Tichys Einblick

Anne Will: Angriffe des Westens auf Syrien – wie gefährlich ist die Konfrontation mit Russland?

Da haben wir Glück gehabt, dass nach den Raketen keine Sondersendungen folgten, sondern nur Anne Will. Mit Norbert Röttgen. Das heißt: das Schlimmste ist vorbei.

Screenprint ARD

Hoffentlich erwarten Sie, verehrter Leser, hier jetzt nicht die endgültige Klärung folgender Fragen: Hat Assad Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt? Was und wen genau trafen die Raketen von Donald, Emmanuel und Theresa? Weiß Norbert Röttgen mehr als wir alle? Nun gut. Wenigstens die letzte Frage können wir klar beantworten: Nein.

Dennoch gibt es das ein oder andere Bemerkenswerte zu berichten. Bei Wolfgang Ischinger, der ein privates Diplomatiegeschäft, vorrangig mit Konfektionsware aus dem Prä-Trump-Washington, betreibt, muss man zwei Arten von „wir“ unterscheiden. Vor 102 Jahren setzten „wir“, also in diesem Fall das Deutsche Reich, zum ersten Mal Giftgas ein, das ist das eine „Wir“, das heutige steht für die EU. Sodann ist der Ischinger das, was man einen guten Juristen nennt. Raketenangriff gegen das Völkerrecht? „Also … Man kann lange diskutieren … Wie nach dem Massen-Massaker beim Kosovo-Krieg (den wir lieber Fischer-Krieg nennen) … völkerrechtlich legitim.“ Wie der Historiker weiß: Die Kriegsschuld wird immer nach dem Siege festgelegt.

Alexander Lambsdorff (im Auswärtigen Amt beurlaubt) arbeitet für die FDP und die EU, daher „wissen wir ganz genau“, Assad hat. US-Verteidigungsminister Mattis sagte übrigens noch am Donnerstag, die US-Regierung hätten „keine soliden Beweise“, wonach überhaupt chemische Waffen bei dem Angriff in Douma eingesetzt worden seien. Lambsdorff will auch nicht die Expertise des OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) abwarten, weil die gar kein Mandat haben, die Urheberschaft des Giftgases aufzuklären. Das herauszufinden sei „Aufgabe der Geheimdienste“. Und denen vertraut der Liberale.

Jan van Aken, promovierter Biologe, ehemaliger Biowaffeninspekteur der Vereinten Nationen und Mitglied der „Linken“ konnte die ihm zugewiesene Rolle als Putin-Versteher glaubhaft ablehnen („Russland ist kein Freund und Partner, nach dem, was in Aleppo passiert ist“), war aber juristisch beschlagener als die anwesenden Juristen: „Sie bestrafen doch in Deutschland auch niemanden, bevor er verurteilt ist.“ Jedenfalls glaubt er auch den Amis und den Briten „nie wieder“. Und weil es auch um Resolutionen beim UN-Sicherheitsrat ging, „die die Russen immer boykottieren“ (Ischinger), berichtigte ihn van Aken dahingehend, dass die USA und Russland sich gegenseitig ständig ausbremsten. Gysi, van Aken, Wagenknecht, da kann man manchmal schwach werden – gut, dass genügend Kippings bei den Roten den Ton angeben, und wir aus der Geschichte wissen, wozu sie fähig sind.

Drohen, Bluffen, Zuschlagen – Die Zweite
Der westliche Luftschlag als Friedensofferte
Die Perserin Golineh Atai berichtet für die ARD aus Moskau und weiß, was von ihr erwartet wird. Der Russe habe „kein Interesse mehr am Westen“, hat sie oft gehört. Und einen Großmachtanspruch hat er auch. Dann leidet sie unter dem russischen Fernsehprogramm, wie unsereiner unter dem deutschen Öffentlich-Rechtlichen. Das Staatsfernsehen vermische Fiktion mit News (passend, dass direkt vorher bei der ARD ein Anti-AfD-Stück als „Tatort“ getarnt lief). Aber das deutsche Programm verfolgt Frau Atai nicht, denn sie beklagte, dass nachdem Russland Krankenhäuser bombardierte, „kein Aufschrei“ erfolgt sei. Dabei war der dreimal so laut wie nach den Ami-Bomben auf Krankenhäuser.

Nun können wir alle froh sein, dass es nach dem Angriff vom Wochenende keine Sondersendungen und Brennpunkte gab, sondern nur eine Talkshow, weil, wie Frau Atei bemängelte, der Angriff „nur Symbolik“ gewesen sei. So geht auch die Anne-Will-Redaktion davon aus, dass das Schlimmste wohl vorbei ist, denn sie hatte wieder mal Norbert Röttgen eingeladen, und Norbert Röttgen – unsere Leser wissen das – ist immer da, wenn es nicht wichtig ist.

Zwischendurch rutscht ihm auch Lustiges raus, etwa, wie enttäuscht er sei, dass „niemand gefragt hat“, ob wir mitbomben wollen. Vielleicht, weil „wir ganz umfassend nicht vorbereitet“ waren.“ Bei seiner Parteifreundin Uschi kein Wunder!

Jetzt sind, laut Meinung der Runde, die Diplomaten gefordert. Und damit auch unser Chefdiplomat Heiko!

Berufsdiplomat Lambsdorff: „Macron ist tief enttäuscht über das Verhalten der Bundesregierung.“

Röttgen: Die Briten, mit denen ich gesprochen habe, haben das gar nicht thematisiert. „Und Morgen bin ich in Paris.“ „Natürlich müssen wir mehr tun, mehr Geld ausgeben.“

Ischinger: „Das größte Land der EU mit einem GroKo-Papier, das mehr Verantwortung für Europa und die Welt ankündigt, hat man nicht mal gefragt? Beschämend!“

Van Aken: „Heiko Maas will alle Beteiligten an einen Tisch holen? Dann soll er mal machen …“

Trump hat er beschimpft, Putin auch, Assad sowieso, Iran kennt ihn nicht, Israel nimmt ihn nicht für voll. Aber das kann ja einen Heiko nicht erschüttern. Schon bald können wir von seinen neuesten Abenteuern berichten, vielleicht unter dem Titel „Heiko außer Rand und Band“.