Tichys Einblick
"Gesundheit schützen, Jobs riskieren?"

Bei Illner zu Corona: Nix genaues weiß man nicht

Das muss man auch erst mal können! Eine Stunde quasseln und die wichtigsten Dinge vergessen: den katastrophalen Börsenabsturz und die vom Virus besonders betroffene Hauptzielgruppe des ZDF: die Generation 70 plus.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Olaf Scholz müssen wir hier ja nicht groß vorstellen. Der SPD-Finanzminister hat gegen das Corona-Virus „eine Milliarde zusätzlich zur Verfügung gestellt und wir können noch viel mehr.“ Alles was die Krankenhäuser jetzt bestellen, wird bezahlt. Schließlich müssen wir Politiker „immer alles mitdenken, das ist unsere Aufgabe“.

Ja!: „Ich hab‘ genug Geld und wir können allen helfen.“ Oder mal europäisch gesprochen: „Deutschland wird den Beitrag leisten, dass Europa medizinisch und finanziell die Situation meistert.“ O weh! Aber der Bail Out war ja längst in Hinterzimmern beschlossene Sache, jetzt kann man ihn coram publico, quasi mit Mundschutz getarnt, durchziehen.

Corona: Virus oder schwarzer Schwan?

In der Runde saß mit Valerie Haller die ZDF-Börsen- und Finanzexpertin, die uns zunächst damit erschütterte, dass sie mitnichten am Laptop daheim arbeiten könne in der Krise, weil die Börse ja ihr Arbeitsplatz sei, also das Gebäude, an dem das Wort „Börse“ steht, wie Anno Dunnemals. Obwohl (auch im Internet-Entwicklungsland Deutschland) der Börsenhandel längst elektronisch abgewickelt wird. Valerie brauchte auch eine knappe Stunde, um zaghaft zu erwähnen, dass die Börsen gerade abgeschmiert sind. Wir fassen mal kurz die Lage zusammen: Heute schlossen der Dax, der Dow, Gold, Bitcoin – also alle Anlageklassen – in einem unglaublichen Minus. Der Dax verlor knapp 15% an einem Tag, Daimler fast 20%. Corona ist für die Börsenwelt der gefürchtete Schwarze Schwan, der eine Lawine ins Rollen bringt, Ende offen. Wer nur Valerie bei Maybrit erlebte, hat davon allerdings so gut wie nichts mitbekommen, obwohl alle mit drinhängen, die Halter von Lebensversicherungen, Fondsparer, Kleinanleger undundund.

Zu Corona, dem Virus, konnte auch Prof. Dr. Christian Drosten, Institutsleiter Virologie der Charité in Berlin, nicht viel Neues berichten. Veranstaltungen auf 1.000 Teilnehmer begrenzen oder auf 200 oder 100? Hm. Ja und nein. „Die Zahl ist ein Krücke“, vielleicht sollte man nicht direkt neben einem mit „einer feuchten Aussprache“ sitzen.

Im Moment nutzen manche Bürgermeister (wie der aus Halle) die Chance auf eine Minute Berühmtheit, indem sie Schulen und Kitas schließen. Was machen dann die Krankenschwestern, die für ihre Kinder keine Betreuung haben? Mal in Halle fragen.

Drosten hatte schon vor 2 Wochen von 60% bis 70% infizierten Deutschen gesprochen, eine Zahl, die sich dann auch Merkel auslieh. Wie viele davon krank werden oder gar sterben, weiß man nicht. Nur „jeder 6.“ sei definitiv zu hoch gegriffen, bei den Todeszahlen sowieso. Hilft der Sommer? Vielleicht.

In die Erkenntnislücken schob Illner die Fühlosophin Dr. Svenja Flaßpöhler, die uns sogleich mit der „Chance zur Entschleunigung“ bereicherte, das habe schon Blaise Pascal gesagt, dass wir das Entschleunigen nicht können, das sei das Übel der Welt. Außerdem sei doch die jetzige Situation ein Segen fürs Klima, also „ökologisch wunderbar“. Das wiederum brachte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), auf die Palme, die forderte, dass die Fühlosophin das sofort zurücknehme. Niemals!

Ansonsten notierte Hildegard, dass Olaf nicht nur die Möglichkeiten zur Kurzarbeit ausgeweitet habe, sondern auch bei Liquiditätsproblemen helfen wolle. Scholz wörtlich: „Geht der Unternehmer zur Bank, fragt die: Haben Sie Sicherheiten? Da können wir helfen.“

Das alles seien Leistungen des Parlaments und der Demokratie, frohlockte der Sozialdemokrat. Vor allem aber des Steuerzahlers, rufen wir ihm hinterher.

Die Fühlosophin fand gut, dass „wir endlich mal wieder einen gemeinsamen Feind“ haben – wahrscheinlich guckt die Vielleserin kein Staatsfernsehen, für einen gemeinsamen Feind braucht der kein Virus, dafür hat der die AfD. Außerdem musste die Lehrerin der Weisheit sich wundern, es sei doch „erstaunlich, was wir für uns alles machen, aber was ist mit Syrien?“

Zäh rann die Zeit dahin, bis kurz vor Schluss Deutschlands Lieblingsvirologen einfiel: „Jetzt haben wir überhaupt nicht über die besonders gefährdeten Alten und Hauptbetroffene gesprochen.“ Tja, so ist das immer bei Illner: Knapp am Thema vorbei. Gute Nacht.

P.S.: Herzlichen Glückwunsch an alle, die statt Illner den Talk im Hangar 7 auf Servus TV zum gleichen Thema geschaut haben.


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