Tichys Einblick
Schon mal gearbeitet?

Bei Anne Will: Vier Abkassierer gegen einen Unternehmer

Über Soziale Marktwirtschaft und 200 Jahre Karl Marx diskutieren vier Personen, die von Steuern leben und viel reden mit einem Unternehmer, der anpackt. So war dann auch das Ergebnis.

Screenprint: ARD/Anne Will

Fangen wir einmal mit einem der großen Grundsätze des Marxismus an, es geht ja um 200 Jahre Karl Marx: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“.  Marx spricht in seiner Schrift »Zur Kritik der politischen Ökonomie« (1859) davon, dass die gesellschaftlichen Lebensumstände, besonders die zur Sicherung der materiellen Existenz, ein bestimmtes Bewusstsein zur Folge haben.

Hatte Karl Marx da eine gute Idee?

Wenn schon Anne Will über 200 Jahre Karl Marx und die soziale Marktwirtschaft reden will, dann schauen wir uns doch mal die Lebensumstände der Talkrunde an.

Anne Will wird über die Zwangsgebühren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanziert, man darf es verkürzt eine Rundfunksteuer nennen. Altersrente nicht „sozial“, sondern öffentlich-rechtlich, also fett.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz war kurze Zeit mal Rechtsanwalt für Betriebsräte, bezieht sein Geld aber längst als Parlamentarier, Hamburger Bürgermeister und Minister aus öffentlichen Kassen; also Steuern nebst hohen Altersbezügen, garantiert.

Von einem eigenständigen Broterwerb Sarah Wagenknechts ist nichts bekannt, als Parteifunktionärin und Berufspolitikerin ist sie steuerfinanziert, Pensionsanspruch super und ohne jeden Abschlag.

Reinhard Marx, Kardinal, kirchensteuerfinanziert, zudem über das Erzbistum München-Freising und dessen gewaltiges, meist in Immobilien und Latifundien angelegtes Vermögen geradezu glänzend sicher gegen jede materielle und sonstige Unwägbarkeit buchstäblich bis zum jüngsten Tag.

Ach ja, und dann ist da noch der Georg Kofler, Unternehmer. Er hat die klassische Karte gezogen bei öffentlich-rechtlichen Talkshows, die A-Karte im Spiel einer gegen 4, denn der Moderator ist nie neutral. Also ist Kofler die Minderheit, er  muss sich   sein Geld selbst verdienen und verantwortet dass andere beschäftigt und bezahlt werden.

Wenn er mitdiskutieren soll, wie sozial der Kapitalismus ist, ist schon von vornherein klar, wie das Ergebnis sein wird: Formulieren wir VOR der Sendung schon mal ein paar Thesen um zu schauen, ob der gute Charly Marx recht hatte mit seiner Theorie:

These 1: Die Staatsfinanzierten, die Abgesicherten, die, die bis an ihr Lebensende mit dem goldenen Löffel im Mund herumlaufen, die werden dem Unternehmer und Senfmade-Man natürlich was erzählen von wegen unsozial. Für sie, für die der Kapitalismus so gut gesorgt hat wie noch nie für eine Gruppe Menschen in der ganzen Menschheitsgeschichte, für sie ist der Kapitalismus unsozial. Aber hergeben werden sie keinen lausigen Penny. Sie werden ihre Pfoten schön in den Taschen der Anderen halten.

These 2: Der Kapitalismus muss weg, denn der Staat sorgt für unsere reichen Vier ja ohnehin, was braucht man da Anstrengung oder Wirtschaft? Geld kommt automatisch. Jeden Monat. So viel wie so pünktlich. Über die Schwierigkeit, die es mit sich bringt, sein eigenes Geld zu verdienen, werden sie sich ausschweigen.

These 3: Der Kardinal ist besonders unangenehm. Er vertritt ja Reichtum, der sich über 2000 Jahre akkumuliert hat. Er hat also dem 200. Geburstag von Karl Marx 1.800 Jahre angehäuften Reichtum voraus. Da kann man gut klagen, wenn man fett im Nestchen der habgierigsten Institution  sitzt, die Menschen jemals erfunden haben.

These 4: Der Kofler ist schnell, witzig, klug und raffiniert. Vermutlich hat er mehr Grips in der Birne als die fetten, trägen Staatskatzen und -Kater. Klar, er wird nicht unterhalten, er muss unterhalten.

These 5: Nur der Kofler wird davon reden, dass der Einfallsreichtum von Menschen uns diesen ungeheuren Reichtum beschert hat, und nicht der Staat. Vom Umverteilen redet am liebsten der Kardinal. Er weiß ja, dass ihm niemals was weggenommen werden kann.

These 6: Wagenknecht ist fesch, aber man traut ihr nicht zu, dass sie eine Modeboutique erfolgreich führt, allenfalls leer kauft, wogegen nichts einzuwenden ist.

Bestimmt jetzt das Sein das Bewusstsein?

Jetzt geht die Sendung los, der Beweis läuft, ob das Sein das Bewusstsein bestimmt. Mal schauen, ob man sie bis zum Ende anschauen muss. Sobald alle 6 Thesen bestätigt sind, darf ich ins Bettchen. Ich muss ja morgen früh koflern. Mein eigenes Geld verdienen, irgendwie, und mich durchfretten von dem bisschen Netto, das mir Scholz gönnt, und wetten: Er will mehr von mir. Noch mehr, und von Ihnen übrigens auch, was der Kardinal unterstützt, Wagenknecht sowieso.

Ach ja, mit „akademischer Nostalgiker“ zahlt der Kofler schon mal darauf ein, dass er witzig und schnell im Kopf ist, und gleich haut er rein mit dem größte Flop der Weltwirtschaftsgeschichte, den uns der Kardinal so nahebringen will. These 4 stimmt schon mal. Der Mann ist gut.

Und Wagenknecht ist wortgewandt, ihr Marx soll nur verantwortlich für das sein, was er gedacht hat, und klar, nicht für das, was in seinem Namen gemacht wurde. Immerhin greift sie Marx, den Kardinal, an, und sagt, man darf ja Christus auch nicht für die Hexenverbrennung verantwortlich machen. Ok, zählt auch noch unter witzig und schnell. Doch Boutique-tauglich?

Dafür erfüllt der Kardinal alle Vorurteile. Labert, langweilig, und alles ist böse, weswegen der Marxismus zurückkehrt, und er steht nicht mal zu dem, was er sagt. Und Trump als Kapitalismusgegner, wie er sagt? Naja. Er glaubt ja auch, dass alle Engel auf die Nadelspitze tanzen können. These 1 erfüllt – kardinales Mimimimi. Fürchterlich falsch. These 3 (peinlich der Mann) auch erfüllt.

Olaf Scholz beschreibt die Dynamik des Kapitalismus. Gut. Punkt. Aufschwung, Sozialstaat. Freihandel ist gut. Aber er weicht aus.

Der Einspieler bestätigt Marx

Und dann der 1. Einspieler, den wir Anne Will zuschreiben: Die Welt geht unter. Sofort. Nur Armut. Überall. These 1 übererfüllt. 15 MINUTEN nach Sendungsbeginn, und schon 3 Thesen erfüllt: Karl Marx hat Recht, die Sendung rennt wie ein Klischee auf der Flucht vor einer neuen Idee.

Und jetzt sind wir bei Europa, und Mindestlohn, ungebändigtem Kapitalismus und Wagenknecht kommt der Boutique näher: „Keiner hat mehr Angst vor der SPD muss man sagen“. Kriegt sie als Geschäftsführerin die Boutique? Leider kommt dann die alte Leier, alles geht schlecht und allen. Auch dem früheren Tellerwäscher Georg Kofler, der den Aufstieg von der Spülküche  ins Luxusappartement geschafft hat?

Der spricht von etwas, was keiner glauben will: Es gibt Chancen. Gründer, und Exporteure. Es gibt Leute, die nicht reden, sondern leisten.

So dröge ist der Finanzminister, dass der Unternehmer Kofler den Finanzminister verteidigen muss. Hofft Kofler auf eine steuerliche Sonderbehandlung oder ist er übermütig? Und dann greift Kofler den Marx direkt an. Menschen haben Träume, sagt er, wo der Kardinal „Kapitalverwertungsinteressen“ schwafelt. Und wenn der Kofler so von Eigenverantwortung schwärmt, von Mut, Risiko und Verlustmöglichkeit, da glänzen die Augen der Kommunistin. Kofler will springen, wenn andere noch die Hosen voll haben. Und da predigt der Kardinal dagegen an und geht unter mit seiner sichtbar ins Fernsehen getragenen Angst vor allem. Dann kommt die große Scholz-Schwindel, der von allerlei Jammerei spricht, aber nur über eines nicht: Die monströse Abgabenlast, die superhohen Steuern. Die eigenen Anstrengungen sind wertlos? Ja, auch weil Scholz kassiert, uns die höchsten Steuern abzwingt – es ist der Staat, der die Leute kaputt macht, die sich entwertet fühlen, wenn von ihrer Leistung kaum was bleibt. Leistung lohnt sich nicht. Weder beim Verdienen, noch bei der Post oder Amazon. Davon schweigt der Scholz; schuld ist nie der Kassier-Staat, immer nur die, die arbeiten. Bislang spricht für Scholz: Das haben die deutschen Untertanen noch nicht gemerkt. Sie schlafen vermutlich schon, diejenigen, die morgen die Steuern verdienen müssen.

Keine Betriebsräte, aber für andere fordern: Der Kardinal

Und weil der Unternehmer noch nicht genug hat, nie genug kriegen kann, kriegt der Kardinal noch etwas ab: Er labert viel, redet von Gewerkschaften und Betriebsräten – die es in den kirchlichen Unternehmen wegen Sonderrechte der Kardinäle gar nicht gibt. Da ist sie die Doppelmoral. Nochmal erfüllt: Der Kardinal kassiert und gibt keinen Penny her …

Und dann noch der aktuelle Skandal: das halbstaatliche Unternehmen Post will nur noch Zusteller einstellen, die wenig Autounfälle verursachen und nicht ständig krank sind. Das ist ein Skandal, worüber sich der Minister und seine drei Steuerkassierer aufregen. Die vier können wenigstens ein wenig gönnen: Wer bei der Post arbeitet, soll nichts leisten müssen, wo kämen wir dahin (und wo kommt das Paket her?) Oder soll künftig bezahlt werden, wer nicht Autofahren kann und in der Zwischenzeit krank ist? Hallo? Da spürt man: Öffentlich ist, wenn nicht geleistet wird.

Man ist längst eingeschlafen, das Thema Karl Marx verschwindet im Tagesgeschwafel von Langweilern, die bestätigen: Staat macht fett und träge, und Marx hat Recht: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

PS.: Ein Leser weist uns darauf hin: 

Reinhard Marx, Kardinal, ist  nach meiner Information nicht kirchensteuerfinanziert, sondern bekommt seine Versorgungsbezüge wie die anderen Bischöfe von den Bundesländern (wohl mit Ausnahme von HB und HH) direkt aus dem allgemeinen Steuersäckel.

Selbst wenn Sie konfessionslos sind oder einer anderen Religion angehören, müssen Sie den Herrn Marx mitalimentieren.