Tichys Einblick
"Niedriger Lohn, magere Rente"

Bei Anne Will: Der Humor der Genossin, die nie richtig gearbeitet hat

Über weite Strecken war die Veranstaltung zäh, wie ein Zusammenschnitt aus Sendungen der letzten Monate, auf die ein Dramaturg frech „Best of“ gepappt hat. Aber Karneval ist ja die Zeit des Seichten.

Screenprint: ARD/Anne Will

Zur Karnevalszeit am Abend vor Rosenmontag mal wieder ein leichtes (?) Thema. Da haben viele niedrige Löhne, die Rente reicht manchen kaum zum Leben, aber die Dödel wählen doch immer wieder genau die Parteien, die ihnen das Elend einbrockt haben – wenn das kein Humor ist, was ist es dann?

Oder nehmen Sie Petra Vogel, die Reinigungsfachkraft aus Bochum, nebenberuflich Gewerkschafterin und in der Linkspartei. Die ist in der Talkshowszene mittlerweile so bekannt wie in den 80ern Tilly aus der Palmolive-Werbung – („spröde Hände? Das muss nicht sein“). Wollen wir hoffen, dass ver.di und SED ihre Auftritte nicht nur mit dem Sozialistischen Gruß vergelten.

Dass sogar Katrin Göring-Eckardt, eigentlich nur für ihren furchterregenden Fanatismus bekannt, ein Quentchen Humor aufzubringen vermag, bewies sie mit der Forderung nach einem Mietpreisbremsgesetz, das wäre dann das dritte, nachdem SPD-Leuchte Heiko Maas bereits zwei davon auf den Weg gebracht hat.

Diplomjournalistin Anne Will (an dieser Stelle müssen Sie sich eingeblendete Lacher vorstellen) fragte ganz zu Beginn und ohne Vorwarnung die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, ob sie jemals Existenzängste gehabt habe. Und die sagte mit entwaffnender Klarheit, so dass dem Beobachter der Kiefer heruntersackte: „Nein. Das kann man nicht vergleichen mit Menschen, die in ihrem Leben gearbeitet haben.“ Großartig! Bravissimo! Hier fehlte eindeutig der Tusch, die Karnevalsfanfare mit dem Trommelwirbel am Schluss. In der Tat, nach Studium und ein bisschen hier und da, war die Genossin Dreyer nur als SPD tätig, das kann man wahrlich nicht mit den armen Teufeln da draußen vergleichen. Wir hätten eine solche Pointe, die selten genug im unfreiwilligen politischen Kabarett ist, aus dramaturgischen Gründen am Ende der Sendung gebracht.

Denn über weite Strecken war die Veranstaltung zäh, wie ein Zusammenschnitt aus Sendungen der letzten Monate, auf die ein Dramaturg frech „Best of“ gepappt hat. Kurz: Rot-Grün erfanden Hartz 4, machten die Zeitarbeit zum perfekten Lohndrücker, ohne bei der Zeitarbeit die Zeit dieser Beschäftigung zu begrenzen, sodass heute 30% trotz Arbeit am Existenzminimum kratzen, von der zukünftigen Rente gar nicht zu reden, obwohl der damals zuständige SPD-Minister noch eine Bauernfänger-Rente erfand und mit seinem Namen „Riester“ zierte. Dann holten und holen immer noch Union, SPD und Grüne Millionen Sozialfälle ins Land unter fadenscheinigen Begründungen und dreisten Lügen, die alle Wohnungen suchen und die Löhne im Regalfachpacker- und Transportfachfahrerbereich weiter drücken.

Mike Mohring von der CDU in Thüringen hat ganz andere Sorgen (Anne Will: Krebs), wie er mit Mütze auf dem Kopf sehen ließ. Ohne ihn hätte Diplomjournalistin Anne Will wohl vergessen, darauf hinzuweisen, dass in den wilden 90ern, wo auch jeder Genosse den Kapitalisten spielen wollte, die Berliner SPD hunderttausende Wohnungen an profitorientierte Immobilienkonzerne verhökerte und jetzt dumm aus der Wäsche guckt. Oder dass gerade kommunale Unternehmen die Raumpflegefirmen bei den Konditionen so drücken, dass die das über Subunternehmen auffangen.

Ob Reinhold von Eben-Worlée, Präsident vom Verband „die Familienunternehmer“, wusste, auf was er sich da eingelassen hat? Ganz sanft wies er darauf hin, dass die meisten Städte, die über fehlenden Wohnraum klagen, rot-grün regiert werden, der Wohnungsmarkt der mit den stärksten staatlichen Eingriffen ist, ein Grund für das Versagen. Dass der Arbeitgeber die Hälfte zu den Krankenkassen- und Rentenbeiträge dazuschießt (anders als in der Schweiz). Wenn er von einer sachlichen Diskussion bei diesen Teilnehmern ausging, dürfen wir ihn an dieser Stelle – bei allem Respekt – als Narr bezeichnen.

Und damit ist er gut bedient, denn ein Guido, der in Berlin und Köln irgendwas mit Obdachlosen zu tun hat, sieht vor lauter knallroten Farben vor den Augen nicht, wer uns den Schlamassel eingebrockt hat, sondern macht „Unternehmer wie Sie dort vorne“ für alles verantwortlich, und das war durchaus als Drohung gemeint.

Der Runde war wohl vorbereitend eingeschärft worden, bloß keinen Zusammenhang von Zuwanderung in der Größe einer mittleren Großstadt und Platzmangel herzustellen, schließlich ist Karneval, und es soll in erster Linie spaßig sein. Dass nun ausgerechnet die, die das Land mit Karacho gegen die Wand gefahren haben, dem TV-Zuschauer zum wiederholten Male Wege aus der Krise weisen wollen, das muss schließlich ein Witz sein. Das kann nicht einmal der Staatsfunk ernst meinen. Nun gut, kein Witz für jeden, aber die Genossen werden sich königlich amüsiert haben.