaren – nämlich darüber, worum es sich bei dem Königreich Dahomey, das dem preisgekrönten Film seinen Namen gab, überhaupt handelt.

Das aber ist das mit Abstand Interessanteste an dem diesjährigen Gewinner-Film, der die Rückgabe afrikanischer Kunst thematisiert. Die Berlinale-Journalisten setzten ihre Leser jedenfalls nicht darüber ins Bild.

Das westafrikanische Königreich Dahomey mit einem König Ghezo war vielleicht das größte und brutalste afrikanischen Sklavenfänger-Imperium überhaupt. Der Despot Ghezo herrschte nicht nur über mehr Sklaven als über freie Bürger und zwang die Ware Mensch auf den leidvollen Marsch zur Küste, er ließ auch Gefangene, darunter Kinder, als Menschenopfer für seine Voodoo-Götter oder einfach zu seiner Belustigung ermorden.

Diesem Horror-Fürsten vom Kaliber eines Vlad Tepes wird das folgende Zitat zugeschrieben:

„Der Sklavenhandel ist das herrschende Prinzip meines Volkes. Er ist die Quelle des Ruhmes und des Reichtums… Mütter singen ihre Kinder in den Schlaf mit Liedern über Triumph über den Feind durch seine Reduzierung zum Sklaven!“

Dass Ghezos Sklavenhandel gelegentlich stockte, hat nichts mit plötzlich aufkommender Menschlichkeit zu tun, sondern damit, dass die Briten freiwillig nicht nur ihren eigenen Sklavenhandel beendeten, sondern mit einem heute in Vergessenheit geratenen Geschwader ihrer Marine, dem West Africa Squadron, Jagd auf Sklavenschiffe machten. Als die Briten König Ghezo, der von 1818 bis 1858 herrschte, zur Abkehr vom Sklavenhandel bewegen wollten, drohte er damit, alle seine Gefangenen künftig zu töten statt wie bisher „nur“ zu versklaven.

Was macht der Film „Dahomey“ aus diesem Tyrannen? Zum Hauptprotagonisten des Streifens wird eine lebensgroße Statue des Königs Ghezo, die in einer Kiste von Frankreich nach Westafrika gebracht wird, und der eine Stimme aus dem Off die angeblichen Gedanken des aus dem Exil zurückgekehrten Königs oder seines Geistes in den Mund legt. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland weiß zu berichten:

„Die Statue von König Ghezo spricht von Entwurzelung, Ausbeutung und auch von der Angst vor der Rückkehr in ein Land, in dem viele Menschen von den kulturellen Verlusten gar nichts wissen. König Ghezo befürchtet, ‚dass ich nicht erkannt werde und dass ich nichts erkenne.‘“

Der arme Menschenschlächter und Sklavenräuber soll Angst haben und sich fürchten. Dabei ist König Ghezo vermutlich einer der letzten Menschen, die Mitleid verdienen. Und als wäre all dies nicht schon absurd genug, setzt eine bekannte Kunstzeitschrift noch eins obendrauf:
„Eine irgendwann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschaffene Skulptur zeigt Ghezo, den rechten Arm zur kämpferischen Geste erhoben, die Faust geballt – fast wie zum Black-Power-Protest.“

Ghezo als Vorkämpfer für die Rechte der Schwarzen? Schamloser geht es kaum. Der Mann hat vermutlich mehr schwarze Menschen ins Verderben geführt als manch südafrikanischer Premierminister der Apartheidszeit.

Dabei könnten Deutschlands Redakteure durchaus um die Geschichte des Königreichs Dahomey wissen, denn zumindest „taz“ und „Deutschlandfunk“ berichteten bereits 2022 kritisch über den ahistorischen Film „The Woman King“, der die Sklavenhändler-Monarchie verherrlicht und ausgerechnet die Täter des Menschenhandels zu Freiheitskämpfern umdeutet.

Besonders pikant: Die diesjährige kenianische Berlinale-Präsidentin Lupita Nyong’o war ursprünglich als Besetzung für die Hauptrolle in „The Woman King“ vorgesehen. Nachdem sie sich jedoch mit den blutrünstigen Fakten über Dahomey in einer eigenen Doku auseinandergesetzt hatte, war der Oscar-Preisträgerin die Lust an dem Projekt vergangen.

Es zieht sich fast wie ein roter Faden durch Politik und journalistische Berichterstattung: Ein Herz für Sklaventreiber scheint nicht nur die bundesdeutsche Politik bei der Rückgabe der Benin-Bronzen an die Nachfahren von Menschenhändlern zu beweisen, sondern auch das Ethnologische Museum im Berliner Stadtschloss und sein oberster Chef, Hermann Parzinger von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die sowohl in der Ausstellung als auch in einem „Spiegel“- Interview die Sklavenhändler-Tätigkeit zweier „antikolonialer Widerstands-Helden“ aus Deutsch-Ostafrika einfach unter den Tisch fallen lassen, als würde es sich dabei um eine Nebensächlichkeit handeln.

Und auch von Bundespräsident Steinmeier war bei dessen Besuch neulich in Tansania viel zum Maji-Maji-Aufstand von 1905, aber erstaunlich wenig bis nichts zum ersten antikolonialen Aufstand gegen die Deutschen von 1888 zu hören. Liegt es daran, dass die Gegner der Deutschen in diesem Krieg vor allem Araber und islamisierte Afrikaner waren, die sich von den Europäern nicht bei ihrem profitablen Sklavenhandel stören lassen wollten?

Wie dem auch sei: Als die Briten 1897 und die Franzosen 1892 die Sklavenräuber-Nester Benin und Dahomey aushoben, bedeutete dies ein Aufatmen für die Afrikaner der Region.

Berlinale-Siegerin Mati Diop sagt selbst über ihrem Film „Dahomey“, dass sie einen Film gegen Gedächtnisverlust und Geschichtsvergessenheit inszeniert habe.

Schön wär’s.

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