Tichys Einblick
Schmusekätzchen schnurrt

Im ARD-Sommerinterview meckert Söder am Wahlkampfstil – aber bringt wenig

Im ARD-Sommerinterview kritisiert Söder bisherigen Wahlkampf und fordert mehr Inhalte - aber bleibt selbst inhaltslos und widersprüchlich. Er will den Leopard im Sprung geben, aber wirkt wie eine müde Katze auf leisen Pfoten.

Screenprint: ARD

Ein erstaunlich gelassener Markus Söder präsentierte sich gestern Abend zum Abschluss der ARD-Sommerinterviews der Spitzenkandidaten der Parteien für die bevorstehende Bundestagswahl am 26. September. Natürlich sei die derzeitige Situation, wenn man auf die Umfragen schaut, alles andere als rosig. Aber, so der wackere Franke weiter, entschieden sei noch gar nichts. Nur müsse jetzt endlich richtiger Wahlkampf gemacht werden. Bisher sei viel zu viel über „Lebensläufe und Lachereien“ geredet worden. Jetzt müsse es um die großen Fragen gehen! Söder nannte da den Klimaschutz, die Steuerpolitik und nicht zuletzt eine neu zu bestimmende Sicherheitspolitik. Kämpferisch fügte er hinzu, es ginge jetzt wirklich um die Zukunft des Landes. Bleibt die Bundesrepublik ein Land mit bürgerlicher Politik oder kippt sie nach links in ein Rot-Dunkelrot-Grünes Bündnis weg. Eigentlich hätten jetzt Beispiele kommen müssen und zumindest ein paar zitierfähige Schärfen. Aber will er wirklich was Neues wagen oder doch nur mehr von demselben?

Nur mehr von der selben Söderei

Wer einen Leoparden im Sprung erwartete, erlebte ein Kätzchen im müden Schleichgang. So recht erfuhr bis zum Ende der Sendung niemand, wofür Söder eigentlich steht und warum man ausgerechnet aufgrund seiner Argumente die Union wählen sollte. Eigene Inhalte und Alternativen blieb er schuldig. Natürlich erwähnte er die Reizworte Steuererhöhungen oder -absenkungen, natürlich sprach er über Windräder und natürlich auch über die Sorgen der Wirtschaft. Nur, was die Anderen so wirklich anders machen würden, konnte er in der notwendigen abschreckenden Weise nicht vermitteln. Vergeblich wartete man beim Thema Energie auf den Hinweis, dass schon im nächsten Jahr die Versorgung mit Strom, infolge des Vollzuges des Atom-Ausstieges und dem Beginn des Kohle-Ausstieges, zu einem Problem werden wird. Ein Umstand übrigens, auf den SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in jedem Interview hinweist, um gleich im Anschluß der CDU/CSU, bzw. ihrer „Verhinderungspolitik“, die Schuld daran zu geben. Was für eine Vorlage für Söder und einen neuen Wahlkampfstil! Nichts da. Das Thema Migration und Kriminalität im Lande sparte er gleich völlig aus. Dafür erklärte er aber, wie schon weiland Ex-Bundespräsident Wulff, dass der Islam selbstverständlich zu Deutschland gehöre. Angesichts der aktuellen Vorgänge in Afghanistan dürfte gerade der noch verbliebene Teil konservativer CDU-Wähler seinen Ohren nicht getraut haben.

In der Corona-Debatte plädierte er dafür, den Dialog mit den Skeptikern zu suchen. Im selben Atemzug schloß er diesen mit den Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen, „mit ihren irrationalen Argumenten und aggressivem Verhalten“ aus. Dialogbereitschaft hört sich anders an. Es wäre schon gut, wenn beispielsweise im Fernsehen einmal Wissenschaftler zu Wort kämen, die anderer Meinung als RKI-Chef Wieler und Merkels Pandemie-Gott Drosten sind. Ein Blick in eine andere Demokratie, gleich nebenan in Österreich, zeigt, wie so etwas gehen kann. Man muß kein Corona-Leugner oder Verschwörungstheoretiker sein, um angesichts der vielen Pannen und Manipulationsversuchen, wie der bewußten, und wider besseren Wissens, betriebenen Dramatisierung der Lage auf den Intensivstationen oder die Aufforderung der Politik, was die Tageszeitung „Die Welt“ verdientermaßen enthüllte, an das RKI, ein möglichst düsteres Bild zu zeichnen, um der offiziellen Argumentation mit Mißtrauen zu begegnen. Ein wirklich offener Dialog über alle im Raum stehenden Fragen um Corona und das Impfen findet bis heute in Deutschland nicht statt. Schon vor dem Hintergrund der vielfältigen Einschränkungen von Grundrechten haben die Bürger aber längst einen Anspruch darauf. Von Söder kann man fairerweise so etwas auch nicht erwarten, gehört er doch zu den rigidesten Verfechtern der Corona-Maßnahmen.

Maßstäbe für Kompetenz sind verschoben

Gänzlich verunsichert mußte der Zuschauer gestern Abend über ein Lob des Bayern für die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sein. Söder wörtlich: „Sie ist eine engagierte und kompetente Frau.“ Mir fällt dazu nur ihre sensationelle Behauptung ein, dass die Soziale Marktwirtschaft das Werk der SPD in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen sei. Bislang glaubte ich, dass dies die CDU, und da insbesondere Ludwig Ehrhard gewesen ist und dass das Wissen darüber schon in der Hauptschule vermittelt wird. Die Maßstäbe für Kompetenz haben sich offensichtlich grundlegend geändert. Der sich modern und Grünen-nahe gebende Söder muß sich da ja auskennen oder anders gesagt: Man lernt eben nie aus. Warum hat er eigentlich nicht die weitreichenden und mit Verboten einhergehenden Pläne der „kompetenten Frau“ für den ökologischen Radikalumbau unserer Wirtschaft problematisiert? Söders’ Geheimnis.

 

Auch Angela Merkel in eine Reihe mit den Kanzlern Adenauer und Kohl zu stellen, erscheint etwas verwegen. Der Eine steht für West-Integration und Wirtschaftswunder, der Andere für die Wiedergewinnung der deutschen Einheit. Doch wofür steht Merkel eigentlich? Hat Söder vergessen, dass Merkel die „Mutti“ des profillosen und auf Harmonie bedachten asymmetrischen Wahlkampfs ist? Laschet wandert doch nur in den Fußstapfen der großen Dame. Merkt Söder nicht, dass er etwas kritisiert, was er kurze Zeit später preist?

Kurzum – das gestrige Sommerinterview war verschenkte Sendezeit – und nicht mal zum Schmunzeln.

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