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Greenpeace verzichtet auf Gemeinnützigkeit

Der Gleitschirm-Pilot von München wurde von Greenpeace vorerst suspendiert. „Aber nicht wegen der Notlandung, sondern weil er gegen die ethischen Prinzipien unserer Organisation verstoßen hat. Wer gegen Volkswagen demonstriert, darf privat keinen VW-Polo fahren“.

IMAGO / Moritz Müller

Hamburg/München. Die Umweltorganisation Greenpeace verzichtet auf die Gemeinnützigkeit. Das erklärte ein Greenpeace-Sprecher heute in Hamburg und zog damit die Konsequenzen aus der misslungenen Gleitschirmaktion am Dienstag vor dem EM-Spiel Deutschland-Frankreich in München.

“Wir wollen uns nicht von populistischen Forderungen von Unionspolitikern jagen lassen, die damit ohnehin nur kritische NGOs wie Greenpeace mundtot machen wollen. Das haben wir nicht nötig“, so der Greenpeace-Sprecher. Die Aktion, bei der zwei Personen im Stadion verletzt wurden und der Gleitschirm-Pilot auf dem Spielfeld notlanden musste, habe ihr Ziel mehr als erreicht. „Über 20 Millionen Zuschauer:Innen im Fernsehen und Millionen Zeitungsleser:Innen und Mediennutzer :Innen haben so von unserem Klimaprotest gegen den Volkswagen-Konzern erfahren. Das wird uns viele neuen Spenden von Klimabesorgt:Innen bringen, so dass wir auf den steuerlichen Vorteil leicht verzichten können“. 2019 hatte Greenpeace laut eigenen Angaben rund 71 Millionen Euro Spendeneinnahmen verzeichnet. Experten schätzen den Steuerausfall für die Finanzbehörden dadurch auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

Nachdem auch von Grünen-Politikern Kritik an der Aktion geäußert worden war, hat sich Greenpeace eine andere NGO zum Vorbild genommen. Die „Bürgerbewegung Finanzwende“ des ehemaligen Grünen-Finanzpolitikers Gerhard Schick hatte zu Jahresbeginn ihren Status als gemeinnütziger Verein aufgegeben, um die gesetzlichen Beschränkungen für ihre Arbeit loszuwerden. „Wir verzichten zugunsten unserer vollen politischen Schlagkraft auf einen steuerrechtlichen Status“, erklärte Schick damals. Greenpeace will ohne die Gemeinnützigkeitsbelastung in Zukunft ebenfalls angriffslustiger werden.

Der Greenpeace-Sprecher bat die verletzten Personen, die Spieler sowie die Zuschauer:Innen im Stadion für die „Schrecksekunde aufrichtig und nachdrücklich um Entschuldigung. Wir sind bekannt für unsere Aktionen, die immer friedlich und gewaltfrei sind“. Doch bei technischen Innovationen wie dem E-Lithium-Propellerantrieb des Gleitschirms könne es auch mal zu Problemen kommen. Für den richtigen Zweck müsse man das Risiko eingehen. Der Pilot wurde von Greenpeace vorerst suspendiert. „Aber nicht wegen der Notlandung, sondern weil er gegen die ethischen Prinzipien unserer Organisation verstoßen hat. Wer gegen Volkswagen demonstriert, darf privat keinen VW-Polo fahren“.

In einer ersten Reaktion lobte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock den Schritt. Er diene der Klarheit und Transparenz: „Gut, dass Greenpeace sich jetzt juristisch von gemeinnützig auf gemeingefährlich umdeklariert hat, im Völkerrecht ist das völlig normal“.


Claudia Pritt

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