Tichys Einblick
Nix hängt mit nix zusammen

Schorndorf: Oberbürgermeister-Mathematik, mehr Flüchtlinge, mehr Straftaten

Mit seiner Relativierung hat der Oberbürgermeister nichts relativiert. Im Gegenteil.

Schorndorf im Remstal

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Nun kennen wir Schorndorf. Jedenfalls meinen wir nun mehr zu wissen, über das kleine Städtchen nahe Stuttgart, als gestern. Nichts wirklich Gutes leider. Zwar wurde die vom Polizeipräsidium Aalen im Presseportal veröffentlichte Mitteilung „Sexuelle Belästigungen, Widerstand und Flaschenwürfe gegen Polizeibeamte, sowie Sachbeschädigungen an Einsatzfahrzeuge der Polizei.“ zwischenzeitig vom Schorndorfer Bürgermeister höchst selbst deutlich relativiert, allein es fehlt der rechte Glaube, wenn der auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz am Montagvormittag erklärt:

„Ich bin der letzte, der sich einer klaren Analyse verweigert. Aber eins ist auch klar: Wenn in Baden-Württemberg etwa 150.000 Flüchtlinge sind, dann gibt es eben einen ganz normalen Dreisatz – und von daher kommt es eben auch im einwohnerdichten Raum Stuttgart zu mehr Straftaten.“

Alles in Ordnung?

Jedenfalls löst man dann eben, was die Polizei eine unbekannte neue Lage mit einem unbekannten Ausmaß an Aggressivität nannte, zukünftig mit Hilfe der Schulmathematik. Enthemmender Alkohol sei das Hauptproblem gewesen. Nun lernen wir auch hier: Wenn mehr Leute sich betrinken, dann sind eben mehr betrunken. Das ist sogar nur ein einfacher Vergleichssatz versus des Oberbürgermeisterlichen Dreisatzes.

Alkoholprobleme sind also ein völlig neues Phänomen für die Schorndorfer Polizei. Erstaunlich hier lediglich, dass es in Baden-Württemberg schon länger ein Alkoholverkaufsverbot nach 22 Uhr gibt, das nun ab Herbst aufgehoben werden soll. „Öffentliche Saufgelage zu verhindern liegt dann in anderer Verantwortung.“, berichtet der SWR. Aber in welcher? In Eigenverantwortung? Wer übersetzt es den Gästen Schorndorfs?

Warten auf die Relativierer
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Mit dem Verkaufsverbot habe man Millionen von Baden-Württembergern das Biertrinken verboten, aber nicht alle seien eine Gefahr, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Nun kommt die Gefahr offensichtlich von außen. Zynisch möchte man noch drei Sätze hinzufügen: Ausländer, die sich betrinken, machen auch nur Ärger. Umso mehr Menschen sich betrinken, desto mehr Ärger. Aber wer sich betrinkt, kann immerhin kein islamistischer Attentäter sein – wer sternhagelvoll ist, der fährt auch nicht mehr LKW. Also was soll diese ständige Behauptung, unter den Flüchtlingen befänden sich auch Attentäter? Wenn sie sich nur ordentlich betrinken, ist doch alles in Butter.

So hat dann alles noch sein Gutes, mag der Bürgermeister denken, wenn er heute möglicherweise eine Ausstellungsvernissage besucht, just im Moment in der Schorndorfer Galerie Q stattfindet und von der örtlichen Zeitung mit dem  warmherzigen Titel vorgestellt wird:

„Die Ästhetik der Flüchtlingswelle“

Der Künstler, der sich das für die Schorndorfer ausgedacht hat, heißt Kai Rheineck. Er nannte seine Ausstellung „Der gute Wille“.  Das ist geradezu prophetisch, denn den wird man heute in Schorndorf wohl auch brauchen. Gezeigt wird von Rheineck mittels schwarz-weiß Aufnahmen die Tristesse schnell hochgezogener Flüchtlingsunterkunftsarchitektur. Kalte Unterkünfte, die wenig Heimeligkeit aufkommen lassen. Und die von den Deutschen, die sie den Asylantragstellern zur Verfügung stellen nach Prinzipien wie „bedarfsgerecht“ und „begrenzte Nutzzeit“ aufgebaut wurden. Sagt Rheineck.

Der Künstler ließ harte Bänke aufstellen, damit es den Betrachtern seiner Aufnahmen nicht allzu gemütlich wird. „Wer sich auf ihnen niederlässt, bekommt die Härte der Bilder quasi im eigenen Kreuz zu spüren.“, schreibt die Kulturseite der Zeitung mitfühlend. Wird es nun zur Vernissage trotzdem den üblichen Prosecco geben? Oder nimmt man ausnahmsweise massenweise Dosenbier um hier tagesaktuell maximal realistisch zu agieren? Kommt auch massenweise Polizei, wenn sich die Menschen in Schorndorf wieder einmal betrinkt, weil man in diesem Städtchen jeden Anlass mitnimmt, sich einen hinter die Binde zu kippen und das auch seinen Gästen nachsieht?

Die Ästhetik der Flüchtlingswelle in Schorndorf: Die kleine Stadt nahe Stuttgart schaffte es schon mindestens zweimal in die Tagesschau. Einmal wurde am 10. September 2015 über die großartige schwäbisch-schorndorfer Willkommenskultur berichtet und die Plattform „Schorndorf hilft“ beispielhaft vorgestellt, und fünf Tage später hieß es noch einmal: „Eine Stadt hilft Ihren Gästen“. In Schorndorf gäbe es die ganze Bandbreite an Flüchtlingshilfe: Von Lebensmittel über Nahrung und Klamotten… Nur das Bier müssen die Gäste selber bezahlen. Aber wenn das Taschengeld stimmt, ist wohl auch das kein echtes Problem. Probleme? Gibt es in Schorndorf doch überhaupt nicht!

Übrigens war Schorndorf nicht allein …: „Krawalle und sexuelle Übergriffe bei gleich mehreren Volksfesten in Schwaben. Die Polizei verliert phasenweise die Kontrolle über die Lage – und zieht nun Parallelen zur Silvesternacht in Köln.“