Tichys Einblick
Zwang hilft bei der Entscheidungsfindung

Göring-Eckardt bei Maischberger: „Wenn es eine Impfpflicht gibt, dann können die sich viel leichter entscheiden“

Katrin Göring-Eckardt erklärt bei Maischberger die Impfpflicht. Ein vorsichtiger Dietmar Bartsch bringt sie mit kleinen Nachfragen dabei allerdings schon völlig aus dem Konzept. Die Abwesenheit jeglicher inhaltlicher Argumente wird bildlich.

Screenshot ARD: "Maischberger die Woche"

Bei Maischberger diskutieren zur Frage der Impfpflicht eine Grüne und ein Linker. Was parteipolitisch zwar nicht besonders ausgewogen erscheint, ist traurigerweise schon relativ kontrovers für eine deutsche Talkshow. Ursprünglich sollte gar Sahra Wagenknecht kommen, aufgrund eines positiven Corona-Tests sprang kurzfristig ihr Fraktionskollege Dietmar Bartsch für sie ein. Und der war wohl kritischer als es ein CDU-Abgeordneter gewesen wäre – Katrin Göring-Eckardt kommt jedenfalls ganz schön unter Druck.

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Auch wenn sie den Druck größtenteils selbst verursacht hat. Göring-Eckardt argumentiert vehement für die Impfpflicht. Wenige Stunden vor der Sendung fand die „Orientierungsdebatte“ im Bundestag statt. 
Allerdings ist Göring-Eckardt schon mit der Frage überfordert, ob die Impfpflicht denn nun eigentlich für drei oder vier Impfungen gelten solle. Besonders Maischberger scheint an der Frage interessiert, hängt doch schließlich von ihr ab, ob sie selbst auch davon betroffen wäre – mehrmals hakt sie nach: „Wenn die Impfpflicht kommt, sind wir davon nicht betroffen, oder?“

Göring-Eckardt hat den Durchblick: „Was wir ziemlich genau wissen ist, dass die drei Impfungen auch gegen Mutationen helfen werden.“ 
Tja, wie soll man eine solche Aussage kommentieren? Zwar umgeht schon Omikron den Impfschutz in weiten Teilen, aber dass der Impfschutz gegen die nächste Variante – die wir noch gar nicht kennen – helfen wird, das glaubt Frau Göring-Eckardt nicht nur, sondern das weiß sie sogar „ziemlich genau“.

Bartsch weist vorsichtig darauf hin, dass ja selbst Lauterbach gesagt habe, dass niemand wisse, wie die Variante im Herbst aussehen wird. „Das sagt doch jeder Virologe, im Herbst ist vom Immunschutz vermutlich nichts mehr da“, so Bartsch. Göring-Eckardt entgegnet, deswegen sage sie ja „Stand heute“. Sie habe sich das von einer Professorin – „glaube ich aus Hannover“ – erklären lassen, die hat es ihr wunderbar anhand eines Fußball-Elfmeter-Beispiels erklärt. Wenn man geboostert ist, steht die Verteidigung nämlich.

Fassen wir zusammen: Die Impfpflicht kommt, damit wir die Welle im nächsten Herbst mit einer neuen Variante verhindern. Ob die Impfung gegen diese neue Variante schützt, wissen wir nicht. Aber „Stand heute“ schützt die Impfung gegen die neue, noch unbekannte Variante.

„Ich guck die Nachbarin an und frag mich: Ist sie geimpft, ist sie nicht geimpft?“

Den Höhepunkt an diesem Abend liefert Göring-Eckardt dann mit einer messerscharfen sozialpsychologisch-theologisch-philosophischen Analyse über das Wesen des Menschen schlechthin. Sie beschreibt, wie man Menschen vom Impfen überzeugen kann. Es gebe nämlich eine Gruppe von Menschen, „das sagen auch viele Sozialpsychologen inzwischen“, bei denen ist es so: „Wenn es eine Impfpflicht gibt, dann können die sich viel leichter entscheiden.“ Die Impfpflicht ist wirklich eine ganz wunderbare Entscheidungshilfe!

Im Thüringer Wald, da sei das nun mal alles anders als in Bremen, sagt Göring-Eckardt. Es ginge auch darum, den Druck aus den Familien zu nehmen. Die Lage bisher beschreibt sie so: „Wo man immer inzwischen davon ausgehen muss: Ich guck die Nachbarin an und frag mich: Ist sie geimpft, ist sie nicht geimpft?“ Offenbar ist ihre Skepsis gegenüber ihren Nachbarn aus dem Thüringer Wald enorm. Es gehe nicht um eine moralische Pflicht oder um Solidarität. Es gehe stattdessen um Klarheit: „Es geht nicht mehr darum, für die eine oder andere Richtung zu kämpfen. Sondern es ist dann so. Wie bei der Gurtpflicht, wo sich vorher viele Leute gewehrt haben“, so Göring-Eckardt.

Ansonsten müde Debatte
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Maischberger fragt dann tatsächlich noch nach, wie das denn zu begründen wäre mit der Impfpflicht; die Impfung schütze doch gar nicht vor Ansteckung, bietet also kaum Fremdschutz. Göring-Eckardt sieht das sogar ein, meint aber: „Darum geht es ja nicht.“ „Es geht ja darum, dass die Intensivstationen weiter voll sind. Jetzt sagen manche, die Intensivstationen sind ja gerade gar nicht so voll. Doch sie sind voll mit Corona-Patientinnen und -Patienten.“ Naja, bei Maischberger kann man’s ja einfach mal behaupten. Dass die Covid-Intensivpatienten seit Anfang Dezember kontinuierlich rückläufig sind? Dass der Monatsschnitt der Intensivbelegung insgesamt im Januar 2022 der niedrigste seit Frühjahr 2020 in Deutschland ist, unter dem Niveau der Jahre davor?

Schräge Vergleiche, pseudopsychologische Gedankenspiele und der selbstbewusste Bezug auf „die Wissenschaft“ – oder anders ausgedrückt: keine Argumente. 
„Wir haben keinen Bock mehr“, sagt Göring-Eckardt. Das dürfte den Zustand der Debatte ganz gut beschreiben.

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