Tichys Einblick
Abgründe der deutschen Bildungsnation:

Goethe-Uni Frankfurt verrechnet sich um hunderte Studienplätze

Ein vermeintlich kleiner Rechenfehler hat für fast 300 angehende Studenten verheerende Folgen. Manche haben jahrelang auf einen der begehrten Studienplätze gewartet, die sich nun scheinbar in Luft auflösten.

IMAGO / Schöning

Die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat 282 Medizinstudiums-Zulassungen verschickt, für die sie überhaupt keine Plätze hatte, wie die Bild-Zeitung kürzlich berichtete. Erst viel zu spät erfuhren die betroffenen angehenden Medizinstudenten, dass sich ihre Studienplätze in Luft aufgelöst haben. Die Uni hatte sich schlicht verrechnet. Diesen Skandal tut man nun als „Übertragungsfehler“ ab.

Der vermeintlich kleine Rechenfehler hat dabei für die fast 300 angehenden Studenten schwere Folgen. Die Betroffenen haben teilweise Wohnungen und Arbeitsplätze gekündigt in Aussicht auf das Medizinstudium in Frankfurt. Manch ausländische Studenten hatten bereits Flugtickets gekauft. All das nun umsonst. Ebenso können nun Zulassungen anderer Unis nicht mehr angenommen werden, nachdem der Rückzieher der Goethe-Universität Frankfurt viel zu spät kam. Die entsprechenden Plätze an anderen Unis wurden nun schon vergeben. Keine Wohnung, kein Job, kein Studienplatz bedeutet das nun erstmal für einige.

Manche haben jahrelang auf einen der begehrten Studienplätze gewartet, begeistert die Zulassung erhalten, nur um dann zuerst aus der Presse davon zu erfahren, dass es einfach nicht genug Plätze gibt und sich die Uni bei einem so wichtigen Vorgang schlicht verrechnet hatte. Die Lebensplanung Vieler ist damit in sich zusammengefallen.

Von einer der größten Universitäten Deutschlands kann man eigentlich Besseres erwarten. Dieses Desaster ist ein Fehler, der nicht passieren darf. Und trotzdem kam es dazu. Es ist beispielhaft für ein Pannen-behaftetes und an vielen Stellen völlig dysfunktionales Bildungssystem in diesem Land. Sowohl auf Schulebene als eben auch in vielen Unis. Wenn die Goethe-Uni in Frankfurt nicht mehr richtig rechnen kann, wie wird das dann bei Fünftklässlern aussehen?

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Natürlich können Rechenfehler einmal passieren, aber bei solch grundlegenden Dingen, buchstäblich dem Grundstein des Studiums, hat jeder nur zu gut das Recht von der Universität, Besseres zu erwarten. Dass man so etwas Sensibles wie Studienzulassungen gerade in hoch nachgefragten Studiengängen doppelt und dreifach überprüft, bevor man sie verschickt, sollte eigentlich zur Normalität gehören. Stattdessen blieb so etwas wohl ganz aus. Und nicht nur das, die Betroffenen blieben noch tagelang im Unwissen, dass ihre Zulassungen völlig wertlos sind.

Gerade hier hätte eine Bildungsinstitution wie die Goethe-Uni eine hohes Maß an Sorgfalt an den Tag legen müssen. Was ist es für ein Vorbild für die Studenten, wenn ihre eigene Universität solch einfache Dinge nicht auf die Reihe bekommt? Gleiche Fehler können sich die meisten Studenten wohl kaum in ihrem späteren Beruf leisten, und gerade bei Medizin-Studenten dürfte zurecht äußerste Sorgfalt erwartet werden.

Die Bildungsnation Deutschland ist auf dem absteigenden Ast. Selbst wenn es einige wenige deutschen Unis manchmal auf Top-Ranglisten schaffen, dann landen sie dort nur hinter solchen aus den USA, Großbritanniens, Chinas und sogar der Schweiz. Auch wenn Deutschland den Anspruch haben sollte, bildungstechnisch an der Spitze zu stehen, mag man den Vorsprung Amerikas und Chinas noch anhand der Größe der Bevölkerung und Wirtschaft rechtfertigen können. Dass selbst unsere besten Unis allerdings oft weit hinter solchen anderer europäischen Länder landen, ist ein Armutszeugnis für Deutschland. Bei hochpeinlichen Skandalen wie dem aus Frankfurt ist all das allerdings kein Wunder.

Der Unmut der betroffenen Beinahe-Studenten ist nun auf jeden Fall verständlich groß. Auf change.org haben sie eine Petition gestartet, um doch noch irgendwie einen Platz an der Goethe-Uni in Frankfurt zu bekommen. Mehr als 40.000 haben bereits unterschrieben.

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