Tichys Einblick
Fragen ohne Antworten

Bei Anne Will – Spahn und Lindner in Sachen Corona auf Schmusekurs

Anstelle von Wills Abgesang: „Unsere Zeit ist wieder mal um.“, fand Christina Berndt, Wissenschaftsjournalistin der Süddeutschen Zeitung mit ihrem Ausruf: „Test- und Impfdesaster“ das treffende Schlusswort.

Screenprint ARD / Anne Will

Wohl nicht nur alte weiße Männer kennen aus ihrer Jugend das Sprichwort: „Aus Schaden wird man klug“. In der Regel ist das wohl auch so. In Deutschland aber mit einer besorgniserregenden Ausnahme – der für die Bekämpfung der Corona-Pandemie zuständigen Teile der Bundesregierung. Völlig ungerührt und ohne jeden Selbstzweifel setzt sie die Serie „Pleiten, Pech und Pannen“ fort: vom Maskendesaster zu Beginn der Pandemie – mit all seinen unappetitlichen Begleitumständen, über den Flop mit der App, über die Lachnummer mit dem „Impfstoff gleich zum Jahresbeginn“ bis hin zum massenhaften Betrug und wundersamen Ergebnissen bei der jüngsten Test-Großoffensive.

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Selbst die sonst meist als quasi Regierungssprecherin agierende Anne Will kam nicht umhin, gleich zum Auftakt ihrer Sendung den Finger in die Wunde zu legen. Der zumindest am Anfang nicht wie gewohnt arrogant, sondern eher gereizt wirkende Gesundheitsminister Jens Spahn zischte die Gastgeberin an: „Ich kann ja nicht von Berlin aus gleichzeitig überall in Deutschland an den Teststellen stehen.“ Man habe schnell handeln müssen und da gehe eben manches schief. Was für eine Steilvorlage für die anderen Gäste, neben dem Arzt und Gesundheitspolitiker der Grünen, Janosch Dahmen, die Wissenschaftsjournalistin der Süddeutschen Zeitung, Christina Berndt, auch Christian Lindner, Vorsitzender der FDP. Doch von wegen – gerade er zeigte sich erstaunlich milde im Umgang mit dem für die Gesundheit im Lande verantwortlichen Minister.

Lindners Verständnis ging sogar so weit, die schnelle Vorgehensweise Spahns’ beim Testen zu loben, und dieses mit dem unbürokratischen Handeln in der Privatwirtschaft zu vergleichen. Wörtlich fügte er noch hinzu: „Da kommt es eben vor, dass man nicht alles und jeden Punkt vorhersehen könne.“ Wirklich ernst gemeint haben kann das der Cheffreidemokrat wohl nicht. Jedenfalls dürften sich viele Manager und Facharbeiter unserer noch starken Exportindustrie an den Kopf gefasst haben. Man stelle sich vor, Deutschlands Automobilhersteller Nr. 1 der Luxusklasse, Mercedes-Benz, würde bekanntgeben: „Alle Fahrzeuge wurden pünktlich ausgeliefert, nur haben wir vergessen, das Getriebe einzubauen – holen das aber, und das ist die gute Nachricht, in den nächsten Wochen nach.“ Lindners eigentümliches Verhalten dürfte nicht, wie Will vertraut mutmaßte, in der Freundschaft der Herren begründet sein, sondern vielmehr in der Vorstellung, sich in wenigen Wochen nach der Bundestagswahl in Koalitionsverhandlungen gegenüber zu sitzen. Niemand kann heute den Ausgang des Wählervotums vorhersagen. Dass es aber zu verschieden denkbaren Konstellationen kommt, ist anzunehmen. Wer will da gerade zwischen FDP und CDU schon jetzt zu viel Porzellan zerbrechen?

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Munter schiffte die Diskussion dann in den nächsten Bodennebel. Da waren es besonders die Eltern unserer Kinder im Lande, die einmal mehr in die Verwirrung gestoßen wurden. Ist nun Impfstoff für Kinder und Jugendliche in ausreichender Menge da? Kann man denn wirklich ohne Bedenken Kinder impfen? Wieviele Menschen sind denn nun wirklich geimpft? Die Antwort auf all dies war ein wechselndes Ja und Nein. So richtig genau wusste es gestern Abend niemand. Anstelle von Wills Abgesang: „Unsere Zeit ist wieder mal um.“, fand die Mitstreiterin von der „Süddeutschen Zeitung“ mit ihrem Ausruf: „Test- und Impfdesaster“ das treffende Schlusswort.

Die Fortsetzung der Misere deutet sich übrigens schon an. Da gibt es also Teststellen, die bei 25.000 Proben kein einziges positives Ergebnis erzielten. Ist es angesichts dessen auszuschließen, dass mittlerweile ein Handel mit negativen Tests gegen ein kleines Handgeld über die Bühne geht? Aber wie sagten Spahn und Lindner wie aus einem Munde, wenn man schnell handelt, kann man beim besten Willen nicht an alles denken.

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