Tichys Einblick
Standheizung

Wohliges Elektroauto-Feeling

Januar und Februar sind die beiden kältesten Monate des Jahres. Wer in diesen Monaten auf der Straße parkt, hat keinen Spaß. Es sei denn, er simuliert ein kleines bisschen Elektroauto – indem er sein Fahrzeug ans Stromnetz anschließt und die Kiste von Eis und Schnee freiheizt.

HELMUT FOHRINGER/AFP/Getty Images

Früh am Morgen ist Lärm auf der Straße. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich dunkle Gestalten, die an Autotüren reißen und auf den Scheiben herumhämmern. Es sind keine Autoknacker, sondern Laternenparker, die ein Guckloch in der Windschutzscheibe freihacken, durch dessen milchigen Schein sie wenigstens erahnen wollen, ob ihnen nur ein überholender Lastwagen entgegenkommt oder ob sie schon auf der falschen Fahrbahnseite fahren.

Natürlich ist jeder Erfolg nur temporär. Kaum sitzen sie im Wagen, beschlägt die Scheibe sofort wieder von innen, nur um dann von beiden Seiten gleichzeitig zuzufrieren. Die Scheibenwischer haben keine Chance und zerstören sich an der harten Eisschicht selbst. Der tapfere Lüfter im Auto arbeitet, so hart er kann, aber bei kaltem Motor hat er keine Chance.

Dabei gäbe es eine einfache Lösung: eine Standheizung. Obwohl Deutschland ein kaltes Land ist, gehört diese bei uns allerdings nicht nur nicht zur Standardausstattung, sie ist sogar als Zusatzausstattung geradezu obszön teuer.

Vielleicht liegt das an unserem vorauseilenden Umweltgehorsam, der hier aber unangebracht ist: Da der Motor beim Betrieb einer Standheizung von Anfang an wärmer ist, verbraucht er auf den ersten Kilometern so viel weniger, dass eine eingebaute Standheizung fast keinen zusätzlichen Benzinverbrauch verursacht. Gratis in ein wohlig warmes Auto einsteigen zu können und gleichzeitig eisfreie Scheiben zu haben, das wäre doch was. So etwas muss her – aber billiger als eine echte Standheizung.

Mein erster Versuch führte mich zu einem Keramiklüfter von Atrium Power Products, den man an den Zigarettenanzünder anschließt. Die Werbung verspricht 120 Watt (was einem Strom von schlanken zehn Ampere entsprechen würde) und dass man damit im Nu seine Frontscheibe freipustet. Die Wahrheit hingegen ist der Lärm eines Rasenmähers gepaart mit völliger Funktionslosigkeit. Das von mir erworbene Gerät landet daher nach wenigen Versuchen auf meinem nicht gerade kleinen Haufen für Elektroschrott.

Es muss ein stärkeres Gerät her, sagen wir mal mit 2.100 Watt. Ich besorge mir das Dometic DEFA A430061 Termini 2100, das laut Werbung für einen Lastwagen ausgelegt ist, und platziere es in meinem Kleinwagen. Da diese Leistung eine Autobatterie binnen Minuten leer saugen würde, brauche ich einen Anschluss an den Haushaltsstrom. Bei dem Versuch, dies umzusetzen, lerne ich das Gefühl des Elektroautofahrers kennen, der keine Garage hat. Ich lege ein Kabel vom Haus über den Gehweg zu meinem Auto. Andere Fahrer haben sich dafür extra einen Steckkontakt ins Auto einbauen lassen, aber ich klemme das Kabel einfach mit der Tür ein. Am nächsten Morgen steht eine kleine Demo gehbehinderter Personen vor meiner Tür, die mit ihren Krücken in der Luft herumfuchteln, weil sie mein Kabel als Stolperfalle interpretieren. Also besorge ich einen geeigneten Kabelkanal aus dem Baumarkt und verlege das Kabel vorschriftsmäßig.

Natürlich müsste ich jetzt noch am Morgen den Stecker einstecken und dafür eine halbe Stunde vor Abfahrt das Haus verlassen. Um dies zu vermeiden, besorge ich mir eine Funksteckdose mit Timer und mache meine Heizung am Abend scharf. Am kommenden Morgen ist mein Auto komplett weiß von Eis und Schnee, und ich drücke auf den Sender der Funksteckdose. Nach einigen Minuten zeigen sich dunkle Stellen im ansonsten weißen Eis. Bald beginnt es zu dampfen und zu tropfen wie ein Spaghettitopf, was die weniger experimentierfreudigen Mitglieder meiner Familie zu dem Versuch treibt, mich von der weiteren Durchführung des Experiments abzuhalten. Aber ich bleibe hart. Ganz im Gegensatz zu der Eisschicht, die sich nach einer halben Stunde fast vollständig aufgelöst hat.

Sodann räume ich das Kabel samt Kabelkanal von meinem immer noch dampfenden Auto weg, verschließe das Verlängerungskabel mit einem Pfropfen, damit ich es in der Nässe liegen lassen kann, und steige in meinen Suppentopf. Die Angst meiner Mitbewohner war unbegründet. Es gibt keine Brandflecken im Polster, es ist keine Scheibe gesprungen und kein Benzintank explodiert. Ich bin froh, dass ich das Gerät für einen Lkw genommen habe, denn im Wageninnern ist es immer noch eher kühl.

Aber die Scheiben sind warm genug, dass kein Eis mehr darauf ist und sie nicht zufrieren oder beschlagen. Ich kann sogar ohne Jacke einsteigen, denn sobald die Innentemperatur wieder abzufallen droht, ist schon der Motor bereit, seine Heizarbeit zu leisten.

Ich will meine Billigstandheizung nicht mehr missen, obwohl sie pro Einsatz ca. 20 Cent Strom verbraucht, ohne Benzin zu sparen. Falls sich die viel geförderten Elektroautos tatsächlich verbreiten sollten, wird auch mein Kabel kein Exot mehr sein, sondern wir werden sehen, wie aus jedem Fenster und jeder Kellertür ein Kabel quer über die Straße gelegt wird, um die Autos aufzuladen. Elektrofahrer der Zukunft werden sich allerdings wundern, wie Akkus unter null Grad reagieren und wie viel Akkukapazität so eine Heizung für sich beansprucht: 2,1 Kilowatt Leistung reichen kaum, um den Innenraum warm zu bekommen, aber sie wären genug, um einen Motorroller im Stadtverkehr mitschwimmen zu lassen.