Tichys Einblick

… ich sach noch, Werner, mach das nich!

Wrooaap. Schiga, schiga, schiga. In Kürze ein Festival: Motorradrennen nur auf den Hinterrädern, mit Kultmofas, Rasentreckerrennen und vier zusammengeschaltete Horex-Motoren in nur einem einzigen Motorrad.

Screenprint: Youtube/Werner TV

Anfang der 1980er-Jahre fuhr ich gemeinsam mit einem Freund zu einer großen Buchhandlung. Wir parkten unsere Mokicks direkt vor der Tür, rochen nach Zweitaktmischung, klemmten die Helme unter den Arm und betraten die Buchhandlung wie John Wayne einen Saloon. Wir hatten eine Mission.

Die Buchhändlerinnen wichen zurück, der Inhaber kam die Treppe herunter und stellte sich uns mutig entgegen. Dem hielten wir fordernd einen abgerissenen Zettel vor die Nase, den mein Freund aus Kiel mitgebracht hatte. Darauf stand: „Werner oder so was aus dem Semmel- (bzw. Brösel-)Verlag“. Der Buchhändler guckte, als hätten wir 1 Fiddl Fund Wirbl und 1 Harbsch mit Schronk und Borsz verlangt. Wir wurden ungeduldig.

Mir war das damals nicht klar, aber in der Buchbranche hatte man ernsthafte Vorbehalte gegenüber Menschen mit Stiefeln und Helm. Dieses Buch gibt es nicht, sagte er. Meine Anregung, den Sachverhalt mittels seines dicken Nachschlagewerks zu überprüfen, konterte er mit dem Hinweis, er sehe sich zu weiteren Maßnahmen genötigt, wenn wir den Laden nicht umgehend verließen. Das war schön dumm von ihm.

Denn wir fuhren zwar nicht auf den Hinterrädern quer durch seinen muffigen Laden (obwohl wir das ernsthaft in Erwägung zogen), aber es gab das Buch tatsächlich, und eine andere Buchhandlung erklärte sich sogar bereit, es für uns zu besorgen. Kurze Zeit darauf kamen immer mehr Kunden mit Helm in jene Buchhandlung und fragten nach dem Buch aus dem Semmel-Verlach. Die Buchhandlung orderte immer größere Mengen und verdiente ziemlich gut daran. Zu meiner großen Genugtuung ging übrigens die erste Buchhandlung einige Jahre später pleite. Das passiert, wenn man Entwicklungen verschläft.

Und die Entwicklung war enorm. Man besaß damals Freiheitsdrang und im Alter von 16 ein Kleinkraftrad oder wenigstens ein Mofa. Der Motorradführerschein war noch billig, deshalb wurde mit 18 aufgerüstet. Fahrrad und Monatskarte waren für Müslis. Echte Männer hatten ein Fahrzeug mit Motor. Mit starkem Motor. Laut, ungebändigt und frei. Damit fuhr man quer durch Deutschland, durch Europa, durch die Wüste. Die Zeitschriften hießen „Easy Rider“ und „PS“, die Bücher „Schrauberfibel“ und „Zweitakt-Tuning“. Der natürliche Feind war die Polizei. Alles sonst war so sicher, dass eine ihrer Hauptaufgaben darin be­stand, Vorschriften-widrige Motorräder aus dem Verkehr zu ziehen.

In Kiel gab es einen arbeitslosen Künstler, der gern in Kneipen herum­ hing und im Austausch gegen Bier auch mal die Speisekarte malte. Er textete so begnadete Zeilen wie „Hurra, wir ver­blöden, für uns bezahlt der Staat“. Zu­sammen mit Benzingesprächen („pedal­ gezackte Kunstbuttereinstreichung mit zwei Tretobratzen“) war das eine unwiderstehliche Mischung für die Ge­neration der Benzinliebhaber. Dieser Arbeitslose nannte sich Brösel und war bald Bestsellerautor. Seine Comicfigur Werner hatte eine sehr lange Nase, lieb­te Flachwitze, spielte oft Zündkerzen und Würfel als Folge eines ungehemmten Bierkonsums und fuhr eine Horex, die schon damals ein Oldtimer war. Aller­dings neigten Werners Abenteuer dazu, etwas auszuarten, und endeten gern in einem Massenkonflikt in der Öffentlichkeit mit hohem Sachschaden, wie Wikipedia so treffend vermerkt.

Dieser Hang zog sich auch in die ech­te Welt. Brösel hatte in seiner Stamm­kneipe gegen den Porsche des Inhabers gestänkert und vollmundig geprahlt, seine Horex könne ihn abledern. Dum­merweise hatte die Horex nur mick­rige 28 kW. Dann wurde Brösel Best­sellerautor, nahm 280.000 DM seines neu verdienten Geldes und baute den Red­-Porsche­-Killer: eine Horex mit vier zusammengeschalteten Motoren.

Damit trafen sich die beiden Kontra­henten im Jahr 1988 in Gegenwart von 200.000 Adjutanten auf einem Flug­platz. Brösel verhielt sich exakt wie sein Held Werner. Er verschaltete sich und verlor das Rennen.

Davon handelt auch sein neuestes Buch „Werner, wat nu?“. Eine 128­-seiti­ge Werbeschrift in Comicform für die Revanche, die vom 30. August bis zum 2. September 2018 am Flugplatz Har­tenholm stattfinden soll. Dafür hat er seinen alten Red­-xxxxxxx­Killer mit 4 x 550­ccm­ Motor restauriert. Aber Werner ist alt geworden.

Statt Benzin zu lieben, sorgt er sich jetzt um Fracking, versucht sich an Flachwitzen zur längst abgeschafften Kernenergie und konno­tiert Skateboards, Fahrräder und Reis­kocher positiv. Fast wirkt es, als erwarte er diesmal keine Einwände von Porsche, sondern Maasnahmen aus dem Kanzler­amt. Brösel ist ein solcher Warmlöter ge­worden, dass sogar seine Horror-­Horex eine elektrisch unterstützte Schaltung bekommen hat. Ogottogott. Wenigstens soll der Red Killer stationär durch einen Mähdrescheranlasser gestartet werden.

Ob diese Zutaten das Format zu ei­nem ordentlichen Massenkonflikt mit hohem Sachschaden haben? Vermut­lich können wir schon froh sein, wenn Brösel genug ungefracktes Bioethanol getankt hat, dass er nicht auf einem Skateboard antreten muss. Aber für die Mofa-­ und Rasenmäherrennen lohnt sich die Anreise bestimmt.