Tichys Einblick
Predigt für Pillepalle

Evangelischer Gottesdienst: Für Extinction Rebellion und gegen Bayern

Pfarrer Achijah Zorn fragt satirisch, wieviel Fürbitte im Gottesdienst für „Extinction Rebellion“ eine Kirche erträgt, ohne sich selbst aufzugeben und für welchen Bundesligaclub Jesus kickt.

Symbolbild

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Sonntag morgen im evangelischen Gottesdienst. Das Thema ist mal wieder „Bewahrung der Schöpfung“. Der aus der Friedensbewegung stammende Pfarrer setzt das gesellschaftliche grüne Dauerbombardement im religiösen Raum fort.

Wobei „Schöpfung“ ja eine richtige Hausnummer ist. Das Universum hat eine Ausdehnung von 23.000.000.000 Lichtjahren und ein Lichtjahr besteht aus nicht weniger als 9.461.000.000.000 km. Bei „Schöpfung bewahren“ geht es also nicht um Pillepalle. Was für eine Last für einen einzelnen Menschen!

Aber da sind zum Glück noch die anderen Gottesdienstbesucher. Zufällig genau 23 an der Zahl. Da kann jeder eine Milliarde Lichtjahre übernehmen. Kommt genau hin. Es geht ja auch um „Gerechtigkeit“. Und viele von den Witwen im Gottesdienst bekommen gerade mal die Grundrente und können so dem Pfarrer und der EKD einiges im Sinne von Nachhaltigkeit beibringen.

In der Bibel steht im Schöpfungsbericht (Gen 2,15) zwar nur etwas von der „Bewahrung des Garten Edens“ – ein abgesteckter begrenzter Raum rund um den Euphrat. Gott überfordert die Menschen nicht. Er mutet ihnen nur einen abgegrenzten Bereich zu.

Die Kirche dagegen denkt nicht so kleinkariert-national und bruchstückhaft-partikularistisch. Unterhalb eines grenzenlosen Universalismus macht es die ev. Kriche nicht, weder in der Flüchtlingsfrage noch beim Umweltschutz.

Und im leuchtenden Geiste der grenzenlosen „Bewahrung der Schöpfung“ führt uns der friedensbewegte Pfarrer direkt auf ein nächstes Minenfeld. In der Fürbitte betet er: „Großer Gott, stehe Extinction Rebellion bei, damit sie die ökologische Nachhaltigkeit auf der Welt stärken!“

Dieses Gebet passt ja prima zum Thema „Bewahrung der Schöpfung“. Aber dieses Minenfeld der einseitigen politischen Parteinahme im Gebet hat es in sich.

Schon rein formal ist das Gebet nicht der Platz für politische Diskurse. Es ist ja noch nicht einmal üblich, neben dem „Amen“ bei Zustimmung ein „Veto“ bei Ablehnung äußern zu dürfen.

Und auch inhaltlich ist das mit Extinction Rebellion so eine Sache. Eigentlich eine schöne Braut, die sich mit Kreativität und Engagement für Nachhaltigkeit einsetzt. Doch leider hat diese schöne Braut einen ziemlich langen und abstoßenden Rattenschwanz: Apokalyptische Panikmache; verachtende Äußerungen zur Demokratie, die nicht imstande sei, die ökologischen Probleme zu lösen; zweifelhafte Aussagen zur Legitimität von Gewalt und sogar Blut im politischen Kampf; sozialistische Utopien; von einigen esoterischen Verirrungen ganz zu schweigen.
Dem allen soll Gott beistehen? Und dazu soll ich als Gottesdienstbesucher ohne Widerspruchsmöglichkeit „ja und Amen“ sagen?

Jesus war nicht der dümmste, als er gesagt hatte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Er wusste, dass die menschlich-allzumenschlichen Politiker und die politischen Parteien so manche Rattenschwänze haben. Naive Identifikation von Kirche und Politik führen darum allzuschnell dazu, dass die Kirche nicht nur die schöne Braut bekommt, sondern schneller als gedacht auch den Rattenschwanz am Hals hat. Ein Rattenschwanz, der der Kirche schon oft genug die Luft zum freien Atmen genommen hat.

Und damit verliert die Kirche mitten in der Welt ihr größtes Pfund: Die fruchtbare und heilsame kritische Distanz zu dieser Welt.

Kommen wir zum Schluss des Gottesdienstes: Da der friedensbewegte Pfarrer eine Vorliebe für Minenfelder und einseitige Gebete zu haben scheint, habe ich von ihm eigentlich noch folgende Schlussfürbitte erwartet: „Großer Gott, bitte lass das kapitalistische Bayern München heute im Sonntagsspiel der Bundesliga verlieren.“
Doch zum Glück werden wir im Gottesdienst nicht auch noch auf dieses Minenfeld geschickt.

Vielleicht weil ein Kirchenvorstand BVB-Fan ist und an dieser Stelle keinen Spaß verträgt.

Vielleicht aber auch, weil der friedensbewegte Pfarrer sich doch zumindestens beim Fußball einen Rest an Feingefühl und Distanz bewahrt hat.

Dann wäre meine Kirche doch noch nicht gänzlich verloren!


Pfarrer Achijah Zorn