Tichys Einblick
Eine OB-Kandidatin für Düsseldorf

Scherz oder nicht? Über aktuelle Schwierigkeiten des Aprilscherzes

Eine Medien- und Kulturwissenschaftsstudentin (23) mit Klimaschutz als "Lebensinhalt" und einem "soliden Programm" will Oberbürgermeisterin von Düsseldorf werden. Wenn das stimmt, sind Aprilscherze unmöglich geworden.

In vielen Redaktion war es früher üblich, am 1. April eine Scherzmeldung unterzubringen. Der Witz an diesen „Aprilscherzen“ ist bekanntlich, dass sie zunächst wie glaubhafte Meldungen erscheinen, dann allerdings immer absurder werden. Aber das scheint aus der publizistischen Mode zu kommen.

Und zwar weil – das soll hier die These sein – es immer schwerer fällt, solche Scherze zu machen. Nicht weil die Leser generell humorloser werden oder die Zeiten zu ernst sind. Die Geschichte belegt, dass der Humor gerade, wenn die Zeiten unangenehm, hart und für manche sogar tödlich werden, blüht. Die besten politischen Witze erzählte man sich bekanntlich während des Krieges und dann im Ostblock. 

VIRUS UND SPRACHE
Der Corona-Wortschatz
Nein, wirklich zur witzfreien Zone wird die Politik erst, wenn sie selbst immer mehr karikaturenhafte Züge annimmt. Wenn Satire und Wirklichkeit nicht mehr zu unterscheiden sind, hat der Witz kein Alleinstellungsmerkmal mehr. 

Heute, am 1. April, ging eine Pressemitteilung aus Düsseldorf durch den Äther. Auch nach mehrfachem Lesen weiß man nicht, ob sie echt ist, oder ob sich da jemand über den Klimaaktivismus lustig macht. Aber lesen Sie selbst:

„Die Klimaaktivistin Celine Coldewe tritt für die Klimaliste Düsseldorf als OB-Kandidatin an.

Die Medien- und Kulturwissenschaftsstudentin Celine Coldewe (23) ist die siebte und jüngste Person, die für den höchsten Posten in unserer Stadt bei der Kommunalwahl im September kandidiert. Nachdem sie letztes Jahr dem Ruf von Fridays for Future gefolgt war, machte sie den Klimaschutz zu ihrem Lebensinhalt. Zusammen mit anderen überzeugten Klimaschützer*innen gründete sie dieses Jahr die Klimaliste Düsseldorf, um eine konsequente und effektive Klimapolitik durchzusetzen.

Politik in Zeiten des Corona-Virus

Wegen des Lockdowns erfolgte die Vorstellungsrunde der Kandidat*innen per Videokonferenz. Die Wahl wurde unter strengen Sicherheitsauflagen durchgeführt. Nicht nur war der zwei Meter Abstand im Wahllokal garantiert, sondern es gab auch eine mobile Urne, die per Fahrrad zu den Wähler*innen gebracht wurde. „Damit beweisen wir als Klimaliste Düsseldorf auch in Zeiten von Covid-19 unsere Entschlossenheit, kreative Wege zu gehen für einen effektiven Klimaschutz in Düsseldorf“, so Lukas Fix, Sprecher der Klimaliste. Bei einer Wahlbeteiligung von 87% behauptete sich Celine Coldewe gegen zwei weitere Kandidierende: Nadja Mostert (25) und Stefan Job (55).

Politik als Fortsetzung des Aktivismus

Celine Coldewe wirkt auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Studentin – legere-elegant, gut gelaunt, unaufdringlich. Auch privat unterscheidet sie sich nicht viel von den Menschen in ihrer Umgebung, sie fotografiert und filmt gerne, interessiert sich für Tattoos, und auch die Tatsachen, dass sie sich vegan ernährt, kein Auto fährt und seit zwei Jahren nicht geflogen ist, sind bei Studierenden keine Seltenheit. Außergewöhnlich ist aber ihr Lebensstil: Jeden Tag Telefonkonferenzen, Meetings, Aktionen, und viel Zeit, um sich in alle politischen und klimarelevanten Themen einzulesen. „Klimaschutz war mir schon lange wichtig, deswegen habe ich mich so stark bei Fridays for Future engagiert. Mit der Klimaliste Düsseldorf gehe ich nur den nächsten logischen Schritt. Denn seitdem der Klimanotstand in Düsseldorf aufgerufen wurde, ist praktisch nichts passiert. Es wird Zeit, die Politik radikal zu verändern“, so Celine Coldewe. Mit der Klimaaktivistin als OB-Kandidatin und einem soliden Programm zieht die junge Initiative in den Wahlkampf um den Chefinsessel im Rathaus.“ 

Fragen wir also nach: Beim Amt für Kommunikation der Stadt Düsseldorf hat man davon nichts gehört. Also ein Scherz? Aber die Dame dort sagt, sie wisse nicht so genau bescheid. Ich solle doch dem Bürgermeister, Herrn Thomas Geisel persönlich, eine Mail schreiben. Na, so wichtig ist es dann doch nicht. 

Unter der mit der Pressemitteilung gelieferten Telefonnummer meldet sich tatsächlich eine Frau Mostert, die versichert, die Pressemitteilung sei kein Aprilscherz. Der Verein Klimaliste Düsseldorf existiere seit „etwa einem Monat“ und habe „etwa 20 Mitglieder“, es gebe genug Unterschriften für die Kandidatur zur OB-Wahl. Und im Netz finden sich Fotos von Celine Caldewe und viele Hinweise auf gleichnamige Vereine in anderen Städten. Und die NRZ berichtet auch darüber. Also wohl wirklich kein Scherz.

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