Tichys Einblick
Der Ukraine Hilfe verweigern?

Bei Maischberger: Grüne sind Verlierer im Ampel-Zoff

Überraschend zart sind die Angriffe Dobrindts gegen die Grünen an diesem Abend – Kritik an ihrer Politik gibt es nur in kleinen Dosen. Technologieoffenheit wird als Teufelszeug deklariert. Und Alt-Linker Gysi präsentiert seinen Friedensplan für die Ukraine. Von Fabian Kramer

Der blutleere Auftritt des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt ist an diesem Abend ein bayerischer Löwe mit Beißhemmung. Im Parallelinterview mit dem grünen Anton „Toni“ Hofreiter bleibt der harte Angriff auf die Politik der Regierung aus. Eine Kultur des Streits erkennt der Oppositionspolitiker innerhalb der Ampel. Der Verhandlungsmarathon dauerte 30 Stunden, länger, als die verheerenden Sitzungen zur Euro-Rettung, zur Migrationskrise und zur Corona-Pandemie dauerten. Aber man hat die 30 Stunden wohl für das gegenseitige Ausfüllen eines Poesiealbums gebraucht.

Dabei bietet der 150-prozentige Grüne Hofreiter in der Diskussion so viele Steilvorlagen. Er sei vom Ergebnis positiv überrascht gewesen. Besonders gegen die „Aussterbekatastrophe“ habe das Ampel-Ergebnis eine große Gegenwirkung, so Hofreiter. Eine große Leistung sei es auch, dass entlang neu gebauter Autobahnen Solarzellen und Windräder aufgestellt werden sollen. Ein streitlustiger Oppositioneller hätte vielleicht Hofreiter die Fledermaus- und Vogelhäcksler namens Windräder zu referieren, das hätte dem Toni sicherlich zu mehr Puls verholfen. Aber Dobrindt bleibt bei zarter Kritik.

Bloß kein Streit, man hat sich zu lieb

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Eine groteske Harmonie zwischen den beiden kennzeichnet das gesamte Gespräch. Wo ist das Feuer aus den Bundestagsreden geblieben? Die wenige Kritik Dobrindts gilt dann auch nicht dem alltäglichen grünen Regierungsunsinn, sondern zu wenig grüner Politik. Keine Sektorenziele mehr, kein Austausch der Heizung und insgesamt zu wenig „Klimaschutz” wären ein schlechtes grünes Ergebnis. Die CSU hat wohl den Plan gefasst, die Grünen links zu überholen. Toni Hofreiter selbst hat auch wenig Lust zur Attacke. „Man darf halt nicht auf die eigene Propaganda reinfallen“, meint Hofreiter zur Kritik der CSU an Heizungsgesetzen. Zu etwas mehr Auseinandersetzung kommt es erst durch das Thema Wahlrechtsreform.

Einen Angriff auf die Opposition wittert der CSU-Mann. Zum ersten Mal harter Tobak. Der Grüne verweist auf die 5-Prozent-Hürde und schon ist die Debatte abgeräumt. Es will einfach nicht hitzig werden. Da fällt auch diese zukünftige Konstellation nicht merkwürdig auf.

Es wird auch klar, warum sie sich nicht streiten wollen: In der Sendung erklären die beiden, dass man sich „im Privaten“ duzen würde und am Morgen nach der Sendung zum gemeinsamen Frühstück trifft. An sich lobenswert, wenn Politiker auch zwischen den Parteien freundschaftlich sein können. Aber es erklärt auch, warum die Diskussion bei Maischberger wie eine Diskussionssimulation wirkt. Weil sie es ist.

„Klimaschutz” als Hauptaufgabe der Politik

Eine sehr eigenwillige Sicht auf die Ampel liefern auch die anwesenden Journalisten Nikolaus Blome, Jagoda Marinić und Hubertus Meyer-Burckhardt. Scholz sei der große Gewinner des Ampelstreits, analysierte beispielsweise Meyer-Burckhardt. Eine abenteuerliche Sicht auf den notorisch führungsschwachen Bundeskanzler. Eine bessere PR durch Journalisten in Regierungssprecherämtern könnte der Ampel helfen, führte er weiter aus; eine Bewerberin auf diese Stelle sitzt mit Marinić schon in dieser Runde. Meyer-Burckhardt spart dabei aus, dass so ziemlich alle Regierungssprecherämter mit willfährigen Journalisten besetzt sind. Nicht selten kommt es vor, dass Politik-Journalisten von der Redaktionsstube direkt in den Politikbetrieb wechseln – oder teure Aufträge für Moderationen und Tagungen annehmen.

30 Stunden Koalitionsaussschuss
Die Grünen sind in der Regierung nur noch Küchenhilfe
Von der einzigen Frau in der Runde kommt Kritik an der Ampel und vor allem der FDP. Mit Wortkreationen wie „Technologieoffenheit“ würden die Liberalen den „Klimaschutz” behindern. Dabei liegen für Marinić die Lösungen auf der Hand. Die Leute sollen viel mehr Bahn fahren. Dass im Publikum keiner loslacht, muss ihm hoch angerechnet werden. „Klimaschutz” ist für Marinić ganz wichtig. Nur ein Tempolimit könne die Apokalypse verhindern.

Blome sieht das Vertrauen innerhalb der Koalition erodiert. Das brisante Thema Heizung wäre nicht gelöst. Auch für ihn hat „Klimaschutz“ die Top-Priorität. Die Ampel hätte ihre Ziele geschafft. Dies sei wie in der Schule, da zähle auch nicht die Fünf im Zeugnis, sondern die Versetzung. Na dann, alles wie immer bei den eingeladenen Haltungsjournalisten. Die Regierung kann sich fetzen und eine blamable Leistung in allen Bereichen an den Tag legen, aber wenn das Klima passt, ist alles andere egal.

Gysi hat da mal einen Friedensplan

Den dritten Gesprächsteil der Runde bildete Gregor Gysi. Er diskutierte mit Alexander Rodnyansky, einem Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Für die Ukraine hatte Gysi gar einen Friedensplan im Gepäck. Es könne einen Waffenstillstand geben, wenn man Putin versichere, dass keine westlichen Waffen mehr geliefert werden würden. Gleichzeitig müsse sich Putin dann zu einer Feuerpause bereit erklären. Würde der russische Diktator sich nicht daran halten, wäre alles wieder hinfällig.

Am Zuschauer vorbei
Bei Maischberger zur Ukraine Lafontaine, Kiesewetter und Altbekanntes
Was Gysi außen vor lässt: All das könnte Putin schon haben. Putins Truppen sind es, die in der Ukraine stehen. Will er reden, muss sein erster Schritt sein, sich zurückzuziehen. Der Berater Rodnyansky weist diesen Plan zurück. Zusagen der Russischen Föderation, Zusagen Putins, seien nicht glaubwürdig, so Rodnyansky. Zu viele Abkommen wurden in der Vergangenheit von Russland gebrochen. Hervor steche hier das Budapester Memorandum: Die Ukraine tauschte ihre Atomwaffen gegen die Garantie ihrer Souveränität. Die Ukraine verfügt bis heute über keine Atombomben. Der Berater sieht einen Abnutzungskrieg und fordert mehr deutsche Waffenlieferungen. Ein ukrainischer Sieg könne gelingen.

Der Linken-Politiker hält naturgemäß wenig von deutschen Waffen. Andere Länder dürften zwar Waffen liefern, aber nicht Deutschland, und begründet dies mit der deutschen Geschichte. Keine Waffen gegen Russland, klingt historisch begründet, vergisst aber, dass die deutsche Vergangenheit nicht erst bei Moskau anfängt, sondern gezwungenermaßen auch die Städte und Völker zwischen dieser Stadt und Berlin umfasst. Es ist die gewohnte Rhetorik der Linken. Die anderen mögen sich doch die Finger schmutzig machen. Humanitär könne Deutschland dann wieder glänzen, so Gysis Logik.

Rodnyansky hingegen träumt von einer großen Gegenoffensive der Ukraine. Er will nicht mit Putin verhandeln. Die Gräben zwischen beiden Weltsichten konnten an diesem Abend nicht zugeschüttet werden. Der eine will mit der Waffe in der Hand siegen, der andere glaubt an das Heil der internationalen Diplomatie. Wenigstens auf Putin als Schurken kann man sich einigen.

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