Tichys Einblick
Ändert die Generation Greta die Politik?

Anne Will: Klimatherapie mit Prof. Lesch: Eine Stunde stillstehen

„Atomkraft ist nicht die Zukunft.“ Sagte Greta erneut bei Anne: „Aber die Atomkraft kann ein kleiner Teil einer Lösung ohne fossile Brennstoffe sein.“

Screenshot ARD

Was, bitteschön, passiert da gerade? Sondersendung für Greta aus Schölefrö im hauptamtlichen, von üppiger Demokratie-Zwangsabgabe finanzierten Staatsfunk wie sonst nur für die Kanzlerin (und wenige andere Ausnahmen)?

Wohl nur, weil Greta halt nicht so viel zu sagen hat, was man ihr nicht vorwerfen kann, wird noch ein bisschen Laber-Rhabarber drumherum veranstaltet? Fünf Gäste – eine Meinung: Die Welt geht unter, und zwar vor 2030, definitiv aber vor 2038.
Vielleicht aber, diesen Eindruck vermittelten jedenfalls die Gäste und die Klatschpappen, sind ja auch wir die Geisterfahrer? Nun, so lesen Sie denn, wenn Sie das ohne Schnappatmung durchhalten, die Aufzeichnungen eines Geisterfahrers vor dem Crash.

Zwei großartige Filme kamen uns während der Sendung in den Sinn – Das Leben des Brian und Forrest Gump. Wie einst Brian ist auch Greta ohne ihr Zutun plötzlich zum Messias der Klimakirche geworden. Denn eigentlich saß das arme Kind nur mit einem selbstgemalten Schildchen (Skol! Jöt Klömö pür oder so ähnlich) vor dem schwedischen Parlament. Erst andere, wie etwa Katrin Göring-Eckardt riefen aus vollem Halse „Du bist die Messias*! Und ich muss es wissen, denn ich bin schon einigen gefolgt!“

Was sollte denn Greta machen? Wenn sie sagt: „Ich bin nicht die Messias*, ehrlich!“ – so war das für die nach erfolglosem Theologiestudium zur Priesterin der Klimakirche umgeschulte Göring erst recht der Gottesbeweis: „Nur die wahre Messias* leugnet ihre Göttlichkeit.“

Bei Forrest Gump, dem mental herausgeforderten Titelhelden, der immer auf die Füße fällt, gibt es die schöne Szene, in der er sich entschließt, in einem Stück von der Ost- zur Westküste zu laufen. Immer mehr gesellen sich ihm zu, ohne zu wissen, wohin oder warum er läuft. Dann die ganze Strecke zurück. Immer mehr folgen ihrem neuen Messias, der allerdings irgendwann sagt: „So. Ich geh‘ nach Hause.“ „Aber Meister!“, riefen seine vielen Jünger (m/w/d) „Was wird mit uns?“ Wir verlaufen uns.

Wie beschreibt man das Interview der Diplomjournalistin Anne Will mit Greta? Irgendwie zwischen „anhimmelnd“ und „voller mütterlichem Stolz“ – Ich habe Greta gesehen! Und mit ihr gesprochen! Bestimmt hat sie ein Autogrammkärtchen mitgenommen und ein Selfie gemacht. Inhaltlich? Nun, die wirklich sympathische Greta „hat Angst, denn es könnte ja…“ „Nein ich habe keine Bewegung gegründet“ (s.o.). Sie will keine Weihnachtsgeschenke mehr, und die Familie darf nicht mehr fliegen. Natürlich fragt die Diplomjournalistin nach dem Asperger Syndrom. „Ohne das hätte ich die Dinge wohl nicht so gesehen wie sie sind. Ich bin halt anders.“ Später sagt sie: „Ich bin realistisch.“

Robert Habeck, nach allerlei Berichten seiner zumeist weiblichen Journo-Anhängerschaft bereits der nächste König von Deutschland, hielt sich in der Show schlau zurück, Gretas Glanz strahlt auch so auf ihn herab, schließlich ist er Chef*in der deutschen Gretapartei. Erschreckt hat uns Harald Lesch, den wir nur als Wanderer zwischen den Milchstraßen kannten, mit seinen TV-Geschichten von fernsten Galaxien und implodierenden Sternen. Stattdessen ist er ein erweckter Schläfer der Club-of-Rome-Sekte, die schon in den 70er Jahren das Ende der Welt vorausgesagt hatte, damals hieß der Schlager „Waldsterben“. Sein aktueller Hit: Stürme rasieren Europa weg. Die mittelalterlichen Damen im Publikum lächelten erst recht verzückt, als Lesch seine ganz spezielle wie individuelle Klimatherapie vorstellte: Jeder solle sich eine Stunde am Tag nicht bewegen. Stillstehen. Freeze. „Oder auf dem Sofa liegen?“ fragte irritiert Anne Will. Geht auch. Selbst Robert musste grinsen.

Bei Wolfgang Kubicki haben wir schon seit einiger Zeit den Verdacht, der Mann ist orientierungslos geworden und irrlichtert irgendwo zwischen grünen, gelben und roten Koordinaten herum. Auf den ersten Blick merkt man das gar nicht. So atmete er schwer, als Lesch seinen Vortrag vom Ende der Welt („Alle müssen auf die Straße!“) hält. „Was atmen Sie denn so?“ „Darf ich nicht mal mehr atmen?“ Dann kuschelt er wieder mit Robert, als wären sie schon in einer Koalition.

Die Frage nach den Schülerstreiks kann Robert genauso wenig beantworten, wie sein Parteifreund Hofreiter in dem inzwischen berühmten Audio-Interview mit dem Deutschlandfunk. Für Wolfgang ist das hingegen kein Streik, sondern Schulschwänzen. Dafür kriegt er kurz einen bösen Blick von Therese Kah aus der Greta-Bewegung, die allerdings keine Schülerin mehr ist sondern Studentin, und die von Informatik lieber in die Gedönswissenschaften wechseln will, wovon wiederum Anne, die Therese auch ganz toll findet, eher abrät. Auch für Therese gilt: Sympathischer und eloquenter als ein ganzer Grünen-Parteitag zu seiner besten Stunde.

Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, ist mit Kind und Kegel angereist und antwortet auf die Frage „Sind Sie in Panik?“: „Öh … ich bin Physiker.“ Und wie der Ossi so ist, kommt er mit allerhand Fakten daher. Er kenne die Gase, die von 200 auf 400mpp gestiegen seien. Außerdem kenne er alles vom Sauren Regen, Dioxin, FCKW bis NOX. Um dann mit –„Bumm!“ – „die Luft war noch nie so sauber wie heute“ zu enden. Reiner hofft, „schon wegen meiner Enkel“, dass wir bis 2030 auf Atom und Kohle verzichten können (die heute zwei Drittel der Energieversorgung sicherstellen), „wenn wir bis dahin Alternativen haben. Die haben wir nämlich noch nicht.“ Dass er trotzdem beklatscht wurde, lag daran, dass Reiner immer den Kollegen Lesch lobte und für ihn frühere Sendetermine forderte. Ja, man darf den Ossi nicht unterschätzen!

Wolfgang, kurz wieder auf unserer Seite, berichtete dann von Reisen nach Südafrika, wo sich die Bevölkerung rasend schnell vermehre und nach Indien, wo hunderte neue Kohlekraftwerke geplant seien. Vielleicht sollte Robert da mal als Prediger hingehen, wenn‘s mit dem König von Deutschland nichts wird. Kubicki forderte dann Gnade von den jungen Zuschauern, weil man in einer Demokratie nicht einfach etwas anordnen könne, oder um das in deren Schulstoff zu übersetzen: Führerbefehl gibt’s nicht mehr. Seine Gesprächspartner mahnte er zu behutsamem Vorgehen wegen der AfD. Statt Verboten solle man doch an der Preisschraube drehen. Sie erinnern sich, die Grünen hatten mal 5 Mark für Sprit gefordert. So was will der Wolfgang auch. Merken Sie jetzt, dass er ortlos geworden ist?

Das letzte Wort soll der staubtrockene Reiner haben: „Wenn alle Grünen-Wähler eine CO2 Bilanz hätten wie die CDU-Wähler, hätten wir die Klimaziele längst erreicht.“ So was wird tatsächlich ausgerechnet!

Übrigens: Am Abend zuvor hatte Greta die Golden Kamera verliehen bekommen. Kurz nach ihrem Auftritt erhielt eine Schauspielerin einen Preis: einen dicken, fetten SUV. – Und bei Anne wiederholte Greta: „Atomkraft ist nicht die Zukunft.“ – „Aber die Atomkraft kann ein kleiner Teil einer Lösung ohne fossile Brennstoffe sein.“