Tichys Einblick
Achtung Glosse!

Als Lars Klingbeil das Wahlvolk vor dem ICE rettete

Lars Klingbeil ist ein Mann vom Volk, durch das Volk, für das Volk. Dafür verhindert er auch ein bundesweit wichtiges Infrastrukturprojekt. Die einen wollen eben keine Migranten in der Nachbarschaft, die anderen keinen ICE.

IMAGO - Collage: TE

Zu Uni-Zeiten gab es von Linken und Grünen einen bekannten Anwurf: „Wenn du für Atomkraft bist, dann kann der Castor ja in deinen Keller!“ Das war schon damals amüsant. Nicht nur wegen eines offensichtlichen Populismus, sondern weil dieselben Ideologieträger auf eigenem Feld bemerkenswert inkonsequent waren.

Mehr Multikulti – ja, aber bitte nicht in meiner Nachbarschaft. Mehr Öko-Produkte – ja, aber bitte zum selben Preis. Mehr öffentlicher Nahverkehr – ja, aber …

Womit wir bei Lars Klingbeil wären. Bisher war der Co-Vorsitzende der Sozialdemokraten vor allem dafür bekannt, als Lobbyist für den Bundeswehrstandort Munster in seiner Heimat anzutreten. Und das ist auch richtig so: Politiker mit Bindung zum eigenen Wahlkreis gibt es im Grunde viel zu wenige. Direktmandant, Wählerwille und so. Für die SPD eine Besonderheit, denn lange galt der Kreis als CDU-Bastion. Und diesen Brückenkopf will man nicht so einfach hergeben.

Deswegen setzt sich Lars Klingbeil besonders stark für seine Heimat ein. So stark, dass er sogar einer Bürgerinitiative dabei geholfen hat, eine neue ICE-Trasse in der Gegend zu verhindern. Eigentlich sollte sie Hamburg und Hannover auf direktem Weg verbinden und 20 Minuten Zeit einsparen. Eigentlich sollte sie damit die A7 entlasten – Motto: Verkehr von der Straße auf die Schiene. Eigentlich sollte das Infrastrukturprojekt den Hamburger Hafen stärken. Eigentlich.

Denn eigentlich hat sich die Ampel auch selbst das Etikett „Fortschrittskoalition“ angeheftet, sieht sich aber nun von einem der Parteichefs jener Ampelparteien boykottiert. Alles aus Liebe zum Land. Also, einem Teil des Landes. Denn Lars Klingbeil musste damit rechnen, durch das Projekt möglicherweise an Beliebtheit zu verlieren. Also kungelte er mit der niedersächsischen Landesregierung.

Die Grünen sind empört: „Fatale Grundhaltung eines Machtzirkels innerhalb der SPD“. Die FDP ist erbost: „Genickschlag für den Hamburger Hafen“. Doch Klingbeil gibt nicht nach. Er will keinen Castor im Keller, keine Migranten in der Schulklasse der Kinder – und keinen ICE im Vorgarten. Es geht schließlich um das Beste der Bürger: nämlich deren Wahlstimmen.

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