Tichys Einblick
Plasbergs kritischer Moment

Bei Hart aber Fair: „Das klingt jetzt wie ein verspätetes grünes Wahlprogramm in Krisenzeiten“

Bei Hart aber Fair gehen die Dinge ihren normalen Gang – von den Toten von Butscha wird nahtlos übergeleitet zur dringenden Notwendigkeit der Förderung von Wärmepumpen. Da kann selbst Moderator Plasberg kurz nicht mehr an sich halten.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

„Grausamer Krieg, offener Ausgang: Was muss geschehen, damit die Ukraine siegen kann?“, so lautete der Titel dieser Ausgabe von „Hart aber Fair“. Drunter machen wir es jetzt nämlich nicht mehr, müssen Sie wissen. Wenn Deutschland über den Ukraine-Konflikt spricht, dann weil wir darüber philosophieren, was das Beste für die Ukrainer wäre.

Und wen hat Plasberg als Selenskyjs Kriegsberater auserwählt? Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, Ralf Fücks, Leiter der Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“ und seit 1982 Mitglied der Grünen, Spiegel-Reporter Christoph Reuter, die Korrespondentin in der Hauptstadtredaktion der Zeit Petra Pinzler und Russland- und Militärexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik Margarete Klein.

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Wie immer sind auch in dieser Sendung nicht diejenigen, die noch am ehesten als Experten durchgehen würden, auch diejenigen, die die Sendung dominieren. Der Spiegel-Reporter Christoph Reuters ist direkt aus der Ukraine zugeschaltet und fordert, dass wir „die Waffen liefern, die die Ukraine auch wirklich braucht“. Die Militärexpertin hielt sich sehr zurück und die Zeit-Korrespondentin Pinzler bemühte sich um Neutralität. Anführer der Sendung waren Graf Lambsdorff und Grünen-Mitglied Ralf Fücks. Wobei, zuerst noch nicht. Ca. 2/3 der Sendung lang war alles sehr langweilig. Das Übliche eben. Es war zunächst eine Sendung, bei der selbst Putin weggeschaltet hätte, auch wenn er damit die Kriegsführung der Ukraine vorhersehen hätte können. Eigentlich wurde nur gestritten, ob Putin böse oder ganz böse ist. Ganz hart her ging diese Diskussion – nicht.

Doch dann wacht plötzlich Ralf Fücks auf. Vielleicht war das Ganze eine Masche, um die normalen Zuschauer wegzulangweilen, bis nur noch der staatstreue Kern übrig bleibt – die Leute, die es ihm nicht übel nehmen, wenn er sagt: „Man muss aber auch klar sagen: die Zeit der billigen Energie ist vorbei. Auch ganz unabhängig von diesem Krieg. Wir müssen uns auf neue Verhältnisse einstellen.” Noch keinen Monat ist es her, da hat Hart aber Fair noch ganz mitleidig über die Familien berichtet, die es sich kaum noch leisten können zu heizen. Lambsdorff hat dazu nur zu sagen, dass man der Ampel nicht vorwerfen kann, untätig gewesen zu sein. Aha. Die FDP setzt ja bekanntlich jetzt auch auf „Freiheitsenergien“ statt Atomkraft oder sonstige Quellen bezahlbaren Stroms.

Denazifizierung und Kampf gegen Rechts

Als die Leserbriefe vorgelesen werden – handverlesen und nur ein paar rausgerückt natürlich -, bekommt man als Zuschauer das Gefühl, dass die Deutschen da voll dabei wären. „Sicher nicht sofort, aber der Zeitraum, in dem er täglich unschuldige Menschen abschlachtet, wird kleiner. Natürlich tut das weh, aber mancher Schmerz geht einer Genesung voraus. Wir müssen das aushalten.“ Die Zuschauer von sonst, die als Eltern von Familien oder als Rentner sich den Strom schon lange kaum noch leisten können, haben wohl keinen Brief geschrieben – oder wurden nicht auserwählt. Der kritische Kommentar war dazu dieser: „Wenn wir auf das Gas verzichten würden, dann könnten wir sehen, wie die Stimmung in unserem Land sich dreht.“

"entmenschlicht"
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An einer Stelle wird es dann aber doch interessant. Fücks konnte gar nicht mehr aufhören, als er sich erstmal warm geredet hatte. „Machen Sie ein Programm für eine Million zusätzliche Wärmepumpen. Erhöhen Sie die KfW-Kredite für die Isolierung von Gebäuden.“ Weiter kommt er nicht, denn Plasberg unterbricht ihn: „Bei aller kollegialen Freundschaft, Respekt, was auch immer, das klingt jetzt wie ein verspätetes grünes Wahlprogramm in Krisenzeiten.“ Später bereut er diese Rebellion scheinbar, denn er versucht sich mit Sätzen wie: „Dass das andere selbstverständlich weitergeht, dafür wird schon Luisa Neubauer sorgen“ selbst zu rehabilitieren. Trotzdem hat er es gesagt und es war nicht zu übersehen, wie genervt er in diesem Moment war.

Dann geht es um die Stimmung in der russischen Bevölkerung. 83 Prozent stehen laut einer aktuellen Umfrage hinter der Politik Putins, 81 Prozent unterstützten auch das Vorgehen der russischen Streitkräfte. Wie kann das sein? Das fragt sich auch Plasberg. Dieses von der russischen Propaganda verbreitete Konzept der „Denazifizierung“ finden seine Gäste ganz dämlich und sie haben es natürlich sofort als Vorwand enttarnt. Etwa weil sie selbst ganz gerne mal Nazis sehen, wo aber oftmals gar keine sind – Stichwort Kampf gegen Rechts?

„Der KFZ-Mechaniker in Russland, der geht nicht morgens zur Arbeit und denkt an die Wiedererrichtung des Imperiums. Der geht da hin und repariert die Ladas oder die Toyotas und dann geht der abends nach Hause und guckt sich die russische Tagesschau an, dann guckt er sich ‚The Voice of Russia‘ an und dann geht er irgendwann ins Bett“, schildert Lambsdorff „Aber die Gehirnwäsche fällt auf einen fruchtbaren Boden“, antwortet darauf Fücks. Kommt mir doch wirklich bekannt vor. Direkt nach der Sendung wird dann zu den Tagesthemen übergeleitet, die an die Themen der Sendung anknüpfen soll. Da werden sich unsere KFZ-Mechaniker doch freuen.

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