Tichys Einblick
Geht die CDU in der Mitte unter?

Bei Illner: CDU – Viel Lärm um Nichts

Lernziel heute: Die CDU soll gefälligst mit der Linkspartei koalieren. Denn die sei „die absolute Verkörperung der Mitte“ und mache sozialdemokratische Politik.

Screenprint: ZDF/Maybrit Illner

Ehre, wem Ehre gebührt. Es war die Bild-Zeitung, die mit dem Großen Sägen begann, und neben täglichen Patzern (Wegen AKK keine Cola für unsere Soldaten in Mali) schließlich das Kürzel AKK mit „Absolut Keine Kanzlerkandidatin“ übersetzte. Gleichzeitig boten „Bild“ und „Welt“ Friedrich Merz als Lösung aller Unionsprobleme an. Nun springen sie alle auf den Zug auf, Kleber und Miosga spielen sich wie Ping & Pong des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens die Nachrichtenbällchen zu, und da fehlte nur noch Maybrit Illner mit der kryptischen Frage „Zwischen Merkel und Merz – geht die CDU in der Mitte unter?“.

Carsten Linnemann, Stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der CDU/CSU, ein Direktmandat aus Paderborn in der Tasche, wird sich vorher genau angeschaut haben, wer sonst noch geladen war und zugesagt hatte in diesen aufgeregten Tagen. Mit dem 86-jährigen CDU-Granden Bernhard Vogel war kein Streit zu erwarten, sondern eher väterliche Rückendeckung, auch Ursula Münch von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing gehört nicht zu den auf Krawall Gebürsteten. Die anscheinend in der Sendung obligatorischen Journalisten waren mit taz (Anja Maier) und Cicero (Alexander Marguier) paritätisch besetzt. Blieb als Harmoniestörer nur jener Illner-Lieblingsgast, der sich in vielen unserer Besprechungen den Kosenamen „Professor Quak“ redlich verdient hat, aber eigentlich auf den Namen Albrecht von Lucke hört, der dem des AfD-Gründers bedrohlich ähnlich klingt.

Pflichtschuldig fassen wir zusammen: Merkel hat das CDU-Parteibuch und müsste für Ordnung sorgen, außerdem sei in ihrer Eigenschaft als Kanzlerin eine Rüge gegen Maas fällig, der in der Türkei dilettierte. So Linnemann. Dann habe die Union von den letzten zehn Wahlen neun verloren. Es fehlen klare Antworten auf Eurokrise, die Kosten der Energiewende, die Integration sei nicht gelöst. Der traut sich was, der Linnemann.

Gott ja, sagte altersmilde der Herr Vogel, Kohl wurde vorgeworfen, er sei zu dynamisch (haben wir noch nie gehört!), Merkel, sie sei zu zurückhaltend. Dabei ist doch normal, dass bei einer GroKo die Ränder wachsen. Bei Merz stört Vogel die „Qualität der Kritik“, grottenschlecht sei die Arbeit der Regierung nicht, es gebe „in keinem EU-Land eine bessere“. Die taz fand die Wortwahl von Merz sogar „unanständig“. Frau Münch erkannte in Merzens Tiraden die Rache des Verschmähten.

Nun steht derzeit wirklich keine Kandidatenfrage im Raum, außer der, die Bild losgetreten hat, und eine Umfrage für dieselbe macht zugleich deutlich, dass sie von der Partei auch besser nicht gestellt wird. Derzufolge halten „47 Prozent Merz für den besten Unionskandidaten, gefolgt von Söder mit 41 Prozent. Alle anderen, inklusive AKK (3 Prozent) und Laschet (4) sind völlig abgeschlagen“. Bei einer Cicero-Umfrage kam Merz sogar auf 70%, aber, so Marguier, bei „allen Kriterien (wie Wahlerfolge oder Amtsleistungen) verblasst Merz“ eigentlich. Kann sich jemand eine Revolution bei den Unionisten vorstellen? Nicht mal zu einer Urwahl dürfte es kommen, da Bayern im Vergleich mit NRW o.ä. viel zu wenig Einfluss dabei hätte (Vogel). Linnemann nutzte noch die Gelegenheit von einem „Team“ zu schwärmen, das aber „viele frische Köpfe“ brauche – also Linnemann und Tilman Kuban, oder?

Damit nun der Blutdruck der Zuschauer auf das übliche Illner-Niveau hochgefahren werden konnte, kam von Lucke an die Reihe. Die CDU solle gefälligst mit der Linkspartei koalieren, rappelte der los, Ramelow verkörpere „sozialdemokratische Politik“ und sei eine „absolute Verkörperung der Mitte“. Das sei die „alte Lebenslüge der CDU, diese Totalitarismustheorie“, die Gleichsetzung von Links- und Rechtsradikalen, schließlich hätten die Rechtsradikalen 100 Morde auf dem Gewissen (wobei bestimmt die Kahane-Stiftung die Buchführung gemacht hat). Das aber gefiel der (Rotes-) Klosterschülerin Illner, und sie blendete den Pfarrer Gauck ein, der unterstützend mahnte, die Christenmenschen sollten bei der SED „noch mal neu hinschauen“.

Zaghaft wies Frau Münch darauf hin, dass die CDU dann überhaupt nicht mehr zu unterscheiden sei, wenn sie nun auch mit der SED koaliere. Das treibe die Leute erst recht zur AfD. Deshalb sagte auch Linnemann Njet zur SED, er will die Wähler von der AfD zurückholen. Waaas? Schäumte von Lucke! Für ihn sind die 23,4 % AfD-Wähler in Thüringen keine Bürgerlichen, sondern Nazis. Dann hätten ja vor der Stimmen-Verdoppelung er AfD in den Jahren zuvor Nazis die CDU und die SPD gewählt, merkte Frau Münch an. Aber wenn von Lucke mal in Rage ist, kann ihn keiner stoppen. Pegida prustete er, Höcke, erbrach er sich fast, fehlte nur noch, dass er Haft für AfD-Wähler anordnete … Der Cicero-Chef merkte an, dass die Thüringer CDU eine Koalition mit den Linken VOR der Wahl ausgeschlossen hatte, aber das ist für von Lucke kein Argument.

Die Generation Vogel zeigte dann in aller Deutlichkeit, dass sie nicht gewillt ist, auf die künstliche Aufgeregtheit der Agitatoren und Krawallmacher in den Talkshows hereinzufallen wie die Jungschen. Zunächst einmal herrsche in Thüringen keine „Ausnahmesituation“ (Illner), die zu besonderen Maßnahmen Anlass gebe, und außerdem könne die Partei der Wiedervereinigung nicht in eine Koalition ausgerechnet mit der SED gehen.

Linnemann wollte, zur Vermeidung mit an den von Lucke-Pranger gestellt zu werden, noch eine Anekdote erzählen, die zeigen sollte, dass auch er die AfDler für Beelzebuben hält. Als es im Bundestag um das Existenzrecht Israels gegangen sei, hätten alle geklatscht, nur die AfD-Teufel nicht. (Zum Thema Bundestag und Israel empfehlen wir hier zur Klarheit den Artikel „Eine Schande, ein Schmerz“ von Chaim Noll auf der Achse des Guten.)

In drei Wochen ist übrigens CDU-Parteitag. Dann klatschen sie wieder. Genauso wie beim letzten Mal. Illner, Thema bitte vormerken.

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