Tichys Einblick
Loyola University New Orleans

Hexenjagd auf einen Ökonomen und freien Denker

Der Ökonom Walter Block soll von seiner Professur zurücktreten, weil er die historische Sklaverei mit den Gründen eines Libertären – als unfreien Vertrag – ablehnt. Dabei ist es eigentlich das Textverständnis seiner Kritiker, das jeder Beschreibung spottet.

Der Ökonom Walter Block ist für seine Denkexperimente bekannt. Er hat schon ein ganzes Buch mit ihnen gefüllt (Defending the Undefendable, nachzulesen hier), in dem er argumentiert, dass viele ethisch fragwürdige Dinge nicht unbedingt zum Nachteil der Gesellschaft sind, während wirklich schädliche Verhaltensweisen leichter durch eindeutige Eigentumsverhältnisse beseitigt werden können als durch staatliche Kontrolle. Block ist ein libertärer Ökonom und Gesellschaftstheoretiker in der Tradition von Ludwig von Mises und der Österreichischen Schule, eine Denkrichtung, die unter anderem von Friedrich von Hayek adoptiert wurde.

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Man könnte nun die Überlegungen Blocks selbst fragwürdig oder zweifelhaft nennen, aber das ist genau das, was sie sein wollen. Es sind die detaillierten Überlegungen eines Ökonomen, die stets Anlass zur Diskussion bieten und genau das wollen. Dabei verliert Block aber nie gewisse Grundannahmen und -werte aus den Augen und ist insofern durchaus als prinzipienfester Denker anzusprechen. Dass Block mit dieser Methode gelegentlich in schweres Fahrwasser gerät, ist also gewissermaßen schon eingepreist. Zumindest aber ist es erwartbar, wenn man bedenkt, dass der Westen sich derzeit von freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Ideen entfernt – zumal in den Kreisen der akademischen Intelligenzia, die häufig eher einer Fallenzia gleicht (von lat. fallor »ich täusche mich«).

Doch die aktuelle Gegenwelle geht über Kritik in der Sache weit hinaus – zumal die Sache von den Verfassern einer Petition gegen Block nicht einmal klar dargestellt wird. Die Anschuldigungen, die darin gegen Block erhoben werden, gleichen eher einem Sammelsurium aus seinen Texten und rechtfertigen eben nicht den Gesamtvorwurf, dass Block ein »Rassist« gegen Schwarze sei.

Sklaverei ist unfreiheitlich

Der Anlass für diesen Vorwurf ist Blocks Argumentation, dass die unfreiwillige Sklaverei auch aus libertärer Sicht ein Übel darstellt, welches gegen das fundamentale Menschenrecht am eigenen Körper verstößt. Die Petition selbst argumentiert für gar nichts in dieser Frage und reißt nur Fragmente von Blocks Denken aus ihrem Zusammenhang, um – auch das ist erkennbar – eine Menge oder Meute gegen ihn aufzuhetzen. Block wird Voreingenommenheit gegen Frauen ebenso wie gegen Behinderte vorgeworfen, dabei mahnt er nur in allen vermeintlichen Fällen von Benachteiligung daran, sich zu deren Reparatur auf marktwirtschaftliche Mechanismen zu verlassen.

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Der Forscher fasst die Petition gegen ihn richtigerweise zu einem Satz zusammen: »Eine große Gruppe von Studenten verlangt meine Entfernung aus dem Lehramt. Der Hauptvorwurf, den sie gegen mich vorbringen, besteht darin, dass ich Sklaverei aus den falschen Gründen für falsch halte – nämlich ›weil sie gegen eine libertäre Weltanschauung verstößt, nicht weil sie moralisch falsch ist‹.« Dabei beruht Blocks libertäre Einstellung, wie sein Fürsprecher David Henderson bemerkt, auf moralischen Fundamenten. Wenn etwas also gegen libertäre Grundsätze verstößt, dann wäre das in Blocks Sinn auch ein moralisches Urteil.

Tatsächlich sind Blocks Gedanken über Sklaverei schon Jahre alt und werden natürlich nur im Zuge des BLM-Bildersturms aufgewärmt und erneut skandalisiert. Block schrieb 2014: »Die Vereinigungsfreiheit ist ein sehr wichtiger Aspekt der Freiheit. Sie ist von wesentlicher Bedeutung. In der Tat war ihr Fehlen das größte Problem an der Sklaverei. Die Sklaven konnten nicht kündigen und waren dazu gezwungen, bei ihren Herren zu bleiben…« Den Zwangscharakter der Verbindung sieht Block als die Grundlage für alle anderen Übel der Sklaverei an.

Wettkampf der konkurrierenden Machtansprüche

Erst dann folgte der für flüchtige Leser fatale Satz: »Was den Rest angeht, war die Sklaverei aber gar nicht so übel. Man pflückte Baumwolle, sang Lieder, wurde mit gutem Haferbrei gefüttert usw.« Dieser Kommentar Blocks war sicher etwas leichthin formuliert. Man könnte auch sagen, dass ihn hier die Nemesis der Kontrarianer erwischt hätte. Doch wie dem auch sei, aus diesem Satz erklärt sich wohl die heftige Gegenreaktion gegen seinen Text 2014 ebenso wie heute im aufgeheizten Klima der BLM-Proteste. Es geht nicht um Blocks Argument, in dem er den Zwangscharakter der Sklaverei als Unrecht hervorhebt, sondern um eine moralische Betroffenheit, die sein Text zur Schau tragen sollte, die Block aber vermied, um seine Argumentation rhetorisch zu schärfen. Derlei Redeschmuck – so nützlich er sein mag – wird heute natürlich kaum noch verstanden, geschweige denn angemessen gewürdigt.

Auf einer allgemeineren Ebene ist Blocks Punkt, dass die unfreiwillige Vereinigung von Menschen an zahllosen Übeln in unseren Gesellschaften schuld ist. Es ist offenbar ein Punkt gegen den modischen Sozialismus der »woke community«, den diese sicher bemerkt hat. Wenn seine Kritiker Block 2014 einen Mangel an »kritischem Denken« vorwarfen, dann fiel dieser Vorwurf jedenfalls auf sie selbst zurück, die es nicht vermochten, das kritische Gerüst seiner Theorie zu entziffern. Heute ist von Kritik und Kritikfähigkeit interessanterweise gar nichts mehr zu lesen, der aktuelle Diskurs erweist sich auch hier als einer der konkurrierenden Machtansprüche.

Die aktuelle Petition gegen Block an der jesuitischen Loyola University ist so erfolgreich dabei noch nicht. Erst knapp über 666 Unterschriften konnten gesammelt werden. Eine Gegenpetition, die eine Gehaltserhöhung für Block fordert, konnte bereits über 5.200 Unterschriften erringen. Block sei ein Leuchttum der Freiheit in diesen Zeiten, heißt es da, und er verdiene es, genauso behandelt zu werden.

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